Grunderwerbsteuer - 22. Dezember 2022

Gleichlautende Ländererlasse

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben erstmals Erlasse zum neuen Ergänzungstatbestand für grundbesitzende Kapitalgesellschaften nach dem Grunderwerbsteuergesetz veröffentlicht.

Bei der Neuregelung zur Besteuerung von sogenannten Share Deals im Grunderwerbsteuerrecht zum 1. Juli 2021 hat sich die Finanzverwaltung in gleichlautenden Ländererlas­sen vom 10. Mai 2022 zur neuen Vorschrift des § 1 Abs. 2b Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) geäußert. Da sich diese Ländererlasse inhaltlich an den gleichlautenden Ländererlas­sen zu § 1 Abs. 2a GrEStG orientieren, wurden auch diese, um Widersprüche zu vermeiden, unter dem gleichen Datum aktu­alisiert.

Signing und Closing

Signing (schuldrechtliches Geschäft) und Closing (dingli­cher Vollzug) werden im Rahmen von § 1 Abs. 2b GrEStG grunderwerbsteuerlich als zwei Maßnahmen behandelt, die jedoch über eine Jahresfrist im Veranlagungsweg miteinan­der verknüpft werden (Ziffer 8.1 ff. der Er­lasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG). Bei endgülti­ger Festsetzung der Besteuerung nach dem dinglichen Vollzugsgeschäft gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG ist eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG für den Signing-Zeitpunkt aufzuheben, soweit bereits er­lassen und grundstücksidentisch. Keine Erleichterungen gab es bei den Anzeige­pflichten. Beide Vorgänge sind beim je­weils zuständigen Finanzamt frist- und formgemäß anzuzeigen. Da sich die gleichlautenden Erlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG nur auf Zeiträume nach dem 30. Juni 2021 beziehen, enthalten sie konsequenterweise keine Aus­sage zur Behandlung von Anteilsübertragungen, bei denen das Signing vor Ablauf dieses Stichtags und das Closing nach dem 1. Juli 2021 erfolgt ist, ohne jedoch hierbei inhalt­lich zu unterscheiden.

Ewigkeitsklausel

Die sogenannte Ewigkeitsklausel, die bei mittelbar beteilig­ten Kapitalgesellschaften verhinderte, dass diese durch Zeit­ablauf einen Altgesellschafterstatus erlangten, wurde in den Erlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG gestrichen und konsequen­terweise auch nicht in die Erlasse zu § 1 Abs. 2b GrEStG übernommen. Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung gilt jetzt wieder die gesetzliche Frist von fünf Jahren (§ 1 Abs. 2a GrEStG) bis 30. Juni 2021 beziehungsweise zehn Jah­ren ab 1. Juli 2021 in allen offenen Fällen des § 1 Abs. 2a be­ziehungsweise Abs. 2b GrEStG.

Formwechsel

Die Regelungen zum Formwechsel wurden umfassend verän­dert und grundsätzlich gesellschaftsformneutral ausgestaltet. Künftig finden Gesellschafterwechsel an der formwechseln­den Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen auch nach dem Formwechsel in eine Kapital- beziehungsweise Personengesellschaft weiterhin Berücksichtigung als Zähler­werbe.

Kettenverkürzungen

Vergeblich hatte man gehofft, dass bei Kettenverkürzungen von Beteiligungen das Einrücken in die unmittelbare Gesell­schafterstellung bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften steuerfrei gestellt wird. Anders verhält es sich nur, wenn der einrückende Gesellschafter bisher über eine Personengesell­schaft an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Dann gilt er als mittelbarer Altgesellschafter in Bezug auf die grundbesit­zende Gesellschaft. Der Erhalt der Altgesellschaftereigen­schaft und damit die Steuerfreiheit einer Kettenverkürzung bleiben somit in der Regel auch bei § 1 Abs. 2b GrEStG auf Fälle einer mittelba­ren Verkürzung der Beteiligungskette mit mindestens 90 Prozent Beteiligungsquote beschränkt.

Grundstückszurechnung

Nach den Erlassen gehört ein Grundstück einer Kapital- oder Personengesellschaft, wenn es im Zeitpunkt der Steuerentste­hung aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs der Gesellschaft grund­erwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Bei der Übertragung von Beteiligungsketten besteht daher das Risiko einer Mehr­fachbesteuerung von Grundbesitz auf verschiedenen Beteili­gungsebenen – und damit einer Besteuerung nicht nur auf der grundbesitzenden Beteiligungsebene, sondern auch auf den darüber befindlichen Beteiligungsebenen. Die daraus re­sultierende Herausforderung einer Übermaßbesteuerung wird in beiden Erlassen nicht problematisiert und bleibt da­her einer gesonderten Befassung auch unter Berücksichti­gung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Dezember 2021 (Az. II R 44/18) sowie der BFH-Entschei­dung zum Verfahren mit dem Az. II R 33/20 vorbehalten.

Zum Autor

AB
Dr. Andreas Bock

Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Partner bei der WTS Group am Standort in München

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