Fachberater E-Commerce - 25. März 2021

Mitarbeiter höher qualifizieren

Der Online-Handel, der mit der Corona-Krise einen neuen Boom erlebte, bringt eine Reihe von umsatzsteuerlichen Problemen mit sich. Wer für diese Branche schwerpunktmäßig tätig sein will, ist gut beraten, sich und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend zu spezialisieren.

Bedingt durch die weltweite Digitalisierung wird der gewohnte Einzelhandel Stück für Stück durch den Online-Handel ersetzt. Gerade während der Corona-Krise hat der Online-Handel einen regelrechten Boom erlebt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass eine Online-Händlerin beziehungsweise ein Online-Händler nur Zugang zum Internet und spezielle Tools benötigt, keine Grundkosten, wie zum Beispiel Miete, hat und der Tätigkeit von überall aus nachgehen kann. Ein weiterer wichtiger Punkt kommt hinzu: Heute können auch kleinere Online-Händler problemlos auf ein Logistikzentrum zugreifen, das früher nur den großen Konzernen vorbehalten war: das Logistikzentrum von Amazon. Aufgrund dieser Umstände, aber auch, weil der Online-Handel sogar bequem als Nebenerwerb möglich ist, sind in dieser Branche massiv hohe Wachstumszahlen zu bemerken. Für uns Steuerberater ergeben sich dadurch mehr Herausforderungen als jemals zuvor. Bei der Begleitung des lokalen Einzelhändlers musste sich der steuerliche Berater kaum Programmen und Tools stellen, um überhaupt Herr der Lage werden zu können. Dies hat sich nun grundlegend verändert, und daher ist es enorm wichtig, sich komplett neu auf diese Branche einzustellen. Anderenfalls können schnell Steuerhinterziehungen im Ausland und andauernde Betriebsprüfungen drohen. Die gute Nachricht: Auch für diese neuen Anforderungen gibt es Lösungen.

Einzel- versus Online-Handel

Während im Einzelhandel eher die Kasse im Vordergrund steht, gilt es beim Online-Handel, viel Wert auf ein vernünftiges digitales Set-up zu legen. Der Online-Handel an sich findet in eigenen Webshops oder auf Marktplätzen, wie etwa Amazon oder eBay statt. Diese Webshops sind die Orte, an denen die Kunden ihre Verträge mit dem Online-Händler abschließen. Damit ein sachverständiger Dritter sich schnell einen Überblick über die Geschäfte verschaffen kann, ist es wichtig, eine Verfahrensdokumentation zu erstellen. Diese Dokumentation sollte belegen, welche Webshops und welche Tools der Mandant im Einsatz hat. Am Ende geschieht dies nicht nur für die Finanzverwaltung (Abschnitt 10.1 Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff – GoBD 2020), sondern auch deshalb, damit unsere Mitarbeiter den Überblick nicht verlieren. Meines Erachtens liegt darin eine weitere Herausforderung, der sich die Steuerberatungskanzleien künftig stellen müssen. Bei der Fülle an unterschiedlichen Webshops, Programmen und Schnittstellen wird es sehr schnell unübersichtlich und viele Angestellte kapitulieren hier bereits im Vorfeld.

Schulungen und Zertifizierungen

Denn Steuerfachangestellte werden in den Berufsschulen nicht entsprechend ausgebildet und müssen sich daher zwangsläufig einarbeiten. Da die speziellen Arbeitsschritte beim Online-Handel nicht zum Alltag eines regulären Steuerfachangestellten gehören, stellen sie meines Erachtens ein zusätzliches Qualifikationsmerkmal dar. Bei der DHW Steuerberatungsgesellschaft mbH ist dieses Problem schon lange bekannt. Daher haben alle Berater den Fachberaterlehrgang E-Commerce absolviert und alle Mitarbeiter sind als zertifizierte Fachkräfte für die Umsatzsteuer extern ausgebildet. Darüber hinaus schult sich die Kanzlei gegenseitig einmal im Monat in der Verwaltung von Schnittstellen. Dieser Vorgang muss ebenso selbstverständlich sein, wie die monatliche Befassung mit fachlichen Neuerungen.

