Fortbildung oder Networking - 16. Juni 2021

Die Kompetenz sichern

Die ganzheitliche Mandatsbetreuung setzt inzwischen auch Kenntnisse im Bereich Sanierung und Restrukturierung voraus. Sofern eine derartige Beratung nicht von der eigenen Kanzlei geleistet werden kann, sollte man mit Blick auf die bestehenden Haftungsrisiken ein entsprechendes Netzwerk aus Sanierungsspezialisten aufbauen.

Mit dem neuen Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) wurde nach dem Willen des Gesetzgebers ein vorgelagertes Sanierungsinstrument geschaffen. Steuerliche Berater, die eine Verantwortung für krisenbehaftete Mandanten übernehmen, sind dann faktisch in einer Art Haftungsgemeinschaft. Andererseits ist die professionelle Begleitung von Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage auch eine Chance, sich ein neues Geschäftsfeld zu erschließen. Auch die berufsständischen Interessensvertreter fördern diese Entwicklung.

Restrukturierungsbeauftragter und Sanierungsmoderator

So hat die Steuerberaterkammer Nürnberg in einer Bekanntmachung vom 10. Februar 2021verlauten lassen, dass mit dem Restrukturierungsbeauftragten, der in bestimmten Fällen zwingend von den neu zu schaffenden Restrukturierungsgerichten zu bestellen ist, nach dem StaRUG eine Aufsichtsperson für die vorgelagerten Verfahren, der Sanierung geschaffen worden ist. Auf Initiative der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) hin ist jetzt in § 74 Abs. 1 StaRUG gesetzlich klargestellt, dass in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrene Steuerberater neben Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten als Restrukturierungsbeauftragte bestellt werden können. Daneben können im Vorfeld des Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahrens Unternehmen im Falle von wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten einen gerichtlich bestellten Sanierungsmoderator in Anspruch nehmen. Ziel hierbei ist, zwischen den Interessen des Schuldners und der Gläubiger zu vermitteln. Voraussetzung ist, dass der betroffene Betrieb nicht offensichtlich zahlungsunfähig ist (§§ 94 ff. StaRUG). Das Restrukturierungsgericht bestellt eine geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern sowie dem Schuldner unabhängige natürliche Person zum Sanierungsmoderator. Diese Aufgabe steht damit auch Steuerberatern offen. Die Möglichkeit, strukturierte Sanierungsprozesse mit den beteiligten Gläubigern eines kriselnden Unternehmens zu begleiten und hier ein Konsens herbeizuführen, ist die ursprünglichste Form einer Sanierung. Gerade auch für kleinere Unternehmen soll damit nach dem Willen des Gesetzgebers ein Zugang zu den Instrumenten der Restrukturierung eröffnet werden. Zugleich sind damit für den steuerlichen Berater gleich zwei neue Geschäftsfelder eröffnet. Wer mit Einführung des StaRUG also den Entschluss fassen sollte, das Geschäftsfeld Sanierung und Restrukturierung für sich zu erschließen, der sollte dies nach einem vordefinierten Ablaufplan angehen.

Krisenmandanten identifizieren

Zunächst einmal ist festzustellen, welche Mandanten sich wirtschaftlich auf dünnem Eis befinden. Dabei kommen nicht nur die üblichen Verdächtigen im eigenen Mandantenstamm in Betracht, die schon länger mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen haben.  Denn mittlerweile haben wir es mit einer neuen Gefährdungslage zu tun, da die aktuellen, Corona-bedingten, negativen wirtschaftlichen Folgen noch weiter andauern werden und sich zumindest auch im nächsten Jahr noch auswirken werden. Bei diesen gefährdeten Mandanten muss die Bereitschaft bestehen, an einem strukturierten Prozess mitzuwirken, um einerseits die Vorgaben der Sanierung zu erfüllen und andererseits auch einschneidendere Maßnahmen im Falle des Falles vornehmen zu lassen. Sofern diese Mandanten dazu nicht bereit sind, sollte der steuerliche Berater das Mandat beenden. Andernfalls gefährdet er sich selbst, da auch er dann unter gewissen Umständen einem Haftungsrisiko ausgesetzt ist.

