Die Angst vor Covid-19 greift weltweit um sich und das bekommen auch zahlreiche Großveranstaltungen zu spüren. Der persönliche Austausch auf Messen und Kongressen ist vielen Menschen noch immer wichtig. Kann es hierfür Alternativen geben?
Der Mobile World Congress in Barcelona – abgesagt. Die führende Messe der weltweiten Reiseindustrie, die ITB in Berlin – abgesagt. Die Light+Building in Berlin – verschoben in den Herbst. Die Liste der abgesagten Messen und Ausstellungen ist lang: insgesamt wurden über 430 Messen und Ausstellungen aufgrund des Corona-Virus gecancelt – davon über 250 in Asien und knapp 130 in Europa. Ob die Hannover Messe wie geplant vom 20. bis 24. April stattfinden wird, soll Mitte März eine Neubewertung der Risikolage hinsichtlich Covid-19 entscheiden, teilt der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Messe AG, Dr. Jochen Klöckler, mit.
Was bedeutet das Corona-Virus für die Messewirtschaft?
Aus Sicht des Virologen Alexander Kekulé würden nur noch 14-tägige „Coronaferien“ helfen, die Ausbreitung des neuen Virus in Deutschland einzudämmen. Der Experte meint damit natürlich die Schulen und Kitas. Aber können wir seine Aussage auch auf die Messe-Wirtschaft übertragen? Zumindest einem Großteil der Branche wird aktuell eine Zwangspause verordnet. „Eine gute Entscheidung“, sagen die einen. „Fatal“, bewerten die anderen. Erste Messebauer fordern Unterstützung von der Politik und so kündigte die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen bereits Sofort-Kredite für betroffene Unternehmen an.
Die Beteiligung an einer oder mehrerer Messen ist für viele Unternehmen entscheidend für ihre Außendarstellung und das Verhältnis zum Kunden. Messen werden – nicht nur von deutschen Firmen – intensiv genutzt. Für Unternehmen, die auf Fachmessen ausstellen, sind Messebeteiligungen das sogar wichtigste Instrument ihrer Business-to-Business-Kommunikation. In den Jahren 2019/2020 wollen sie durchschnittlich rund 47 Prozent ihrer Budgets für Messen ausgeben. Das ergab eine aktuelle repräsentative Befragung von 500 deutschen ausstellenden Unternehmen im Auftrag des AUMA (Verband der Deutschen Messewirtschaft). Produktionsunternehmen verwenden fast 50 Prozent ihrer Kommunikationsetats für Messen.
Diese Umstände werfen das Spotlight auf virtuelle Konferenzen und Messen wie den Virtual Product Summit, die Fast Food Conference in UK, die Nexcon und einige mehr. Karrieremessen und Online Recruiting Events wie die Online Messe IT@Daimler werden sukzessive salonfähig. Auch Universitäten wie die London School of Economics und dutzende weitere Unis zeigen sich als Vorreiter bei der Nutzung virtueller Räume, meist allerdings noch aus dem englischsprachigen Raum. Die Überschrift lautet stets: Wenn das Event ins Wohnzimmer kommt.
Es liegt auf der Hand: Infektionskrankheiten sind in virtuellen Räumen keine Gefahr, weil sich eben nicht tausende Menschen an einem Ort treffen. Ein absoluter Vorteil in diesen Zeiten ist allerdings nicht nur das gen Null gehende Risiko für eine Ansteckung, sei es mit dem Corona-Virus, der Influenza oder anderen Krankheiten. Durch virtuelle Konferenzen werden ganz praktisch auch die Reisekosten minimiert, denn es fallen schlichtweg gar keine an. Auch der Umwelt kommt das Ganze zugute. Natürlich sind virtuelle Konferenzen nicht CO2-frei – in Summe aber energieeffizienter und klimafreundlicher als herkömmliche Veranstaltungen, auf die hunderte oder tausende Menschen anreisen müssen.
Virtuelle Events werden beliebter
Dank der mittlerweile viel genutzten Videokonferenzen ist die Skepsis bei den Menschen gegenüber digitalen Formaten weiter gesunken. „Viele Unternehmen setzen vermehrt auf Videokonferenzen statt persönlicher Treffen. Das Konzept des virtuellen Arbeitens ist vielen daher schon vertraut. Der Schritt von einer Videokonferenz zu einer virtuellen Konferenz ist heute nicht mehr groß.“, sagt Stephan Noller, CEO des Blockchain-Unternehmens Ubirch aus eigener Erfahrung. „Auf einer virtuellen Konferenz oder Messe kann ich mich zu geringen Kosten und mit verhältnismäßig wenig Aufwand mit potentiellen Kunden und Partnern in der ganzen Welt austauschen. Dabei sind natürlich die Zeitzonen eine Herausforderung. Aber wen die Inhalte wirklich interessieren, der schaut sich die Vorträge auch nachts an“, so Noller.
