Wege zur modernen Kanzlei - 29. Januar 2020

Gestern analog – heute digital

Die digitale Transformation einer Steuerberatungs­kanzlei ist eine große Herausforderung und alles andere als ein Selbstläufer. Steuerberater Christian Deák aus Oberhausen berichtet im Interview über seine Erfahrungen und macht Kollegen Mut, die diesen Schritt vielleicht noch scheuen.

DATEV magazin: Herr Deák, wie digitalisiert man analoge Mandanten?

CHRISTIAN DEÁK: Grundsätzlich haben wir hier eine Entscheidung getroffen. Wir digitalisieren und ändern keine bestehenden Mandate, es sei denn, sie kommen auf uns zu. Der Arbeitsaufwand, um bestehende Arbeitsabläufe zu ändern, das haben wir ja selbst gemerkt, ist zu groß. In diesen Fällen schicken wir einen zertifizierten Unternehmensberater, der staatlich bis zu 80 Prozent gefördert werden kann, in die Unternehmen und lassen die Mandanten vor Ort schulen. Der Übertrag zu uns in digitaler Form ist hier das geringste Problem! Die Schnittstellen werden von uns eingerichtet und sind sofort verfügbar. Es ist auch bei den Mandanten eher die Macht der Gewohnheit, sich umstellen zu müssen.

Digital oder analog: Muss man sich entscheiden?

Meiner Meinung nach schon. Solange man ein paar digitale Mandate nebenher führen kann, herrscht kein Handlungsbedarf. Die Mandate passen sich der Kanzlei an und sorgen selten für eine interne Veränderung. Sobald aber ein Break-Even-Point erreicht ist und die digitalen Mandate die Mehrheit in der Kanzlei ausmachen, muss eine Änderung in den Kanzleiabläufen erfolgen.

Was muss sich dann ändern?

Es darf keinen Stilbruch mehr geben. Wenn die Mandanten die Unterlagen papierlos zum Berater schicken, dann darf es nicht vorkommen, dass Auswertungen für die Buchhaltung, Lohnbuchhaltung oder Jahresabschlüsse und Steuererklärungen in Papierform zurückgeschickt werden. Wenn auf beiden Seiten alles papierlos stattfindet, fehlt automatisch der Erinnerungswert eines guten alten Ordners. Sobald es keinen Schrank mit noch zu erledigenden Steuererklärungen, Abschlüssen und Buchhaltungen mehr gibt, besteht Gefahr, dass derartige Mandate vergessen werden. Und eben hier beginnt die notwendige Transformation einer Kanzlei!

Es wäre aber ­gelogen, zu sagen, dass alle ­Mitarbeiter den technischen Fortschritt begrüßt haben.

Diese Transformation hat doch sicherlich auch Auswirkungen auf die Kommunikationsmedien?

Richtig! Da die Kommunikation mit den Mandaten sowieso auf digitale Art stattfindet, wäre es kontraproduktiv, diese Informationen wieder auszudrucken und mit Post-its zu bekleben. Die Kanzlei braucht zudem auch eine Möglichkeit, eingehende Mails – das Hauptkommunikationsmittel der digitalen Mandate – einem jeweiligen Mitarbeiter zuzuordnen, etwas dazu zu sagen und vor allen Dingen bei Krankheit und Abwesenheit den Informationsfluss per Mail nicht abbrechen zu lassen!

Wird die Kommunikation so nicht zu einer Hauptaufgabe der Mitarbeiter?

Ein ganz klares Ja! Dadurch, dass die modernen Mandate aus dem Internet kommen und der persönliche Kontakt seltener wird bis nahezu gar nicht mehr stattfindet, ist die Kommunikation per Mail äußerst wichtig. Das tatsächliche Beantworten von Mails wird somit zu einer der wichtigsten Arbeitsaufgaben der Steuerfachangestellten und der Berater. Man kann sogar sagen, dass die Qualität einer Beratung daran gemessen wird, wie gut, schnell und zuverlässig die Kanzlei arbeitet. Ein zusätzliches Problem ist, dass die modernen Kunden deutlich mehr und längere Mails schreiben, denn durch moderne Smartphones sind sie in der Lage, die Mails zu diktieren anstatt zu tippen. Dadurch kommt es vermehrt dazu, dass der Bereich Kommunikation zu einem Hauptteil der Arbeit in der Kanzlei wird.

