Reform des Stiftungsrechts - 29. Juli 2021

Schon jetzt handeln

Mit Blick auf die neuen Vorschriften sollten sich die Stiftungsorgane bereits heute damit befassen, was prägende Satzungsregelungen sind und wie diese nach der Gesetzesnovelle noch verändert werden können.

Der Kabinettsentwurf der Bundesregierung vom 3. Februar 2021 sah noch vor, dass die Reform des Stiftungsrechts am 1. Juli 2022 in Kraft treten sollte. Ende Juni wurde nun das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts von Bundestag und Bundesrat beschlossen, wonach die meisten Neuregelungen erst am 1. Juli 2023 in Kraft treten werden. Das mit der Reform erstmals geschaffene Stiftungsregister wird seinen Betrieb zum 1. Januar 2026 aufnehmen. Die Stiftungsexpertinnen und -experten, die am 5. Mai 2021 im Rahmen einer öffentlichen Sachverständigenanhörung zum Regierungsentwurf Stellung genommen haben, waren nahezu einhellig der Auffassung, dass der Gesetzentwurf zu begrüßen sei – wenn auch mit wichtigen Nachbesserungen. Nachdem die lang ersehnte Reform des Stiftungsrechts nun endlich beschlossen wurde, sollten sich die Stiftungsverantwortlichen bereits heute mit den wesentlichen Inhalten auseinandersetzen, vor allem, weil sich für viele Stiftungen bereits heute Handlungsbedarf mit Blick auf die Neuregelungen ergibt.

Einführung des Begriffs Errichtungssatzung

Der Grundsatz der Satzungsstrenge besagt, dass Satzungsregelungen unzulässig sein können, wenn sie von der gesetzlichen Regelung abweichen. Dieser Grundsatz entstammt dem Aktienrecht und galt bislang nicht im Stiftungsrecht. Stifterinnen und Stifter genießen noch eine weitgehende Stifterfreiheit, indem sie mit individuellen Satzungsbestimmungen vom dispositiven Stiftungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Landesstiftungsgesetze abweichen beziehungsweise diese konkretisieren können. Mit der Stiftungsrechtsreform wird nun in § 85 Abs. 4 BGB jedoch der Begriff der Errichtungssatzung eingeführt. Damit ist die ursprüngliche Satzung gemeint, die der Stifter der Stiftung gegeben hat. Die rechtliche Besonderheit einer Errichtungssatzung besteht darin, dass bestimmte Regelungen nur in ihr enthalten sein können und durch spätere Satzungsänderungen nicht mehr eingefügt werden dürfen. Mit anderen Worten: Die Satzung muss sich in diesen Punkten vergleichbar zum Grundsatz der Satzungsstrenge an der gesetzlichen Regelung orientieren, außer der Stifter selbst hat bereits in der Errichtungssatzung eine abweichende Regelung vorgesehen. Dabei handelt es sich um:

  • die satzungsmäßige Haftungserleichterung für Stiftungsorgane, die nicht ehrenamtlich tätig sind (§ 84a Abs. 1 BGB)
  • Satzungsregelungen über Voraussetzungen und Reichweite zulässiger Änderungen der Satzung durch die Stiftungsorgane

Zu beiden Punkten sollten sich Stiftungsverantwortliche zeitnah überlegen, ob die gegenwärtig in der Stiftungssatzung gegebene Regelung angemessen erscheint oder ob noch vor Inkrafttreten der Reform zum 1. Juli 2023 eine Änderung angezeigt erscheint. Nach Inkrafttreten ist insoweit keine Satzungsänderung mehr zulässig.