Mit seine Firma Ubirch nimmt er diesen Donnerstag mit einem virtuellen Messestand an der Nexcon teil, einem sehr spezifischen Online-Format für den Bereich smarte Produktion und Industrie 4.0. Thomas Rohrbach ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung Staufen Digital Neonex, die im Kerngeschäft Unternehmen auf dem Weg durch die Digitale Transformation begleitet. Rohrbach hat die Nexcon vor drei Jahren ins Leben gerufen und verzeichnet aktuell deutlich steigende Teilnehmerzahlen. Neben internationalen Vorträgen gibt es eine Online Messehalle, in der sich die Teilnehmer virtuell treffen und austauschen können. Vom Erfolg von virtuellen Konferenz-Angeboten zeigt sich Rohrbach überzeugt: „Mittlerweile haben wir das Format ausgeweitet und planen 2020 neben den Nexcon Konferenzen auch Seminare, Coachingsessions mit Experten und deutlich mehr Interaktivität und Austauschmöglichkeiten. Ich sehe virtuelle Konferenzen und Messen als ein modernes, digitales Konzept in Ergänzung zu den traditionellen Events – verdammt effizient und effektiv. Die Teilnehmenden müssen nirgendwo hinreisen und schauen sich nur das an, was sie wirklich interessiert. Das lässt sich sehr bequem in den Manager-Alltag integrieren.“
User-Experience als erfolgskritischer Faktor
Virtuelle Konferenzen bieten mehr Möglichkeiten für den weltweiten Austausch, denn die Digitalisierung bedeutet auch eine Chance zur Demokratisierung des Wissens. Warum sollen irgendwo auf dieser Welt Menschen ausgeschlossen werden, nur weil sie in einem weniger privilegierten Umfeld aufgewachsen sind. Diesen Zustand könnte die Digitalisierung aufheben. Egal ob auf Helgoland, Stuttgart, Sizilien oder sogar im Hinterland von China: Virtuelle Messen können eine völlig neue Qualität und Quantität in den Austausch von Wissen bringen – über alle Grenzen, Viren und Schichten hinweg.
Grundvoraussetzung ist eine ausreichende technische Infrastruktur. Aber auch in diesem Bereich kann man von einer konstanten Weiterentwicklung ausgehen, welche vielleicht durch virtuelle Konferenzen noch beschleunigt wird. Microsoft-Manager Sebastian Seutter, der in seiner Rolle als Industry Lead Manufacturing Führungskräfte deutscher Industrieunternehmen betreut und ihre Transformationsprogramme begleitet, schätzt das Potential virtueller Konferenzen ebenfalls als hoch ein: „Dass eine Konferenz nur online stattfindet, ist wirklich ein neues und interessantes Format. Es geht schon beim eigenen Vortrag los, bei dem man dann vor einer Kamera steht und nicht vor Publikum.“ Seutter weiß, wovon er spricht: Genau wie Noller wird er seine Firma am Donnerstag auf der Nexcon mit einem Vortrag vertreten. An virtuellen Konferenzen schätzt Seutter daneben vor allem auch die lange Verfügbarkeit der Inhalte: „Am Konferenztag selber ist man vom eigenen Schreibtisch oder von Zuhause aus live dabei – und danach sind Konferenzen und Vorträge bestenfalls das ganze Jahr auf Abruf verfügbar. Das wäre offline nicht möglich. Online-Konferenz liegen damit genau im Trend, denn heute wird alles virtueller. Uns erwarten sicher noch große Innovationen in diesem Bereich.“
Klar ist: Vernetzung bedeutet Veränderung. Dieses Zitat stammt von Vinton G. Cerf, einem der Urväter des Internets und gilt in Zeiten der Digitalisierung für fast jede Branche. Es bleibt abzuwarten, wie sich etablierte Messen im virtuellen Umfeld grundsätzlich positionieren. Entwickeln auch sie neue Formate oder halten sie so lange wie möglich an dem realen Vor-Ort erleben fest? Fest steht: Viren wie das Coronavirus SARS-CoV-2 werden ein relevanter Faktor sein, wenn es um die Zukunft der Messebetreiber geht.
Autor: Eva Breuer
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