Und die Mitarbeiter machen eine solche Veränderung klaglos mit?

Grundsätzlich war das meine Hoffnung. Es wäre aber gelogen, zu sagen, dass alle Mitarbeiter den technischen Fortschritt begrüßt haben. Einigen war dies schlichtweg zu schnell oder zu kompliziert. Wir haben auf diesem Weg einige Mitarbeiter verloren und andere mussten wir auswechseln. Digital zu arbeiten ist eine Herausforderung und kein Selbstläufer. Oft haben wir auch bemerkt, dass ältere Mitarbeiter mehr Probleme hatten, sich in neue Programme einzuarbeiten, jedoch andererseits am Ende besser durchgehalten haben als die jüngeren, die durchaus wechselwilliger, aber weniger belastbar zu sein schienen.

Der Weg selbst scheint aber alternativlos zu sein?

Die Digitalisierung kann und wird niemand aufhalten! Auch uns war es anfangs fremd gewesen, die Mandanten oft, regelmäßig bis hin zu permanent zu informieren beziehungsweise up to date zu halten. Dadurch aber, dass heutzutage die großen Firmen wie Amazon und Co. die Kunden über ausnahmslos jeden Arbeitsschritt vollautomatisch informieren, werden diese Maßstäbe teilweise auch an den steuerlichen Berater gelegt.

Hat die Digitalisierung auch etwas Positives?

Dadurch, dass die Organisation komplett in Programmen stattfindet, besteht kein Grund mehr, mich im Flur abzufangen und mich mal eben etwas zu fragen. Die Öffnungszeiten der Kanzlei sind ebenfalls irrelevant, da ich die Dinge auch später mitbekomme und beantworten kann. Ich erlebe insoweit eine Entschleunigung, während sich mein Team darüber freut, dass ich nicht mehr durch die Räume laufe, alle aufscheuche und nach dem Stand der Dinge frage.

Ein weiterer Vorteil dürfte das ortsunabhängige Arbeiten sein, oder?

Die Möglichkeit, ortsunabhängig zu arbeiten, ist eine der größten Vorteile und größten Errungenschaften, die ich meiner Kanzlei selbstverständlich mit auf den Weg gegeben habe und noch weiter ausbauen werde. Heute hat bei uns jeder die Möglichkeit und den Anspruch auf Homeoffice. Durch die digitalen Tools kann auch ich als Berater nun jederzeit und überall arbeiten und habe die ganze Kanzlei vollständig im Überblick.

Meinen Sie damit auch digitale Archive?

Ganz genau! Ein ganz großer Vorteil der digitalisierten Prozesse ist, dass absolut nichts mehr verloren geht, was einmal in unserem digitalen Organisationssystem abgespeichert ist. Das Vergessen oder Verlegen von Aufgaben gehört der Vergangenheit an und gibt mir ein äußerst sicheres Gefühl.

Eine moderne digitale Kanzlei setzt aber bestimmt auch einen entsprechenden Außenauftritt voraus?

Um von digital arbeitenden Mandanten ernst genommen zu werden, kommt die Kanzlei nicht daran vorbei, ihren Außenauftritt stark zu überarbeiten. Diese Mandanten sind den ganzen Tag im Internet unterwegs und suchen einen Steuerberater und dessen Team grundsätzlich bei Google. Eine Homepage mit Copyright von 2003 wäre hier ein absolutes K.-O.-Kriterium. Daher ist es eine Selbstverständlichkeit, die Internetseite, den Facebook- sowie nach Möglichkeit auch Instagram-Auftritt zu überarbeiten und regelmäßig zu pflegen. Diese Aufgaben sind bei uns auf mehrere Schultern verteilt. Und durch die Einbindung mehrerer Personen in die Organisations-Tools habe ich stets einen Überblick über alle Projekte, unabhängig davon, wo die Mitarbeiter sind oder wo sie gerade arbeiten.