Frühwarnsystem und Aufklärungsgespräche

Mit den einsichtigen Mandanten kann der Steuerberater jedoch eine Plattform zur Einführung eines Frühwarnsystems schaffen. Über ein derartiges Cockpit können zusammen mit dem Mandanten dann die notwendigen Sanierungsmaßnahmen nach den klassischen Regeln der Betriebswirtschaftslehre angegangen werden. Diese sind unter Einbindung des steuerlichen Beraters fortlaufend zu dokumentieren. Zudem sind mit dem kriselnden Unternehmen regelmäßige Aufklärungsgespräche über die gesetzlichen Vorgaben im insolvenznahen Umfeld zu führen. Auch diese Aufklärung sollte fortlaufend dokumentiert werden. Insoweit stehen entsprechende Vordrucke der einschlägigen Fachverlage zur Verfügung.

Im Netzwerk agieren

Vor diesem Hintergrund sollte sich der steuerliche Berater in jedem Fall auch ein Netzwerk zu vorinsolvenzlichen Sanierungsberatern und Insolvenzverwaltern aufbauen. Über das Internet lassen sich entsprechende Experten in der jeweiligen Region finden, die umgekehrt auch an direkten Kontakten zu Steuerberatern interessiert sind. Ab einem gewissen Grad der wirtschaftlichen Krise sollte man die Betreuung des Mandanten jedenfalls nicht mehr allein vornehmen. Denn die Einschaltung eines auf Insolvenzrecht spezialisierten Sanierungsberaters und dessen Know-how hat nicht nur eine positive Wirkung mit Blick auf die neuen, gesetzlich definierten Verpflichtungen, sondern bringt zugleich auch eine spürbare Verlagerung des Haftungsrisikos mit sich, weg vom steuerlichen Berater. Aus diesem Grund sind die eigenen Mandanten so früh wie möglich und auch regelmäßig auf das Szenario vorzubereiten, wenn die Einbindung des externen Spezialisten für Insolvenzrecht unumgänglich wird. Dies ist der Fall, wenn man mit der klassischen Betriebswirtschaftslehre selbst nicht mehr weiterkommt. Sofern der eigene Mandant auf diese schlechte Nachricht vorbereitet ist, wird sich seine Überraschung in Grenzen halten, wenn dieser Schritt dann tatsächlich erfolgen muss.

Zielsetzungen im Falle einer Sanierung

In einem weiteren Schritt sollte man die Mandanten auffordern, für sich selbst schriftlich zu dokumentieren, welche Zielsetzung sie im Falle einer notwendigen Sanierung haben. Soll die Firma unter Einsatz aller, auch der privaten Mittel, um jeden Preis erhalten werden oder ist eine Schließung von Teilbereichen, ein Personalabbau, die Aufnahme neuer Gesellschafter und/oder ein Verkauf des Unternehmens beziehungsweise sogar die Einleitung der selbstbestimmen Liquidation des Betriebs eine Option? Diese Zielsetzungen können dann, sofern der Restrukturierungsfall tatsächlich eintritt mit dem externen Sanierungsexperten besprochen werden, um die Sinnhaftigkeit sowie die bestehenden Möglichkeiten zu beurteilen, ob die Wünsche des Mandanten noch realisierbar sind. Dies erfolgt im Rahmen einer seriösen Prognoseplanung sowie der fundierten Datenbasis aus den eigenen Cockpit-Auswertungen. Im nächsten Schritt ist dann unter Einbeziehung der potenziellen Sanierungsinstrumente ein entsprechender Maßnahmenplan zu erarbeiten. Darin wird die Form des zukünftigen Unternehmens definiert und welche Umsetzungsmaßnahmen notwendig sind, um dieses Ziel zu erreichen. Bei der Fülle an zur Auswahl stehenden Maßnahmen, die eine individuelle Konzeption ermöglichen, sind insbesondere die nachfolgenden Ansätze von Bedeutung:

  • außergerichtliche Sanierung,
  • präventiver Restrukturierungsrahmen,
  • insbesondere Sanierungsmoderation,
  • Eigenverwaltung mit temporären Erleichterungen des Zugangs,
  • Gesellschafterfinanzierungen unter dem COVInsAG,
  • ertragsteuerliche Folgen eines Restrukturierungsplans und Anwendbarkeit von § 3a  EStG,
  • Regelungen zur Nutzung von Rangrücktrittserklärungen,
  • umsatzsteuerliche Fragen im Restrukturierungsplan,
  • steuerrechtliche Unterschiede im Restrukturierungsrahmen, der vorläufigen Eigenverwaltung und im Schutzschirmverfahren sowie
  • die Corona-Steuerhilfegesetze I und II.

Rechtzeitiger Insolvenzantrag

Ebenfalls wichtig ist eine weitere Neuerung. Die Frist eines rechtzeitig gestellten Insolvenzantrags beträgt bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit drei Wochen. Die Antragsfrist bei Überschuldung wurde nun mit Wirkung ab dem 1. Januar 2021 auf sechs Wochen verdoppelt. Somit besteht in diesem Bereich ein längerer Zeitraum, der für eine vorinsolvenzliche Sanierung genutzt werden könnte.

