Pensionszusagen - 27. Oktober 2022

Entwarnung beim Rechnungszins?

Über die letzten Jahre war ein kontinuierlicher Verfall der Zinsen im Allgemeinen sowie des Rechnungszinses für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen im Besonderen zu beobachten. Die Corona-Krise verschärft die Lage zusätzlich. Zwar steigt das allgemeine Zinsniveau derzeit, dennoch besteht bei den weltweiten Problemen kein Grund zu übertriebener Hoffnung. Auf die Rückstellungsentwicklung greift dieser Anstieg nicht so schnell durch.

Der gesunkene Rechnungszins führt zu enorm steigenden Rückstellungen für bestehende Zusagen in der Handelsbilanz und zu allem Überfluss auch noch zu versteuernden Scheingewinnen, da die Finanzbehörden allen Bemühungen um eine realistischere Bewertung zum Trotz in der Steuerbilanz an einem Rechnungszins von sechs Prozent festhalten. Es besteht also Handlungsbedarf trotz des derzeitigen Anstiegs des allgemeinen Zinsniveaus: Dies führt erst einmal nur zur Stagnation des Rechnungszinses beziehungsweise – im Siebenjahresbereich – zu dessen minimalem Anstieg.

Kein Zinsmoratorium

Von rechtlicher Seite wäre dies zum Beispiel eine gemeinsame Initiative des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e. V. sowie der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V., die ein Zinsmoratorium für die Zeit vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2022 forderten. Der Handelsgesetzbuch-Zins (HGB-Zins) sollte auf dem Niveau von 2019 eingefroren und die Zeit genutzt werden, um eine Neuregelung bezüglich einer sachgerechten Bestimmung des HGB-Zinses zu erarbeiten. Der daraus entstehende Einmaleffekt beim Auslaufen des Zinsmoratoriums könnte dann, wie bei Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2010, auf 15 Jahre verteilt werden. Diesem Vorstoß wurde aber bisher nicht entsprochen und wird es wohl auch nicht werden, wenn sich die aktuelle Zinsentwicklung nicht umkehren sollte.

Beratungsbedarf

Weitere einschneidende Maßnahmen könnten durch die Unternehmen selbst veranlasst werden. Möglich wären beispielsweise die Ausfinanzierung der Direktzusageverpflichtung durch Deckungsvermögen mit anschließender Nutzung des Saldierungsgebots des § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB, wobei eine Umwandlung von Renten- in einmalige Kapitalleistungen mit der Option zur Ratenzahlung die Ausfinanzierung deutlich erleichtert, die Schließung der Versorgungssysteme, falls nicht schon lange geschehen, die Auslagerung von (Teil-)Beständen oder die Kürzung beziehungsweise die Umgestaltung von Versorgungsversprechen. All dies wäre aber in der Regel mit massiven Auflagen oder sofortigem hohen Liquiditätsabfluss verbunden. Da diese größeren Maßnahmen entweder nicht im Einflussbereich der Gesellschaft liegen oder mit hohem Aufwand verbunden sind, müssen die feineren Stellschrauben betrachtet werden. Mehr noch als in die Bewertung für die Steuerbilanz gehen in die Bewertung für die Handelsbilanz viele Annahmen ein. Diese sind als langfristig zu wählende Faktoren zu sehen und können nicht jährlich beziehungsweise willkürlich geändert werden. Jedoch ist sicher von Zeit zu Zeit und insbesondere durch eine derartige Änderung der Rahmenbedingungen, wie jetzt infolge der Corona-Krise, eine Überprüfung angebracht, ob die vormals getroffene Wahl noch den wirtschaftlichen Bedingungen entspricht. Mindestens Fluktuation sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft, die laufenden Renten zu erhöhen, könnten sich geändert haben und eine abmildernde Auswirkung in der Bewertung zeigen. Hier lohnt sich vor allem für die kleineren Gesellschaften, die keine Spezialistinnen oder Spezialisten für Pensionen im Team haben, eine persönliche Beratung. Eine Kommunikation über ein Online-Tool erscheint dabei nicht ausreichend, da das Ziel ja eine Verbesserung oder sogar Rettung des Jahresabschlusses ist. Trotzdem sind wir aber gerade in Zeiten des Niedrigzinses der Meinung, dass das Pensionsversprechen an die Mitarbeiter in Form einer Direktzusage nicht pauschal verteufelt werden darf. So bietet zum Beispiel die wertpapiergebundene Pensionszusage gute Möglichkeiten wie kein anderer Durchführungsweg, die Potenziale des Kapitalmarkts für die betriebliche Altersversorgung der Belegschaft zu nutzen.