Können Sie die Vorteile eines modernen Außenauftritts kurz skizzieren?

Der Vorteil eines öffentlich wirksamen Außenauftritts ist, dass man auf einen Schlag mit all seinen Mandanten kommuniziert, ohne jeweils ein einzelnes Gespräch führen zu müssen. Es entsteht eine Art Bindung, die durchaus vorteilhaft für beide Seiten ist. Normalerweise kann der Steuerberater nicht alle seine Mandanten sprechen, da hierzu schlichtweg die Zeit fehlt. Durch die neuen Kommunikationsmedien ist es jedoch möglich, mit allen gleichzeitig zu sprechen. Das ist einmalig.

Wenn ich richtig informiert bin, produzieren Sie innerhalb Ihres Außenauftritts sogar eigene Sendungen, oder?

Um meine Mandanten über aktuelle Entwicklungen im Steuerrecht beziehungsweise steuerrechtliche Probleme zu informieren, haben wir in unserer Kanzlei einen eigenen Podcast aufgebaut und produzieren zudem auch regelmäßig Youtube-Videos. Das gehört mittlerweile zum festen Arbeitsablauf in unserer Kanzlei und wird stetig ausgebaut.

Gibt es weitere Vorteile, die mit der Digitalisierung der Kanzlei einhergehen?

Ich würde sagen: Angestellte finden oder die Kanzleiübergabe angehen. Heute befinden wir uns in einem absoluten Arbeitnehmermarkt. Das ist ein offenes Geheimnis. Moderne Kanzleien, die dazu noch einen guten Internetauftritt haben, werden stets bevorzugt. Daher musste ich bislang nie lange auf neue Mitarbeiter warten und brauchte bislang auch keinen Headhunter. Zwar ist das Einarbeiten in alle Tools zeitintensiver und teilweise auch sehr fordernd, jedoch sind allen Angestellten auch die Chancen bewusst. Darüber hinaus ist eine moderne Kanzlei zukunftsfähig, was sich auch in den Kanzleipreisen widerspiegelt. Ich persönlich würde eine normale Kanzlei heute nicht mehr kaufen, es sei denn, sie hat digitale Systeme und ist offen für Neues. Das Arbeitsumfeld erfordert es von mir als Berater ebenso, daher kann ich keine Kanzlei kaufen, in der noch Scheuklappendenken vorherrscht.

Herr Deák, was können Sie Ihren Kollegen raten, die den Schritt zur Digitalisierung noch scheuen?

Meiner Ansicht nach ist eine vollständige Digitalisierung der internen Arbeitsabläufe einer Kanzlei möglich, jedoch bedarf es spezieller Hilfe. Ich habe damals auf einen zertifizierten Unternehmensberater zurückgegriffen, der mein Team tagtäglich schulte. Ohne ihn wäre mir die Umstellung nicht geglückt, da bin ich mir sicher. Viele Kollegen wissen wahrscheinlich auch gar nicht, dass derartige Berater staatlich gefördert werden. Ich habe bis zu 80 Prozent meiner Kosten erstattet bekommen. Meiner Meinung nach war das eine der besten Investitionen, die ich jemals getätigt habe.

Abschließend eine eher rhetorische Frage: Würden Sie den Schritt zur digitalen Kanzlei wieder tun?

Definitiv ja! Am Ende des Tages haben wir eine Art Wandlung vollzogen und würden dies wohl auch immer wieder tun. Vielleicht nicht in der Geschwindigkeit, in der wir es umgesetzt haben, aber man kann sich den Zeitpunkt schlecht aussuchen. Heute ist es sehr wichtig, auf die Kundenwünsche einzugehen und sich nicht hinter altertümlichen und veralteten Gebräuchen zu verstecken. Und wenn man nun über die Straße läuft und das Bild seiner Umgebung wahrnimmt, in der alle Leute nur noch auf ihr Smart­phone schauen, haben wir nicht mehr das Gefühl, in einer anderen Welt zu leben, sondern vielmehr zukunftsfähig zu sein.

Zum Autor

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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