Haftungsregeln für Stiftungsorgane prüfen

Nach der gesetzlichen Regelung für ehrenamtliche Stiftungsvorstände gilt eine gesetzliche Haftungsprivilegierung. Die aus dem Vereinsrecht stammende Vorschrift des § 31a BGB, die aufgrund der Verweisung in § 86 BGB für Stiftungen entsprechend gilt, beschränkt die Haftung ehrenamtlicher Stiftungsvorstände auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Ehrenamtlich ist, wer entweder gar keine Vergütung oder eine Aufwandsentschädigung von weniger als 840 Euro pro Jahr (Ehrenamtspauschale) erhält. Die Haftungsprivilegierung für ehrenamtliche Stiftungsorgane bleibt bestehen. Stiftungsorgane, die eine höhere Vergütung erhalten, haften grundsätzlich auch weiterhin bereits für einfache Fahrlässigkeit – es sei denn, in der Stiftungssatzung ist eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit enthalten. Neu ist, dass gemäß § 84a BGB eine solche satzungsmäßige Haftungserleichterung für nicht ehrenamtliche Stiftungsorgane dann ausschließlich in der Errichtungssatzung zulässig vorgenommen werden kann, also nicht mehr durch nachträgliche Satzungsänderungen aufgenommen werden darf. Erscheint nun eine satzungsmäßige Haftungsbeschränkung bezahlter Stiftungsorgane im Einzelfall angemessen und ist sie in der aktuell gültigen Stiftungssatzung nicht enthalten, sollte eine entsprechende Satzungsänderung möglichst umgehend vorgenommen werden.

Zulässige Satzungsänderungen

Zukünftig sollen Stifter nach § 85 Abs. 4 S. 2 BGB die Möglichkeit erhalten, Regelungen über die Zulässigkeit späterer Satzungsänderungen vorzusehen. Regelmäßig machen Stiftungsorgane die Erfahrung, dass die historisch vorgefundene Stiftungssatzung bestimmte Aspekte gar nicht, unzureichend oder unzweckmäßig regelt. Beispielsweise wird eine Satzungsbestimmung, wonach das Stiftungsvermögen ausschließlich mündelsicher investiert werden darf, erhebliche Probleme bereiten. Anderes Beispiel: Eine Stiftung, die aufgrund einer größeren Zustiftung deutlich mehr Aktivitäten entfalten kann, wird möglicherweise ihre Governance-Struktur anpassen wollen. Während sie bislang gut durch ein ehrenamtliches Vorstandsmitglied geführt wurde, mag nun die Einführung eines Vieraugenprinzips bis hin zur Schaffung eines Aufsichtsorgans angezeigt sein. Kurzum: Spätere Satzungsänderungen können vielfach sinnvoll sein, wenn sie zur besseren Durchsetzung des Stifterwillens sowie der Erfüllung des Stiftungszwecks beitragen. Bislang waren Voraussetzungen und mögliche Reichweiten von Satzungsänderungen auf der Ebene des BGB nicht geregelt, was zu einer sehr heterogenen Verwaltungspraxis bei der Genehmigung von Satzungsänderungen geführt hat. Nun wird mit § 85 Abs. 4 S. 2 BGB die Möglichkeit geschaffen, dass der Stifter in der Satzung selbst Leitplanken für spätere Satzungsänderungen durch die Stiftungsorgane schafft. Voraussetzung für diese Änderungsermächtigung ist jedoch, dass sie in der Errichtungssatzung enthalten ist. Das bedeutet wiederum, dass mit Inkrafttreten der Stiftungsrechtsreform ab 1. Juli 2023 die spätere Einführung einer solchen Änderungsermächtigung in die Satzungen bestehender Stiftungen rechtlich ausgeschlossen ist. Soweit nachgewiesen werden kann, dass eine satzungsmäßige Änderungsermächtigung mit dem historischen beziehungsweise dem mutmaßlichen Stifterwillen übereinstimmt, sollten Stiftungsverantwortliche daher noch vor Inkrafttreten der Stiftungsrechtsreform die jeweilige Stiftungssatzung um entsprechende Bestimmungen ergänzen.

