Erbschaftsteuer - 28. April 2022

Grundbesitz in der Betriebsaufspaltung

Aktuelle, teils höchstrichterliche Urteile verdeutlichen, dass die Anforderungen bei der Aufspaltung eines Unternehmens exakt einzuhalten sind, um mit Blick auf vermietete Grundstücke eine Begünstigung des Betriebsvermögens zu erhalten.

Ziel einer erbschaftsteueroptimierten Nachfolgegestaltung ist, möglichst viel Vermögen begünstigt auf die nächste Ge­neration oder andere Begünstigte zu übertragen. Begünsti­gungsfähig sind insbesondere inländisches Betriebsvermögen (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) und Anteile an Kapitalgesellschaften mit einer Mindestbeteiligung von mehr als 25 Prozent. Dabei kann die Mindestbeteiligung auch durch Abschluss von Pool­verträgen erreicht werden (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Nicht be­günstigt ist jedoch Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 ErbStG) mit Ausnahme eines zehnprozentigen Kulanzpuffers oder Schutzzuschlags (§ 13b Abs. 7 S. 1 ErbStG). Der Kulanzpuffer findet keine Anwendung, wenn das Verwaltungsvermögen in­nerhalb der letzten zwei Jahre vor Übertragung angeschafft (§ 13b Abs. 7 S. 2 ErbStG) oder umgeschichtet wurde.

Begünstigung für vermieteten Grundbesitz?

Neben beispielsweise Kunstgegenständen, Wertpapieren oder einem Oldtimer beziehungsweise einer gewissen Menge an Finanzmitteln stellen insbesondere auch Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke grundsätzlich Verwaltungsvermö­gen dar, unabhängig von der Entgeltlichkeit. Unschädlich ist folglich natürlich die eigene Nutzung, aber auch eine zwi­schenzeitlich gegebene Nichtnutzung. Für Dritte zur Nutzung überlassene Grundstücke sieht der Gesetzgeber Ausnahmen von der Verwaltungsvermögenseigenschaft unter anderem für den Fall vor, dass der Erblasser oder Schenker sowohl im über­lassenden als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusam­men mit anderen Gesellschafterinnen und Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durch­setzen konnte (§ 13b Abs. 4 S. 2 Nr. 1a Alt. 1 ErbStG). Auf die weiteren Ausnahmen, wie etwa Grundstücke im Sonderbe­triebsvermögen, Betriebsverpachtung im Ganzen, Nutzungs­überlassung im sogenannten § 4h EStG Konzern, das „Woh­nungsunternehmen“, die Verpachtung zum Absatz eigener Produkte oder die Verpachtung zur land- und forstwirtschaftli­chen Nutzung, soll an dieser Stelle noch hingewiesen werden.

Begriff der Betriebsaufspaltung

Grundsätzlich kann für die Prüfung des § 13b Abs. 4 S. 2 Nr. 1a Alt. 1 ErbStG auf die ertragsteuerlichen Grundsätze der Betriebsaufspaltung verwiesen werden; so wird in R E 13b.14 Abs. 1 S. 1 ErbStR 2019 das Wort „Betriebsaufspaltung“ ver­wendet und auf die Einkommensteuerrichtlinien verwiesen. Im Gesetzestext wird die Betriebsaufspaltung nicht wörtlich erwähnt. In besonderen Konstellationen, etwa kapitalistische Betriebsaufspaltung oder umgekehrte Betriebsaufspaltung (vgl. R E 13b.14 Abs. 1 S. 7 und S. 8 ErbStR 2019), sollte vor­sorglich geprüft werden, ob ertragsteuerliche Grundsätze eins zu eins übertragen werden können und die Verwaltungsver­mögenseigenschaft der Grundstücksüberlassung entfällt. So lässt der BFH in seinem Urteil vom 16. März 2021 (Az. II R 3/19) offen, „ob mit der Finanzverwaltung davon auszugehen ist, dass die gesamten Voraussetzungen der ertragsteuerrecht­lichen Betriebsaufspaltung erfüllt sein müssen“.

