Neue Vorschriften sollen für Stabilität und Vertrauen im Finanzmarkt Deutschland sorgen. Damit einher geht aber auch eine verschärfte Haftungsgefahr für Abschlussprüfer und die Organe von Gesellschaften.
Im Zuge des Wirecard-Skandals hat der Gesetzgeber Maßnahmen ergriffen, die dem Ziel dienen, die Stabilität und das Vertrauen in den Finanzmarkt Deutschland wiederherzustellen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) ergeben sich Änderungen sowohl in Bezug auf die zivilrechtliche Haftung der Abschlussprüferin beziehungsweise des Abschlussprüfers als auch einer strafrechtlichen Haftung für Organe einer Gesellschaft und Abschlussprüfer wegen unrichtiger Darstellungen in den Jahresabschlüssen. Nachfolgend sollen einige Änderungen auf ihre Bedeutung und Auswirkung für mittelständische Gesellschaften betrachtet werden.
Zivilrechtliche Haftung
§ 323 Abs. 1 S. 3 HGB regelt, inwieweit Auftraggeber von gesetzlichen Jahresabschlussprüfungen den beauftragten Abschlussprüfer im Falle einer Pflichtverletzung mit Schadensfolge für den Auftraggeber oder eines seiner verbundenen Unternehmen zivilrechtlich in Haftung nehmen können. Die Tabelle (siehe unten) verdeutlicht die Änderung der Haftungssummen des § 323 HGB durch das FISG.
Die Haftungssummen des § 323 Abs. 2 HGB sind in allen Fällen stark angestiegen. Gleichzeitig wird mit der groben Fahrlässigkeit eine Begrifflichkeit eingeführt, deren Abgrenzung im Bereich der Abschlussprüfung durch die Gerichte konkretisiert werden muss, da es bisher weder eine umfangreiche noch homogene Rechtsprechung dazu gibt.
Definition von Fahrlässigkeit
Der Regierungsentwurf zum FISG definiert grobe Fahrlässigkeit wie folgt: Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, soweit die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht gelassen und das nicht beachtet wurde, was sich im gegebenen Fall jedem aufgedrängt hätte. Einfache Fahrlässigkeit hingegen ergibt sich residual immer dann, wenn ein Fall von Fahrlässigkeit vorliegt, der nicht als grobe Fahrlässigkeit eingestuft werden kann.
Weitere Marktkonzentration droht
Nach wie vor ist § 323 HGB nicht auf freiwillige Abschlussprüfungen anzuwenden. Hier gelten die im Prüfungsvertrag (Auftragsbestätigungsschreiben) vertraglich vereinbarten Haftungsbegrenzungen. Dies gilt jedoch nicht für einen freiwillig aufgestellten Konzernabschluss, der eine befreiende Wirkung entfalten soll; § 323 HGB ist hier entsprechend anzuwenden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen des Berufsstands, wie etwa Honorardruck, steigenden regulatorischen Anforderungen und Problemen bei der Gewinnung von geeignetem Personal, führen die neuen zivilrechtlichen Haftungsregelungen zu keiner Erleichterung, sondern fördern eine weitere Marktkonzentration. Will man hier das Haftungsrisiko beherrschen, wird die sinnvolle Adressierung der bestehenden Probleme noch dringlicher. Für die Auftraggeber dürfte sich dies mittelfristig in einem geringeren Angebot an Abschlussprüfern und somit höheren Prüfungshonoraren bemerkbar machen.
Strafrechtliche Haftung
Während § 323 HGB die Haftung für Abschlussprüfer regelt, definieren die §§ 331 ff. HGB die Pflichten und den Haftungsrahmen für gesetzliche Vertreter und Aufsichtsorgane. Im Unterschied zur zivilrechtlichen Haftung ist das Vorliegen eines Schadens keine Voraussetzung für die Anwendung der Norm. Durch das FISG ergibt sich in §§ 331 ff. HGB insgesamt eine Verschärfung der Rechtslage. § 331 Abs. 1 Nr. 1a HGB regelt die Haftung von vertretungsberechtigten Organen bei Offenlegung von unrichtigen Jahresabschlüssen beziehungsweise die Verhältnisse verschleiernder Einzelabschlüsse nach dem International Financial Reporting Standards (IFRS) zur Vermeidung von Offenlegungspflichten für HGB-Einzelabschlüsse. Hier entfällt nun die Voraussetzung von Vorsatz oder Leichtfertigkeit als Tatbestandsmerkmal. Aus der Erfahrung heraus tun sich insbesondere kleinere bis mittelgroße Unternehmen schwer, die im Vergleich zur HGB-Rechnungslegung komplexeren und in Deutschland noch immer weniger gängigen IFRS vollständig korrekt anzuwenden. Daraus ergeben sich dem Grunde nach reale Haftungsrisiken, wenngleich nur für eine sehr überschaubare Anzahl an Unternehmen. Ebenso entfällt bei der Offenlegung von befreienden Konzernabschlüssen nach HGB oder IFRS (§§ 291 und 292 HGB) nun die Voraussetzung von Vorsatz oder Leichtfertigkeit als Eröffnungstatbestand (§ 331 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Voraussetzung bleibt, dass die unrichtigen oder verschleierten Wiedergaben im übergeordneten Konzernabschluss die Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses zum Ziel haben.
