Die für eine Optimierung der Leistungsprozesse notwendige digitale Anbindung der Mandanten an die Steuerberatungskanzlei kann in Verbindung mit der Verfahrensdokumentation als Einstieg in die IT- und Prozessberatung genutzt werden.
Auf die technischen Entwicklungen sowie die immer komplexer werdenden Systemlandschaften in den Unternehmen reagierte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) 2014, indem es die ursprünglichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung erweiterte (BMF-Schreiben IV A 4 – S 0316/13/10003). Die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) führten zu einigen Neuerungen. Dabei stehen nun die Datenverarbeitungssysteme, digitale Aufzeichnungen und der Prozess der Digitalisierung von Papierbelegen samt deren Vernichtung sowie der Datenzugriff der Finanzverwaltung bei Betriebsprüfungen im Fokus.
Verfahrensdokumentation
Ein wesentlicher Punkt – er soll der Finanzverwaltung zukünftig bei einer effizienten Betriebsprüfung und dem dazu benötigten Verständnis der IT-Systeme in Unternehmen helfen – ist die in den GoBD verankerte Verfahrensdokumentation. In ihr soll die Organisation der Buchführung ausführlich schriftlich beschrieben werden. Der Verfahrensdokumentation liegt ein bewährter Grundsatz des Qualitätsmanagements zugrunde: Wenn du aufschreiben kannst, wie etwas funktioniert, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass es auch so passiert. Die GoBD gehen noch einen Schritt weiter in Richtung Qualitätsmanagementsystem, indem sie in der Verfahrensdokumentation das Vorhandensein eines internen Kontrollsystems (IKS) vorschreiben.
Interne Kontrollen
Die Qualität der Buchführung soll durch interne Kontrollen gesichert werden. Diese beziehen sich auf die Verantwortlichkeiten und Prozesse, wie es in der Verfahrensdokumentation beschrieben ist. Kommt es zu Fehlern, müssen die Ursachen aufgeklärt werden. Gibt es eine neue Soft- oder Hardware, soll das in der Verfahrensdokumentation vermerkt beziehungsweise geändert werden. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen in den Prozessen und der IT geschult werden, bevor sie an die Arbeit gehen. Das alles ist in der Verfahrensdokumentation enthalten und wird durch neue Versionen auf aktuellem Stand gehalten. In Gänze stellt die Verfahrensdokumentation mit dem IKS ein vollständiges Qualitätsmanagementsystem für einen Großteil der Verwaltung in den Unternehmen dar. Sie bezieht sich zwar in erster Linie auf die Finanzbuchführung, jedoch ist durch die Einbindung der Vorsysteme und der dazugehörigen Prozesse schnell die gesamte Verwaltung involviert. Das Thema Personal grenzt aufgrund von Lohn- und Gehaltsabrechnungen direkt an. Die Zeiterfassung – unabhängig davon, ob digital oder analog – ist ein Beispiel für ein Vorsystem. Materialwirtschaft, Kasse, Online-Shop, Reisekosten, IT-Ausstattung und deren Sicherheit sind weitere Themen. Die Finanzverwaltung will damit erreichen, dass die Qualität intern sichergestellt und von außen schnell geprüft werden kann, mit dem Ziel, mehr Transparenz und Steuergerechtigkeit zu schaffen. Für Unternehmer klingt das in erster Linie zunächst nach sehr viel Bürokratie und Verwaltungsaufwand.
Unterschiede je nach Unternehmensgröße
In den GoBD steht aber auch, dass sich der Umfang der Verfahrensdokumentation an der Komplexität des Unternehmens orientieren soll. Ein Einzelunternehmer ohne Mitarbeiter benötigt im Gegensatz zu einer Metzgerei mit mehreren Standorten eine weit weniger komplexe Verfahrensdokumentation, sofern sich die simplen Finanzbuchführungsprozesse auf ein bis zwei Software-Produkte beschränken sowie nur eine Person, die sie ausführt. Bei Unternehmen mit mehreren Standorten oder größeren Abteilungen sieht das jedoch schon anders aus. Ein häufig zitierter Fall vor dem Finanzgericht (FG) Münster zeigt aber, dass die Dokumentationspflicht ernst zu nehmen ist.