Liquiditätsreserven schaffen

Mit Blick auf eine anstehende Restrukturierung ist das Vorhandensein einer Liquiditätsreserve in jedem Fall von sehr großem Vorteil. Denn nicht nur die Sanierungsexperten möchten bezahlt werden, sondern auch die dann notwendigen Maßnahmen sind regelmäßig durchaus kostentintensiv. Auch in diesem Bereich sichert ein frühzeitiges Handeln den selbstbestimmten Verlauf einer Sanierung. Freie, liquide Mittel schaffen Handlungsspielraum. Das sollte schon in den ersten Gesprächen mit den Mandanten verdeutlicht werden. 

Eigene Honorarforderungen

Bei allem Einsatz für den Mandanten in wirtschaftlicher Schieflage sollte der steuerliche Berater immer auch daran denken, das eigene Honorar zu sichern. Bargeschäfte gemäß § 142 InsO sind hier der beste Schutz vor dem Risiko einer späteren Insolvenzanfechtung. Vor diesem Hintergrund ist das Unterlassen einer Honorarforderung doppelt problematisch. Denn sofern der Mandant gar nicht mehr in der Lage ist, die Leistungen seines Beraters zeitnah zu honorieren, wäre dies schon ein klares Indiz für eine ernste Liquiditätskrise. Für den Steuerberater ist dann offensichtlich, dass fällige Verbindlichkeiten nicht mehr fristgerecht bezahlt werden können. In einer derartigen Situation ist kein Raum mehr für eine vorinsolvenzliche Sanierung, sondern es bedarf einschneidenderer Maßnahmen. Sollten vom Mandanten Teilzahlungen verspätet an die Kanzlei gehen, ist dies bei der eigenen Finanzdisposition mit Blick auf eine spätere Insolvenzanfechtung mit einzukalkulieren. Falls man gewillt ist, die eigene Honorarforderung bis zum Erfolg der Sanierungsmaßnahmen zu stunden, sollte dies mit dem Mandanten schriftlich festgehalten werden. Schließlich sollte man daran denken, bei Überwachung einer Überschuldung des Mandanten auch die eigenen gestundeten Ansprüche mit aufzunehmen. Zulässig sind diese präventiven Maßnahmen dann noch, wenn nicht schon Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Bei juristischen Personen beziehungsweise bei solchen ohne natürliche Person als unmittelbarer oder mittelbarer Gesellschafter darf zudem keine Überschuldung eingetreten sein (§ 94 StaRUG).

Ausblick

Um all den voranstehenden Ausführungen als Berater gerecht zu werden, bedarf es entsprechender Fortbildungen. Angebote sind bei den Einrichtungen für die fachliche Weiterbildung in Vorbereitung. Zudem bedarf es eines rechtzeitig einsetzenden Frühwarnsystems, um den Zeitpunkt nicht zu verpassen, bis zu dem die Nutzung der einfach zu realisierenden Entschuldungskomponente noch möglich ist. Neben der klassischen Entschuldung mittels Schuldenschnittes beziehungsweise -vergleichs sind auch Komponenten der Stundung und Laufzeitverlängerungen möglich. Gerade der letztgenannte Ansatz mit den Gläubigern erfahrungsgemäß am ehesten verhandelbar. Die weitere, rechtliche Entwicklung im Auge zu behalten ist ebenfalls sinnvoll. Insbesondere die in Zukunft zu prüfenden Reaktionen beziehungsweise die Bereitschaft der beteiligten institutionellen Gläubiger, wie etwa Finanzamt, Sozialversicherungsträger und Banken, bei dieser Variante der Sanierung mitzuwirken, wird entscheidend sein für deren praktische Relevanz. Die wechselseitigen Erfahrungswerte aller Beteiligten mit Blick auf den neuen rechtlichen Sanierungsrahmen wird dann erst realistische Einschätzungen ermöglichen, welche Sanierungsstrategie für welche Mandanten künftig am sinnvollsten ist.

Zum Autor

Markus Wohlleber

Steuerberater, Dipl.-Betriebs­wirt (FH), Bank­kauf­mann, Fach­be­rater für San­ie­rung und In­sol­venz­ver­wal­tung (DStV) in der Steuer­be­ra­tungs­kanzlei Wohl­leber in Nürn­berg, Haß­furt und Frankfurt/M.

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