Die obersten Finanzbehörden der Länder haben erstmals Erlasse zum neuen Ergänzungstatbestand für grundbesitzende Kapitalgesellschaften nach dem Grunderwerbsteuergesetz veröffentlicht.
Bei der Neuregelung zur Besteuerung von sogenannten Share Deals im Grunderwerbsteuerrecht zum 1. Juli 2021 hat sich die Finanzverwaltung in gleichlautenden Ländererlassen vom 10. Mai 2022 zur neuen Vorschrift des § 1 Abs. 2b Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) geäußert. Da sich diese Ländererlasse inhaltlich an den gleichlautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG orientieren, wurden auch diese, um Widersprüche zu vermeiden, unter dem gleichen Datum aktualisiert.
Signing und Closing
Signing (schuldrechtliches Geschäft) und Closing (dinglicher Vollzug) werden im Rahmen von § 1 Abs. 2b GrEStG grunderwerbsteuerlich als zwei Maßnahmen behandelt, die jedoch über eine Jahresfrist im Veranlagungsweg miteinander verknüpft werden (Ziffer 8.1 ff. der Erlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG). Bei endgültiger Festsetzung der Besteuerung nach dem dinglichen Vollzugsgeschäft gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG ist eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG für den Signing-Zeitpunkt aufzuheben, soweit bereits erlassen und grundstücksidentisch. Keine Erleichterungen gab es bei den Anzeigepflichten. Beide Vorgänge sind beim jeweils zuständigen Finanzamt frist- und formgemäß anzuzeigen. Da sich die gleichlautenden Erlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG nur auf Zeiträume nach dem 30. Juni 2021 beziehen, enthalten sie konsequenterweise keine Aussage zur Behandlung von Anteilsübertragungen, bei denen das Signing vor Ablauf dieses Stichtags und das Closing nach dem 1. Juli 2021 erfolgt ist, ohne jedoch hierbei inhaltlich zu unterscheiden.
Ewigkeitsklausel
Die sogenannte Ewigkeitsklausel, die bei mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaften verhinderte, dass diese durch Zeitablauf einen Altgesellschafterstatus erlangten, wurde in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG gestrichen und konsequenterweise auch nicht in die Erlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG übernommen. Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung gilt jetzt wieder die gesetzliche Frist von fünf Jahren (§ 1 Abs. 2a GrEStG) bis 30. Juni 2021 beziehungsweise zehn Jahren ab 1. Juli 2021 in allen offenen Fällen des § 1 Abs. 2a beziehungsweise Abs. 2b GrEStG.
Formwechsel
Die Regelungen zum Formwechsel wurden umfassend verändert und grundsätzlich gesellschaftsformneutral ausgestaltet. Künftig finden Gesellschafterwechsel an der formwechselnden Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen auch nach dem Formwechsel in eine Kapital- beziehungsweise Personengesellschaft weiterhin Berücksichtigung als Zählerwerbe.
Kettenverkürzungen
Vergeblich hatte man gehofft, dass bei Kettenverkürzungen von Beteiligungen das Einrücken in die unmittelbare Gesellschafterstellung bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften steuerfrei gestellt wird. Anders verhält es sich nur, wenn der einrückende Gesellschafter bisher über eine Personengesellschaft an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Dann gilt er als mittelbarer Altgesellschafter in Bezug auf die grundbesitzende Gesellschaft. Der Erhalt der Altgesellschaftereigenschaft und damit die Steuerfreiheit einer Kettenverkürzung bleiben somit in der Regel auch bei § 1 Abs. 2b GrEStG auf Fälle einer mittelbaren Verkürzung der Beteiligungskette mit mindestens 90 Prozent Beteiligungsquote beschränkt.
Grundstückszurechnung
Nach den Erlassen gehört ein Grundstück einer Kapital- oder Personengesellschaft, wenn es im Zeitpunkt der Steuerentstehung aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs der Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Bei der Übertragung von Beteiligungsketten besteht daher das Risiko einer Mehrfachbesteuerung von Grundbesitz auf verschiedenen Beteiligungsebenen – und damit einer Besteuerung nicht nur auf der grundbesitzenden Beteiligungsebene, sondern auch auf den darüber befindlichen Beteiligungsebenen. Die daraus resultierende Herausforderung einer Übermaßbesteuerung wird in beiden Erlassen nicht problematisiert und bleibt daher einer gesonderten Befassung auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Dezember 2021 (Az. II R 44/18) sowie der BFH-Entscheidung zum Verfahren mit dem Az. II R 33/20 vorbehalten.