Änderungen der Haftungs-summen des § 323 HGB durch das FISG | BISHER | NEU | |||
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Beschränkung bei Fahrlässigkeit | Vorsatz | (Einfache) Fahrlässigkeit | Grobe Fahrlässigkeit | Vorsatz | |
Kapitalmarkt-orientierte Unternehmen | 4 Mio. Euro (nur börsennotierte AG) | unbegrenzt | 16 Mio. Euro | unbegrenzt | unbegrenzt |
CRR-Kreditinstitute/ Versicherungen | 1 Mio. Euro | unbegrenzt | 4 Mio. Euro | 32 Mio. Euro | unbegrenzt |
Andere Unternehmen | 1 Mio. Euro | unbegrenzt | 1,5 Mio. Euro | 12 Mio. Euro | unbegrenzt |
Auswirkungen für die Praxis
Im Gegensatz zur Befreiung durch einen IFRS-Einzelabschluss dürfte die Anzahl der Unternehmen, die von der Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses befreit sind, eine relevante Größenzahl erreichen. Sofern der befreiende Konzernabschluss nach IFRS aufgestellt wird, gelten die im voranstehenden Absatz genannten Argumente bezüglich der Komplexität der IFRS in abgeschwächter Form. Denn es ist anzunehmen, dass in diesen Fällen aufgrund der Unternehmensgröße eher entsprechende Mittel und Kapazitäten zur Verfügung stehen, einen ordnungsmäßigen IFRS-Konzernabschluss zu erstellen. Mit § 331 Abs. 2 HGB wurde zudem ein Strafmaß für leichtfertige Vergehen eingefügt. Soweit in den oben genannten Fällen Leichtfertigkeit vorliegt, mildert sich das Strafmaß von einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Die zuvor in § 331 Abs. 3a HGB geregelte Haftung bei Abgabe eines falschen Bilanzeids durch die gesetzlichen Vertreter ist nun in § 331a HGB enthalten. Die mögliche Freiheitsstrafe erhöht sich von drei auf fünf Jahre. Zudem wurde ein Strafmaß für Leichtfertigkeit eingefügt, das die Freiheitsstrafe auf zwei Jahre beschränkt.
Anwendungszeitpunkt
Die Änderung der hier vorgestellten zivilrechtlichen Haftung bei Abschlussprüfungen gilt wegen der Übergangsregelung in Art. 86 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch (EGHGB) für alle gesetzlich vorgeschriebenen Abschlussprüfungen für das nach dem 31. Dezember 2021 beginnende Geschäftsjahr. Die hier vorgestellten Änderungen der Regelungen zur strafrechtlichen Haftung gelten hingegen seit Inkrafttreten des FISG am 1. Juli 2021.
Andere betriebswirtschaftliche Prüfungen
Für andere betriebswirtschaftliche Prüfungen, die konkret oder allgemein auf die Regelungen in § 323 HGB verweisen, wie zum Beispiel eine Verschmelzungsprüfung nach § 11 Abs. 2 Umwandlungsgesetz (UmwG) oder Prüfungen nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gibt es keine explizite Übergangsregelung. Die Wirtschaftsprüferkammer (WPK) schlägt vor, die verschärften zivilrechtlichen Haftungsregelungen aber nicht nur bei der gesetzlichen Abschlussprüfung anzuwenden; vielmehr sollten sie bei allen Prüfungsaufträgen trotz des Fehlens einer unmittelbaren Übergangsregelung analog Art. 86 EGHGB erstmals für das nach dem 31. Dezember 2021 beginnende Geschäftsjahr angewendet werden. Aufgrund des engen Zeitfensters für Fragen zu dieser Übergangsregelung ist nicht davon auszugehen, dass es hier zu einer expliziten Rechtsprechung kommen wird, mit der diese Analogie bestätigt wird.
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