Teilweise neue Tarife

Richtig ist, dass der Verpflichtungsumfang für die früher üblichen Leistungszusagen – ein Mitarbeiter erhält bei Rentenbeginn monatlich 100 Euro oder er erhält bei Rentenbeginn pro Dienstjahr 5 Euro – mit fallendem Rechnungszins enorm steigt. Auf der anderen Seite erwirtschaften die Versicherungen, Pensions- und Unterstützungskassen sowie Pensionsfonds, über die eine betriebliche Altersversorgung alternativ abgewickelt werden könnte, auch keine nennenswerten Gewinne mehr, die an die Arbeitnehmer weitergegeben werden können. Diese Anbieter haben das Problem, dass sie bei der bisher weitverbreiteten Beitragszusage mit Mindestleistung eine hundertprozentige Rückzahlung der eingezahlten Beiträge garantieren müssen und die Gelder daher nur derart konservativ anlegen dürfen, dass lohnende Gewinne fast ausgeschlossen sind. Die Versicherungswirtschaft reagiert teilweise mit neuen Tarifen auf Basis einer beitragsorientierten Leistungszusage (BOLZ). Hier werden die Garantien etwas zurückgefahren, um wenigstens Teile der Gelder besser anlegen zu können. Aber auch hier fallen die Leistungen im Ergebnis nicht zu üppig aus, da die Versicherer mit sehr langer Lebenserwartung rechnen, um auch in jedem Einzelfall nach Abzug des Gewinns genügend Reserven für die Bezahlung der Rente zu haben. Eine Lösung dieses Zwiespalts stellt die BOLZ in Eigenregie für Gesellschaften dar, die einerseits für ihre Mitarbeiter etwas Gutes in Form einer höheren betrieblichen Altersversorgung erreichen wollen – Stichwort: Betriebsbindung –, andererseits aber eine Bilanzberührung vermeiden möchten.

Mögliches Vorgehen

Die Gesellschaft verspricht den Mitarbeitern einen monatlichen Beitrag, der für den einzelnen Mitarbeiter angesammelt wird und sich mit einem Garantiezins, der vorher definiert wird, verzinst. Bei der Ausgestaltung kann auch eine weitere Überschussbeteiligung vorgesehen werden. Bei Rentenbeginn wird das angesammelte Kapital ausgezahlt oder optional durch einen im Vorfeld festgelegten Verrentungsfaktor in eine Rente umgewandelt. Dieser Verrentungsfaktor liegt deutlich höher als bei den Versicherern, da er auf Basis einer realistischen Lebenserwartung bestimmt wird. In Summe ergibt sich ein altersabhängiger Vorteil für die Mitarbeiter in Höhe von 30 bis 220 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen, versicherungsbasierten Lösungen. Je jünger der Mitarbeiter bei Erteilung der Zusage ist, desto größer fällt dieser Vorteil aus. Zur Finanzierung legt die Gesellschaft die gesammelten Beiträge der Mitarbeiter nach eigenem Gutdünken an. Das kann sowohl in der eigenen Gesellschaft als auch durch eine externe institutionelle Anlage erfolgen. Durch die knapper kalkulierte Reserve in der Lebenserwartung könnte es im Einzelfall zu einer geringen Nachschusspflicht für die Gesellschaft kommen. Im Kollektiv ist dies aber so gut wie ausgeschlossen. In den Kapitaltopf der Gesellschaft fließen die Gelder von verfallbar ausgeschiedenen Mitarbeitern sowie von den ehemaligen Mitarbeitern zurück, die vor Erreichen der durchschnittlichen Lebenserwartung versterben. Bei geeigneter Ausgestaltung dieses Kapitaltopfs ist das angesammelte Kapital in der Handelsbilanz saldierungsfähig. In der Masse der Fälle wird es in den Anfangsjahren nach der Neueinführung einer derartigen Pensionszusage durch Einrichtungskosten sowie durch im Verhältnis zum angesammelten Kapital höhere laufende Kosten zu kleineren Rückstellungen kommen. Nach einer Entwicklungszeit von ein paar Jahren – die Dauer hängt von der Gestaltung der Zusage und hier zum Beispiel von der Überschussbeteiligung für die Mitarbeiter ab – ist das angesammelte Kapital aber höher als die aufgelaufene Verpflichtung. Die Rückstellung verschwindet nicht nur aus der Bilanz, sondern es bleibt sogar noch ein Gewinn für die Gesellschaft, es sei denn, die Zusage ist wertpapier- oder versicherungsgebunden.

Gesellschafter-Geschäftsführer

Die betriebliche Altersversorgung mit der Vielzahl der zu berücksichtigenden Gesetze und steuerlichen Vorschriften ist ein sehr komplexes Feld. Wird der Blick auf die betriebliche Altersversorgung für Gesellschafter- Geschäftsführer (GGF) gelenkt, steigt die Komplexität noch einmal gewaltig. Hier muss bei Einführung von oder einem Eingriff in bestehende Versorgungszusagen insbesondere wegen der verdeckten Gewinnausschüttungen beziehungsweise verdeckten Einlagen eine Vielzahl von zusätzlichen Regelungen bedacht werden, die bei normaler Arbeitnehmerversorgung keine Rolle spielen. Es gilt, beherrschende von nicht beherrschenden GGF zu unterscheiden.