Rechtsprechung
Bei der Betriebsprüfung eines Friseursalons mit zwei Standorten und PC-gestützten Kassensystemen kam es zu diversen materiellen Fehlern (fehlende Rechnungsnummern, unvollständig aufbewahrte Gutscheine und so weiter). Zudem gab es einen formellen Fehler. Die Protokolle zur Programmierung der Kassen fehlten. Die Richter urteilten wie folgt (FG Münster, Urteil vom 29.03.2017, Az. 7 K 3675/13): „Bei der Nutzung programmierbarer elektronischer Kassensysteme stellt das Fehlen der Programmierprotokolle einen gewichtigen formellen Kassenführungsmangel dar, der jedenfalls bei bargeldintensiven Betrieben zu Hinzuschätzungen berechtigt.“ Formelle Fehler rücken also mehr und mehr in den Fokus der Finanzverwaltung. Das liegt daran, dass durch die GoBD die Anforderungen an die Dokumentation der Buchführung sowie der genutzten IT-Systeme extrem gestiegen sind. Finden sich hier bereits Fehler, steht der Unternehmer in der Pflicht, zu beweisen, dass sein System vor Manipulationen geschützt ist. Das zeigt auch die weitere Begründung des Urteils im Fall des Friseursalons (FG Münster, Urteil vom 29.03.2017, Az. 7 K 3675/13): „Es ist von erheblicher Bedeutung, dass sich ein Betriebsprüfer und gegebenenfalls das Gericht davon überzeugen können, wie die Kasse bei Inbetriebnahme programmiert war und in welchem Umfang zu späteren Zeitpunkten Programmeingriffe vorgenommen worden sind. Das Gewicht dieses Mangels tritt dann zurück, wenn der Steuerpflichtige im konkreten Einzelfall darlegt, dass die von ihm genutzte elektronische Kasse trotz Programmierbarkeit keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet.“ Die Beweislast dreht sich bei fehlender Dokumentation um. Auch wenn die Finanzverwaltung seit jeher ein Auge auf bargeldintensive Geschäfte mit Kassen hat, ist die Kasse ein Beispiel für ein Vorsystem in Unternehmen. Und denen kommt durch die GoBD eine besondere Aufmerksamkeit zu.
Neufassung der GoBD
Das BMF ist auch weiterhin bemüht, den technologischen Entwicklungen in den GoBD Rechnung zu tragen, und veröffentlichte am 11. Juli 2019 eine Neufassung, in der unter anderem auf das Fotografieren von Belegen per Handy sowie auf Cloud- Systeme eingegangen wird (BMF-Schreiben IV A 4 – S 0316/19/10003 :001). Gerade in Hinblick auf eine schnelle Verbreitung von Cloud-basierten Anwendungen sowie das Voranschreiten der Vernetzung von IT-Systemen und Automatisierungsprozessen wird die Verfahrensdokumentation als Grundlage zum Verständnis der Systemlandschaften in Unternehmen für die Finanzverwaltung an Bedeutung gewinnen. Steuerberatungskanzleien sind Teil dieser Systemlandschaft.
Die Rolle des Steuerberaters
Wenn die Geschäftsvorfälle mit DATEV Kanzlei-Rechnungswesen gebucht werden, arbeitet der Steuerberater direkt am Hauptsystem, dem Ort, an dem alle Fäden zusammenlaufen. Der Steuerberater ist für den Unternehmer auch die erste Anlaufstelle, wenn es um die Verfahrensdokumentation geht. Seinerseits hat er je nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats eine Hinweispflicht gegenüber seinem Mandanten: „Der Steuerberater hat allerdings im Rahmen seiner vertraglichen Nebenpflichten den Mandanten vor Schaden zu bewahren. Vor diesem Hintergrund ist er verpflichtet, auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zu Tage liegen, hinzuweisen.“ (Gemmer 2005: www.iww.de/kp/archiv/hinweis-und-aufklaerungspflichten-mangelnde-sachverhaltsaufklaerung–wann-haftet-der-steuerberater-f33097). Die normative Pflicht, eine Verfahrensdokumentation zu besitzen, liegt zwar beim Unternehmer, auch wenn diese gesetzlich noch nicht verankert ist. Sollte jedoch die Buchführung eines Mandanten aufgrund des Fehlens einer Verfahrensdokumentation intensiver geprüft werden und der Steuerberater hat dies nie erwähnt, kann sich das extrem schlecht auf das Mandatsverhältnis beziehungsweise den Steuerberater als Vertrauensperson auswirken. Der steuerliche Berater sollte deshalb ein starkes Interesse für die Verfahrensdokumentation entwickeln und das Thema proaktiv angehen, damit Schäden für die Kanzlei und deren Mandanten vermieden werden.