Umfang der Buchhaltung

Ein zentraler Knackpunkt bei Online-Händlern ist, dass jeden Monat Tausende von Verkäufen erfasst und buchhalterisch verarbeitet werden müssen. Darin liegt der zentrale Unterschied zum lokalen Einzelhändler, der selten über solch hohe Transaktionszahlen verfügt. Bereits bei einem kleinen Online-Händler ist es völlig normal, dass Tausende Artikel monatlich verkauft werden. Ohne den Einsatz von speziellen Programmen wird es kaum möglich sein, die Vielzahl von Verkäufen zu erfassen. Im Gegensatz zur analogen Welt ist eine debitorische Erfassung durch einen Sachbearbeiter völlig unwirtschaftlich. Das wird schon daran deutlich, dass allein für die debitorische Erfassung von 10.000 Verkäufen – bei der Annahme, dass fünf Sekunden pro Rechnung benötigt werden – ungefähr 13 Stunden erforderlich sind. Bei einem veranschlagten Stundensatz von 90 Euro läge die Gebühr allein für die debitorische Buchhaltung bei 1.250 Euro monatlich. Die Buchung des Zahlungsausgleichs auf dem Bankkonto käme hier noch hinzu. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, sich mit speziellen Programmen auseinanderzusetzen, die diesen Vorgang automatisieren. Hier geht es noch gar nicht um umsatzsteuerliche Probleme, sondern allein um das Problem des Umfangs. Darüber hinaus besteht oft noch eine Herausforderung darin, dass Zahlungsmittel und -wege wie Banken, Kreditkarten, PayPal oder Amazon Pay zum Einsatz kommen, die nicht alle bei den DATEV-Anwendungen eingebunden werden können. Zudem können oft die Rechnungsnummern nicht übertragen werden, sodass es nahezu unmöglich wird, die richtige Rechnung auszubuchen. Gerade beim Online-Handel werden oft Tausende von gleichpreisigen Produkten verkauft, sodass die Selektion einer einzelnen Buchung unmöglich ist. Schließlich werden bei Online-Zahlungsmitteln, wie zum Beispiel PayPal, häufig Aliasnamen sowie E-Mail-Adressen verwendet, die nicht mit denen der Bestellung identisch sind. Somit kann zusammengefasst werden: Die Anzahl der Transaktionen, die Nutzung von modernsten Bezahlmedien, die nicht in die Bearbeitungsprogramme eingebunden werden können, sowie die fehlende Zurückverfolgbarkeit von Bestellung bis Bezahlung setzen den regulären Steuerfachangestellten schachmatt.

Besteuerungsrisiko und Steuerhinterziehung

Auch mit Blick auf die Besteuerung beziehungsweise die Gefahr einer Steuerhinterziehung besteht ein großer Unterschied zum Einzelhandel, bei dem es umsatzsteuerliche Probleme nahezu nicht gibt. Bei einem Online-Händler sieht das ganz anders aus. Registrierungspflichten im Ausland gehören hier zum normalen Alltag. Demnach sollte jeder Steuerberater zumindest wissen, wann er seinen Mandanten darauf hinweisen muss, sich im Ausland zu registrieren, beziehungsweise welche Tools er nutzen sollte, um einen Überblick über seine Geschäftsvorfälle zu bekommen. Ohne den Einsatz spezieller Tools könnten Steuerberater nur auf eine Excel-Liste (CSV-Export) zurückgreifen, die aber keinen Aufschluss darüber gibt, ob überhaupt ins Ausland (EU oder ein Drittland) gesendet wird. Vor allem die umsatzsteuerliche Verbringung von Warenlager zu Warenlager löst das Risiko aus, dass seit den Quick Fixes alle Grenzübertritte mit 19 Prozent zu versteuern sind. Dies stellt ein enormes Risiko mit dramatischen Auswirkungen bis zur Insolvenz dar.