Verwendung von Umschichtungsgewinnen

Bislang haben viele Stiftungen ihren Stiftungszweck erfüllt, indem sie ordentliche Erträge (Zinsen, Dividenden oder Mieterträge) sowie – zumindest teilweise – auch außerordentliche Erträge (sogenannte Umschichtungsgewinne wie insbesondere realisierte Kursgewinne) dafür verwendet haben. Der Regierungsentwurf sah ebenso wie bereits der vorangegangene Referentenentwurf vor, dass Umschichtungsgewinne grundsätzlich dem Grundstockvermögen zugerechnet werden, also nicht mehr für den Stiftungszweck verwendet werden dürfen. Allerdings stellte der Regierungsentwurf klar, dass eine Satzungsbestimmung, wonach Zugriffe auf realisierte Umschichtungsgewinne nicht wieder aufgefüllt werden müssen, zulässig sein sollte. Das hätte im Umkehrschluss bedeutet, dass eine Stiftung, deren Satzung eine solche Bestimmung nicht enthält, Umschichtungsgewinne ab Inkrafttreten der Stiftungsrechtsreform nicht mehr für den Stiftungszweck hätte verwenden dürfen.

Erfolg der Kritiker

Aufgrund der erheblichen Kritik aus Wissenschaft und Praxis hat der Gesetzgeber jedoch von dieser Neuregelung Abstand genommen. Nach § 83c Abs. 1 S. 2 BGB dürfen Zuwächse, also Erträge aus der Veräußerung von Grundstockvermögen für die Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden, ohne dass es hierzu einer besonderen Bestimmung in der Satzung bedürfte. Vorausgesetzt ist jedoch, dass die Verwendung der Umschichtungsgewinne nicht durch die Satzung selbst beschränkt oder ausgeschlossen ist. Die allermeisten Stifter dürften zur Frage des Umgangs mit Umschichtungsergebnissen in der Satzung bisher keine Aussage getroffen haben, da sie die Verwendung von Umschichtungsergebnissen als Selbstverständlichkeit erachteten. Unbenommen hiervon ist natürlich im Einzelfall zu hinterfragen, ob aus dem historischen beziehungsweise mutmaßlichen Stifterwillen Umschichtungsverbote bezüglich einzelner Vermögensgegenstände, die Aufrechterhaltung bestimmter Beteiligungsquoten an Unternehmen sowie die Beachtung eines etwaigen freiwilligen oder satzungsmäßigen realen Kapitalerhalts anzunehmen sind.

Grundstockvermögen erhalten

Der bisher in den jeweiligen Landesgesetzen unterschiedlich formulierte Grundsatz, das Grundstockvermögen zu erhalten, wird zukünftig im BGB festgeschrieben. Nach § 83c Abs. 1 S. 1 BGB ist das Grundstockvermögen ungeschmälert zu erhalten. Allerdings bleibt offen, wie dieser Erhalt genau auszusehen hat. Maßgeblich hierfür wird also wie bisher der Stifterwille sein, so wie er zur Zeit der Stiftungserrichtung bestand beziehungsweise sich aus der Satzung oder einem darauf gründenden Kapitalerhaltungskonzept ergibt.

Ausblick

Mit Blick auf die Zeit nach Inkrafttreten der Reform ist wichtig, dass nach § 85 Abs. 2 S. 2 BGB Satzungsregelungen über den Erhalt des Stiftungsvermögens als prägend anzusehen sind. Prägende Satzungsregelungen sollen dann nach § 85 Abs. 2 S. 1 BGB nur noch unter der Voraussetzung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse verändert werden dürfen. Möglicherweise werden die Stiftungsaufsichtsbehörden den Umstand, dass das Stiftungsrecht weitreichend reformiert ist, für sich genommen als wesentliche Veränderung der Verhältnisse bewerten und daraus resultierende Satzungsänderungen genehmigen. Gesichert erscheint dies aus heutiger Sicht jedoch nicht.

Mehr dazu

Präsenzseminar „Rechnungslegung und Prüfung von gemeinnützigen Stiftungen“, Präsenzseminar „Aktuelles Gemeinnützigkeitsrecht“ und Dialogseminar online „Aktuelles Gemeinnützigkeitsrecht

Zum Autor

SS
Prof. Dr. Stefan Stolte

Rechtsanwalt und Mitglied der Geschäftsleitung des Deutschen Stiftungszentrums im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Er verantwortet das Stiftungsmanagement von bundesweit etwa 700 gemein nützigen Stiftungen mit einem Stiftungsvermögen von rund 3,5 Milliarden Euro. Daneben ist er als Anwalt auch Gesellschafter der Kanzlei DSZ-Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

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