Dreistufige Prüfung

Bei Einführung und auch Veränderung einer Pensionszusage für einen GGF ist eine dreistufige Prüfung vorzunehmen:

  1. Ist die zivilrechtliche Wirksamkeit gegeben, indem insbesondere ein Gesellschafterbeschluss gefasst wurde?
  2. Bestehen die allgemeinen steuerlichen Voraussetzungen gemäß § 6a oder § 4b bis e Einkommensteuergesetz (EStG)?
  3. Liegt eine betriebliche Veranlassung vor oder eine verdeckte Gewinnausschüttung oder verdeckte Einlage?

Für die dritte Stufe sind hier vor allem die Fragen der Angemessenheit im Fremdvergleich, der Ernsthaftigkeit und Finanzierbarkeit, der Erdienbarkeit, eines zulässigen Pensionierungsalters, der Regelung der Unverfallbarkeit sowie einer Probezeit zu klären; bei beherrschenden GGF müssen zudem das Nachzahlungsverbot der R 8.5. Abs. 2 Körperschaftsteuerrichtlinien (KStR) sowie Verschärfungen bei der Erdienbarkeit, der Unverfallbarkeit sowie dem rechnerischen Pensionsalter beachtet werden. Zudem muss die Insolvenzsicherung geprüft werden, da Unternehmer und damit beherrschende GGF nicht dem Schutz des Betriebsrentengesetzes und damit auch nicht dem Schutz des Pensions-Sicherungs-Vereins Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) unterliegen. Im Falle einer gewünschten Reduzierung der Versorgungszusage, etwa bei finanziellen Problemen in einer Gesellschaft, ist zu prüfen, ob die Ursache betrieblich oder gesellschaftlich veranlasst ist. Gerade in diesen Fällen bestehen hohe Haftungsrisiken für den Berater, da sich die Maßnahmen sowohl in der Bilanz der Gesellschaft als auch in der persönlichen Bilanz des GGF auswirken. Ein Verzicht kann zu einer verdeckten Einlage sowie auf der Ebene des GGF zu einem steuerlichen Zufluss und damit zu einer hohen steuerlichen Belastung ohne Mittelzufluss führen. Derzeit wird am Institut für Vorsorge und Finanzplanung GmbH ein Prüfungs-Tool entwickelt, das bei der Beantwortung all dieser Fragen für die Versorgung eines GGF unterstützt; dieser GGF- Planer wird besonders Steuerberater und Anwälte unterstützen und Ende 2022 auf den Markt kommen. Es werden alle relevanten Fragen Software-seitig gestellt und es wird ein Überblick über die aktuelle Situation so wie die relevanten Lösungsmöglichkeiten mit automatischer Gutachtenerstellung unter Einbeziehung der relevanten Rechtsquellen gegeben. Auf dieser Basis ist sichergestellt, dass keine Prüfungskomplexe vergessen werden.

Fazit

In der Handelsbilanz gibt es mit den Annahmen, unter anderem Fluktuation und Rententrend, Stellschrauben, die ohne großen Aufwand nutzbar sind, um den Anstieg der Rückstellung etwas abzumildern. Diese Änderungen müssen aber begründbar sein und bedürfen meist einer Beratung. Dies gilt vor dem Hintergrund der gestiegenen Inflation besonders für den Rententrend. Direktzusagen sind in der betrieblichen Altersversorgung weiterhin attraktiv und das sowohl arbeitgeberfinanziert als auch bei Entgeltumwandlung. Bedingungen hierfür sind aber ein modernes Konzept und eine korrekte Ausgestaltung. Für die äußerst komplexe Versorgung von Gesellschafter-Geschäftsführern ist derzeit ein Prüfungs-Tool in Entwicklung, das die Steuerberater und Anwälte bei der Beratung zu Pensionszusagen unterstützt und hilft, kostspielige Fehler und Haftungsrisiken zu vermeiden.

Mehr dazu

Kompaktwissen GmbH: „Die Gesellschafter-Geschäftsführer- Versorgung in der Steuerberatung“, www.datev.de/shop/35355

Mandanten-Info-Broschüre: „Pensionszusagen für Gesellschafter-Geschäftsführer und -Geschäftsführerinnen“, www.datev.de/shop/32538

DATEV-Fachbuch: „Betriebliche Altersversorgung für Geschäftsführer“, www.datev.de/shop/35491

Zu den Autoren

TD
Prof. Dr. Thomas Dommermuth

Steuerberater und Professor für Steuerlehre an der Hochschule Amberg-Weiden mit dem Spezialgebiet Beratung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung; Beiratsvorsitzender des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung; Berater bei der Entstehung ­verschiedener Gesetzgebungsverfahren

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CC
Carsten Cornelsen

Geschäftsführer bei der Cornelsen & Collegen Management Consulting GmbH in Erlangen, Sachverständiger für betriebliche Versorgungswerke

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