Ertragsteuerliche Grundlagen der Betriebsaufspaltung

Für eine Betriebsaufspaltung müssen sowohl die sachliche als auch die personelle Verflechtung erfüllt sein. Die sachliche Verflechtung liegt grundsätzlich vor, wenn ein Besitzunterneh­men Wirtschaftsgüter an ein Betriebsunternehmen überlässt. Diese Wirtschaftsgüter müssen für das Betriebsunternehmen wesentlich sein. Die personelle Verflech­tung liegt grundsätzlich vor, wenn die glei­chen Personen im Besitz- und Betriebsun­ternehmen einen einheitlichen geschäftli­chen Betätigungswillen durchsetzen können. Die Grundsätze der Betriebsauf­spaltung wurden durch den RFH entwickelt und sind durch den BFH bestätigt worden. Eine gesetzliche Definition findet sich le­diglich in § 50i Abs. 1 S. 4 EStG. Wesentli­che ertragsteuerliche Konsequenzen sind die Umqualifizierung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in gewerbliche Einkünfte mit entsprechender Gewerbesteuerpflicht sowie die Steuerverhaf­tung der Wirtschaftsgüter des Besitzunternehmens. Für den häufigen Fall der Überlassung einer Betriebsimmobilie hat dies beispielsweise zur Folge, dass diese nicht mehr nach zehn Jahren steuerfrei veräußert werden kann (vgl. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG). Diese ertragsteuerlichen Nachteile sind im Einzelfall gegen mögliche erbschaftsteuerliche Vorteile abzu­wägen, solange noch keine Betriebsaufspaltung vorliegt. Wur­de bereits eine Betriebsaufspaltung begründet, ist darauf zu achten, dass auch die erbschaftsteuerlichen Kriterien erfüllt werden.

Betriebsaufspaltung vor und nach Übertragung

Wichtig ist, dass die Rechtsstellung des Erblassers oder Schenkers auf den Erwerber übergeht (§ 13b Abs. 4 Nr. 1a) ErbStG, R E 13b.14 Abs. 3 ErbStR 2019). Es reicht somit nicht aus, dass eine Betriebsaufspaltung vor der Übertragung vor­lag. Schädlich wäre regelmäßig, wenn man das Besitz- und das Betriebsunternehmen auf unterschiedliche Erwerber übertragen würde. Insbesondere vor einem Erbfall sollte si­chergestellt werden, dass die Regelungen im Testament oder Erbvertrag und die Nachfolgeklauseln beziehungsweise Vin­kulierungsklauseln in den Gesellschaftsverträgen ein Ausein­anderfallen von Besitz- und Betriebsgesellschaft verhindern. Es reicht auch nicht aus, dass durch eine Schenkung oder ei­nen Erbfall erstmalig eine Betriebsaufspaltung begründet wird.

Lohnsummen berücksichtigen

Hinsichtlich der Lohnsummenregelung ist darauf hinzuwei­sen, dass sowohl die Lohnsumme als auch die Anzahl der Mit­arbeiter der Besitzgesellschaft und der Betriebsgesellschaft zusammenzurechnen sind (§ 13a Abs. 3 S. 13 ErbStG).

Aktuelle Rechtsprechung

In mehreren Urteilen hat der BFH zuletzt zu Fragestellungen der erbschaftsteuerlichen Begünstigung von Grundbesitz im Kontext der Betriebsaufspaltung Stellung genommen oder kann sich noch positionie­ren. Aber auch Urteile im ertragsteuerli­chen Kontext können als Wegweiser für die erbschaftsteuerliche Gestaltung dienen. Eine Auswahl wesentlicher Entscheidun­gen wird nachfolgend komprimiert darge­stellt.

Auch ein Dritter kann Erbe sein

Der BFH lehnt es ab, eine von den Erben mit mehr als 99 Prozent beherrschte GmbH mittels verfas­sungskonformer Auslegung nicht als Dritten im Sinne des § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 ErbStG anzusehen. Nach Auffassung des BFH verbietet sich eine weite Auslegung des Begriffs „Dritter“. Neben den Erben war der Erblasser mit weniger als einem Prozent an der GmbH beteiligt. Das der GmbH überlas­sene Betriebsgrundstück gehörte ausschließlich dem Erblas­ser. Die Annahme der Personengruppentheorie lehnte der BFH ebenfalls ab (Az. II R 22/18 vom 02.12.2020 – „Autohaus Baden-Württemberg“); gegen das Urteil wurde Verfassungs­beschwerde erhoben (Az. 1 BvR 1493/21).

Faktische Beherrschung könnte ausreichen

In einer weiteren Entscheidung, die zufälligerweise ebenfalls die Nachfolge eines Autohauses betraf (Az. II R 26/18 vom 23.02.2021), hatte der BFH auch über die Frage der personel­len Verflechtung zu entscheiden. Der BFH stellt zwar fest, dass eine faktische Beherrschung des Besitz- und Betriebsunter­nehmens im Einzelfall ausreichen kann, dabei müsste aber der rechtlich herrschende Gesellschafter den Willen des faktisch Herrschenden befolgen müssen und die objektive Feststel­lungslast müsste derjenige tragen, der hieraus die günstigeren Folgen für sich ableite. Diese strengen Anforderungen konn­ten nur durch den Einfluss auf die kaufmännische oder techni­sche Betriebsführung ohne Möglichkeit auf die Erlangung ei­ner Stimmenmehrheit nicht erfüllt werden. Wie bereits in der ersten Autohaus-Entscheidung bestätigt der BFH, dass es nicht ausreicht, wenn die Nutzungsüberlassung an den künfti­gen Erben erfolgte. In einem weiteren Urteil (Az. II R 3/19 vom 16.03.2021) hatte der BFH die Gelegenheit, die Voraussetzun­gen der faktischen Beherrschung zu prüfen, und lehnte diese ab. Dabei hält der BFH fest, dass für das Vorliegen einer fakti­schen Beherrschung stets die Umstände des Einzelfalls maß­gebend sind. Daher gilt für Nachfolgegestaltungen die klare Empfehlung, eine faktische Beherrschung mit der Finanzver­waltung abzustimmen oder möglichst eindeutige Stimmen­mehrheiten für Übergeber und Erwerber zu gestalten.