Schnittmengen nutzen
Es geht aber nicht nur darum, Schaden abzuwenden. Die Vorsysteme beim Mandanten sind für die Optimierung der Leistungsprozesse in der Kanzlei von zentraler Bedeutung. Werden Medienbrüche durch Schnittstellen und Software auf ein Minimum reduziert, können Daten zwischen den Vorsystemen beim Mandanten und dem Hauptsystem in der Kanzlei reibungslos fließen. Manuelle Tätigkeiten wie das Abtippen von Belegdaten gehören der Vergangenheit an. Neue Technologien wie der DATEV Automatisierungsservice Rechnungen können auf digitale Daten losgelassen werden. Der Clou: Die Informationen, die der Steuerberater für die digitale Anbindung der Mandanten an die Kanzlei benötigt, sind ein Großteil der Informationen, die für die Verfahrensdokumentation benötigt werden. Die allgemeinen Informationen zum Unternehmen, die für die Verfahrensdokumentation ebenfalls benötigt werden, besitzen die Steuerberatungskanzleien bereits. Der jetzt noch fehlende Teil ist im Verhältnis gering und kann mit dem Mandanten gemeinsam entwickelt werden. Die große inhaltliche Überschneidung der digitalen Anbindung der Vorsysteme der Mandanten an die Kanzlei sowie der Verfahrensdokumentation können die steuerlichen Berater nutzen, um eine neue Beratungsleistung anzubieten und zwei unangenehme Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Dadurch können Umsatzeinbußen (nicht Gewinne), die durch die fortschreitende Automatisierung der Buchführung entstehen, aufgefangen und kann insgesamt ein höherer Gewinn erwirtschaftet werden.
Make-or-buy-Entscheidung
Die Frage, die sich so mancher Steuerberater stellt, ob man diese Dienstleistung wirklich in Rechnung stellen kann, beantworten DATEV Solution Partner, die das bereits tun. Um diese Umsätze generieren zu können, müssen vorher jedoch einige Investitionen getätigt werden:
- Wissen aufbauen und Mitarbeiter schulen,
- Werkzeuge entwickeln und neue Software für Verfahrensdokumentationen und Projektmanagement implementieren
- Prozesse definieren und nicht zuletzt die Mandanten überzeugen.
Da stellt sich die unternehmerische Frage, ob es nicht sinnvoller ist, nur bestimmte Teile zu übernehmen und andere auszulagern. Also eine klassische Make-or-buy-Entscheidung.
Resümee
Der technologische Fortschritt hat zu einschneidenden Veränderungen in den Unternehmen geführt und den Staat zum Handeln gezwungen. Die GoBD sind ein Ergebnis dieser Entwicklung. Durch Verknüpfung der digitalen Mandantenanbindung an die Kanzlei mit der in den GoBD verankerten Verfahrensdokumentation gelingt es dem steuerlichen Berater, zwei wichtige und dringende Themen mit insgesamt weniger Aufwand zu bearbeiten.
MEHR DAZU
finden Sie unter www.datev.de/verfahrensdokumentation
Erfahren Sie mehr über die Verfahrensdokumentationen zur Belegablage, zum ersetzenden Scannen, zur Kassenführung, zur Prozessbeschreibung PayPal und zur Corona-Dokumentation. Unterziehen Sie bereits unterjährig und regelmäßig Ihre Vorsysteme einer digitalen Datenanalyse, um die Datenqualität in Ihrer Buchführung sicherzustellen. www.datev.de/datenpruefung
DATEV-Fachbuch: „Digitalisierung von Geschäftsprozessen im Rechnungswesen“, 3. Auflage,
Mandanten-Info-Broschüre: „Ersetzendes Scannen – Abschied vom Papier“,
Mandanten-Info-Broschüre: „Elektronische Rechnungen – einfach und sicher!“,
Präsenzseminar „Verfahrensdokumentation – Bearbeitung eines Musterfalles“,
Lernvideo online „Verfahrensdokumentation mit DATEV Bilanzbericht – Dokumentvorlagen im Überblick“,
Lernvideo online „Verfahrensdokumentation nach GoBD“,
Lernvideo online „Ersetzendes Scannen und E-Rechnungen: Voraussetzungen und Umsetzung mit DATEV Unternehmen online“