Regelung des Versandhandels

Der Klassiker im B2C-Bereich ist die Regelung zum Versandhandel (§ 3c Umsatzsteuergesetz – UStG). Dabei passiert Folgendes: Eine inländische Firma verschickt Gegenstände an Privatleute im EU-Ausland. Gemäß § 3 Abs. 6 S. 1 UStG (Grundsatz) ist der Ort einer Lieferung immer dort, wo sie beginnt. Das wäre in diesem Fall also Deutschland. Der § 3c UStG stellt diesen Grundsatz jedoch auf den Kopf und besagt, dass eine Lieferung immer dort ausgeführt wird, wo sie – bei einem Versand an Privatleute – endet. Demnach wäre ein Versand nach Italien dort steuerpflichtig, also in Italien, und würde eine Registrierungspflicht auslösen. Im ersten Moment klingt das unrealistisch, jedoch sollte man wissen, dass Händler via Amazon diesen Tatbestand sehr schnell verwirklichen, und dies auch, wenn eigene Webshops betrieben werden. Damit nun nicht sofort eine Registrierungspflicht im Ausland entsteht, gelten sogenannte Lieferschwellen, die erst einmal überschritten werden müssen. Erst ab einem überschreitenden Umsatz wird man dann – um im Beispiel zu bleiben – in Italien steuerpflichtig. Insoweit gilt es, zwei Dinge zu beachten: Die Lieferschwelle an sich muss überwacht werden und die Rechnungsschreibung muss umgestellt werden. Anderenfalls droht eine Besteuerung nach § 14c UStG, wenn weiterhin die deutsche Umsatzsteuer ausgewiesen wird. An diesem Beispiel sieht man sehr gut, dass Steuerberater diese Konstellationen nicht überwachen können. Auch hier muss eine klare Abgrenzung im Vertrag zum Mandanten stattfinden und klar kommuniziert werden, dass dies auch nicht Aufgabe der Berater ist. Ansonsten müssten Steuerberater tatsächlich permanent kontrollieren, ob eine Lieferschwelle überschritten wird. Sollte der Mandant mehrere Webshops betreiben, sind diese auch zwingend zusammenzufassen. Die Lieferschwelle gilt nämlich immer pro Zielland.

Amazon-Pan-EU und CEE-Verfahren

Mit Leichtigkeit können Mandanten an einem speziellen Verfahren teilnehmen, das es ihnen ermöglicht, auf alle Warenlager in der EU zuzugreifen. Hierfür müssen die Mandanten bei Amazon nur einen Haken setzen. Sobald das geschehen ist, verteilt Amazon aus Gründen der Logistik die Waren direkt in alle Warenlager. Ziel des Ganzen ist es, die Kunden zu beliefern, so schnell es geht. Die Warenlager sind in Polen, Italien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Tschechien oder Großbritannien. Insgesamt werden mehr als 175 Logistikzentren auf der ganzen Welt betrieben. Und eben hier liegt das Problem. Das innergemeinschaftliche Verbringen ist einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellt (§ 6a Abs. 2 UStG) und eben nur dann steuerfrei, wenn der Mandant über eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) im anderen Land verfügt (§ 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG). Sollte eine derartige USt-IdNr. nicht vorliegen, wird jeder Grenzübertritt mit der geltenden Umsatzsteuer belegt. Eigentümer der Ware ist zwar – juristisch gesehen – der Mandant, aber Amazon handelt hier komplett eigenständig ohne Wissen oder Zustimmung des Mandanten. Daher bekommt es dieser nicht mit, wenn er verschiedenste innergemeinschaftliche Verbringungstatbestände vornimmt. Daher ist es unerlässlich, geeignete Programme zu finden, um diese Bewegungen tracken zu können. Wir arbeiten hier mit AccountOne, Taxdoo oder Amainvoice.

Ausblick

Der Online-Handel wird uns in den nächsten Jahren mehr und mehr beschäftigen, weil er zunehmend an Bedeutung gewinnt. Da er stark skaliert, sehr viele umsatzsteuerliche Probleme mit sich bringt und eine Spezialisierung des Steuerberaters voraussetzt, sollte sich jeder, der für diese Branche arbeitet, überlegen, auch den entsprechenden Fachberatertitel zu erwerben. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass die eingesetzte Software kompatibel ist. Ein Blick auf den DATEV-Marktplatz empfiehlt sich. Schließlich sollte ab sofort viel Wert auf eine vernünftige Verfahrensdokumentation gelegt werden, um alle Tools zu überblicken sowie im Falle einer Betriebsprüfung Rede und Antwort stehen zu können.

Mehr dazu

Schauen Sie dazu auch das Interview mit der Finanzbeamtin Andrea Köchling auf dem YouTube-Kanal DigitalFutter der DHW Steuerberatungsgesellschaft mbH.

Zum Autor

CD
Christian Deák

Steuerberater in eigener Kanzlei in Oberhausen.

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