Weitervermietung ist schädlich

Für einen Fall beim Finanzgericht Münster (Az. 3 K 1429/17 F vom 03.12.2020) wurde bestätigt, dass das Vorliegen eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens nach ertrag­steuerlichen Grundsätzen zu beurteilen ist. Im vorliegenden Fall wurde zwar festgestellt, dass eine Betriebsaufspaltung vorlag, jedoch lag durch eine Weitervermietung ein Fall der Rückausnahme vor, sodass das Finanzgericht Münster die Verwaltungsvermögenseigenschaft bejahte. Die Revision beim BFH ist anhängig (Az. X R 5/19).

Betriebsaufspaltung und minderjährige Kinder

Das BFH-Urteil vom 14. April 2021 (Az. X R 5/19) betraf zwar auch einen Nachfolgesachverhalt, jedoch hatte der BFH zu be­urteilen, ob aus ertragsteuerlicher Sicht nach dem Erbfall des Vaters eine Betriebsaufspaltung eingetreten war, die zu ge­werblichen Einkünften aus der Grundstücksvermietung ge­führt hätte. Der Erblasser war Alleineigentümer einer (Be­triebs-)GmbH und seine Ehefrau vermietete der GmbH ein ihr gehörendes Grundstück (sogenanntes Wiesbadener Modell – zur Vermeidung einer Betriebsaufspaltung). Erben des Vaters waren die Ehefrau zur Hälfte sowie die beiden minderjährigen Söhne zu je einem Viertel in Erbengemeinschaft. Zusammen­gefasst wurden in diesem Fall die Stimmen der minderjähri­gen Kinder nicht der Mutter zugerechnet, da in Bezug auf die Gesellschafterstellung der Kinder Ergänzungspflegschaft an­geordnet war. Im Ergebnis wurde hier eine Betriebsaufspal­tung verneint. Dieses Urteil verdeutlicht, dass Unternehmens­nachfolgen mit Minderjährigen besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. So sind beispielsweise auch Konstellationen denk­bar, bei denen es durch die Ergänzungspflegschaft zu der Be­endigung einer bestehenden Betriebsaufspaltung kommt und damit unerwünschte erbschaft- und ertragsteuerliche Folgen eintreten.

Beherrschungsidentität bei treuhänderischer Bindung?

Ob eine personelle Verflechtung vorlag, hatte der BFH (Az. IV R 31/19 vom 20.05.2021) für den Fall zu beurteilen, in dem eine Gesellschafterin nur gemeinsam mit den von ihr treuhän­derisch gehaltenen Stimmen über die Mehrheit der Stimmen verfügte. Der BFH verneint dies, da die Treuhänderin den ge­genüber ihren Treugebern bestehenden Treuepflichten ihre ei­genen Interessen unterzuordnen habe. Auch wenn der Urteils­fall keine Unternehmensnachfolge betraf, mahnt das Urteil, auch in Treuhandkonstellationen wachsam zu sein. Im uner­warteten Erbfall wäre hier das Besitzunternehmen voraus­sichtlich unverschont geblieben.

Fazit

Die aktuellen Urteile zeigen, dass auch für die Nachfolge in­nerhalb familiär verbundener Unternehmen die Anforderun­gen an eine Betriebsaufspaltung exakt einzuhalten sind, um in den möglichen Genuss der Betriebsvermögensbegünstigung für ein vermietetes Grundstück zu gelangen. Die nicht vorhan­dene oder durch eine Nachfolge beendete Betriebsaufspal­tung kann zu einer unerwünschten und häufig vermeidbaren Erbschaftsteuerbelastung führen. Bei nicht eindeutigen Sach­verhalten ist vor einer Schenkung möglichst eine verbindliche Auskunft einzuholen oder der Sachverhalt eindeutig zu gestal­ten. Dabei sollten eventuelle erbschaftsteuerliche Vorteile mit eventuellen ertragsteuerlichen Nachteilen abgewogen wer­den. Testamente und Gesellschaftsverträge sollten regelmäßig überprüft und an die aktuellen Gegebenheiten sowie die aktu­elle Rechtslage angepasst werden. Besonders für ungeplante Nachfolgen ist es von großer Bedeutung, dass Testamente und Gesellschaftsverträge synchronisiert sind.

Zum Autor

MD
Martin Dietz, LL. M.

Steuerberater und Senior Manager bei der WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH am Standort in Frankfurt/Main.

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