Das BREXIT-Desaster - 30. Januar 2019

Pokerspiel um den EU-Austritt

Sie sitzen sich gegenüber, unnachgiebig und vom eigenen Blatt überzeugt. Sie zocken um die EU-Zugehörigkeit Großbritanniens, und man fragt sich, wer wohl als erster die Nerven verliert. Am Ende des Spiels jedoch wird es keinen Gewinner geben, sondern nur Verlierer.

Für Michael O’Leary ist der BREXIT die dümmste Idee seit 100 Jahren. Der Chef der irischen Fluglinie Ryanair glaubt aber nicht, dass es einen harten BREXIT geben wird. Er hält es sogar für die beste Lösung, wenn das Vereinigte Königreich in der EU bleiben würde.

Doch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem zweiten Referendum kommt, geht gegen Null. Für diese Option gab und gibt es im britischen Unterhaus keine Mehrheit.

Daher bleibt nur noch die Variante, dass der Austrittstermin am 29.3. dieses Jahres verschoben wird. Dafür, also für ein späteres BREXIT-Datum, zeigt sich die EU unter gewissen Umständen bereit – vorausgesetzt, die Briten spielen nicht nur auf Zeit, sondern legen einen begründeten Antrag für eine Verlängerung vor.

Die britische Premierministerin jedenfalls ist nicht zu beneiden. Nach wie vor ringt sie um einen Brexit-Deal, daheim im Unterhaus und auch in Brüssel mit der EU. Ihr Ziel ist es, den für sie alternativlosen EU-Austritt Großbritanniens ohne Abkommen zu verhindern.

Dabei geht es ihr speziell darum, den Backstop bezüglich der nordirisch-irischen Grenze durch eine alternative Regelung zu ersetzen. Doch große Hoffnungen, dass die EU ihre Position zum Backstop räumt, darf sich die britische Regierungschefin nicht machen.

Denn die EU hat Änderungen im Brexit-Vertrag bzw. Nachverhandlungen umgehend und entschieden abgelehnt. Diese von EU-Ratspräsident Tusk vertretene Linie bestätigte auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der Neuverhandlungen eine klare Absage erteilte.

In die gleiche Kerbe schlug FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff, der die Bundesregierung aufforderte, sich nun auf einen ungeordneten EU-Austritt der Briten vorzubereiten.

Ein derartiger, ungeordneter BREXIT wäre allerdings der Super-Gau. Denn ein solcher würde massive Auswirkungen haben auf alle Unternehmen in der EU, die wirtschaftlich mit dem Vereinigten Königreich verflochten sind, etwa über Joint Ventures, Lieferketten oder andere Geschäftsverbindungen.

Gleiches gilt natürlich umgekehrt für britische Firmen, die international ausgerichtet sind und Geschäftsverbindungen mit der EU pflegen. Wohl deshalb appellierten sogar einige britische Unternehmen an Theresa May, einen Austritt ohne Abkommen zu verhindern.

Spätestens jetzt also, wo auch ein No-Deal-Brexit alles andere als unwahrscheinlich ist, müssen Unternehmer, die direkt oder indirekt vom EU-Austritt Großbritanniens tangiert sind, handeln – gleich, ob sie im Warenverkehr, dem Transportwesen oder im Bereich von Finanzdienstleistungen und Versicherungen tätig sind.

Neben den Firmen und Betrieben sind aber auch zahlreiche Privatpersonen von einem ungeordneten BREXIT betroffen. Zum Beispiel Kontinental-Europäer, die derzeit auf der Insel leben oder arbeiten bzw. mit einem britischen Staatsbürger verheiratet sind.

Problematisch wird es auch für Tausende britische Rentner, die ihren Ruhestand im EU-Ausland verbringen. Sie würden ihre medizinischen Behandlungen im Falle eines No-Deal-BREXIT nicht länger vom staatlichen Gesundheitsdienst, dem National Health Service (NHS), erstattet bekommen.

Gleichwohl zieht mancher fast den Hut, ob des Musterbeispiels gelebter Demokratie, für das vor allem das britische Unterhaus stehen soll, in diesen Tagen, wo vielerorts auf der Welt Autokraten das Sagen haben.

Ich hingegen habe für die chaotisch anmutendenden Abstimmungen im britischen Parlament nur Kopfschütteln übrig. Denn die Auswirkungen des BREXIT werden vor allem die Unternehmen und Bürger zu spüren bekommen, sowohl diesseits wie auch jenseits des Ärmelkanals.

Ob das den eingangs erwähnten Pokerspielern bewusst ist, gleich, ob sie britische Positionen oder EU-Interessen vertreten, mag man so langsam bezweifeln.

Zum Autor

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

Weitere Artikel des Autors