Im Vorfeld eines Betriebsübergangs ist nicht nur die Zahl der möglicherweise zu übernehmenden Arbeitnehmer zu ermitteln, sondern auch, unter welchen wesentlichen Konditionen sie beschäftigt werden.
Unter einer Due Diligence versteht man die einer Transaktion vorausgehende, vorbereitende Prüfung des Kaufobjekts. Die Due Diligence hat ihren Ursprung im US-amerikanischen Recht und bedeutet „erforderliche Sorgfalt“. Die Due Diligence bezeichnet begrifflich also den Überprüfungsvorgang selbst, gleichzeitig aber auch den dabei vom Käufer und seinen Beratern anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab. Eine Due Diligence kommt zur Anwendung vor dem Erwerb von Betrieben oder Betriebsteilen bzw. der Verschmelzung von Gesellschaften. In diesem Stadium sollte der Käufer bzw. die aufnehmende Gesellschaft die rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken der geplanten Transaktion feststellen, die zum Beispiel in Altersversorgungszusagen, Betriebsvereinbarungen oder in nachteiligen tarifvertraglichen Bezugnahmeklauseln stecken können.
Die drei Funktionen der Due Diligence
- Die umfassende Durchleuchtung des Zielobjekts in wirtschaftlicher, finanzieller, (arbeits-)rechtlicher und steuerlicher Hinsicht erleichtert die Akquisitionsentscheidung insgesamt. Der potenzielle Erwerber erhält die Möglichkeit, zu ermitteln, ob das von ihm in Aussicht genommene Unternehmen seinen Vorstellungen entspricht und den erwogenen Kaufpreis rechtfertigt (Wertermittlungsfunktion).
- Die zweite und zentrale Funktion der Due-Diligence-Prüfung liegt in der Ermittlung der mit dem Kauf verbundenen Risiken (Risikoermittlungsfunktion). Das ermittelte Datenmaterial ermöglicht es dem Käufer, diejenigen Risiken herauszufiltern, die seine mit dem Kaufobjekt verknüpften Zielsetzungen gefährden oder erschweren könnten.
- Die Due Diligence ist drittens mit einer Beweisfunktion verknüpft, die im Rahmen nachvertraglicher Haftungsauseinandersetzungen der Parteien Bedeutung erlangen kann. Die Due Diligence dient insofern nicht ausschließlich den Interessen des Käufers, der sich vom Verkäufer umfangreiche Auskünfte erteilen lässt und auf dieser Grundlage entsprechende Zusicherungen durchzusetzen versucht, sondern auch dem Interesse des Verkäufers an der Dokumentation der Umstände, über die sich der Käufer vorvertraglich Kenntnis verschafft hat.
Art des Unternehmenserwerbs
Ausgangspunkt ist zunächst die Klärung der Frage, um welche Art des Unternehmenserwerbs es sich handelt, da hiervon Inhalt, Art und Umfang der arbeitsrechtlichen Due Diligence maßgeblich abhängen.
Infrage kommen regelmäßig neben einem Share oder Asset Deal auch die Aufnahme oder Abtretung eines Betriebs oder Betriebsteils durch umwandlungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten wie Verschmelzung oder Spaltung. Aus arbeitsrechtlicher Sicht unproblematisch ist der Share Deal, da der Gesellschafterwechsel zu keinem Arbeitgeberwechsel führt und die Regelungen zum Betriebsübergang (§ 613a BGB) keine Anwendung finden. Im Gegensatz dazu können beim Asset Deal die Voraussetzungen des Betriebsübergangs erfüllt sein. Bei einem umwandlungstechnischen Vorgang treten nach § 324 Umwandlungsgesetz (UmwG) jedenfalls auch die Rechtsfolgen des § 613a BGB ein. Die individualarbeitsrechtlichen Folgen sind:
- Arbeitgeberwechsel: Übergang der bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber;
- Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis;
- Kündigungsschutz: Kündigungen wegen des Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils sind nach § 613a Abs. (4) BGB unwirksam.
Demgegenüber stehen die kollektivarbeitsrechtlichen Aspekte des Betriebsübergangs. Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge – auch durch Inbezugnahmeklauseln – prägen den Standard der in einem Betrieb anwendbaren Arbeitsbedingungen erheblich. Welche Auswirkungen ein Unternehmens(teil)verkauf bzw. eine Umstrukturierung auf diese Vereinbarungen hat, ist daher für den Erfolg einer Transaktion oftmals von maßgeblicher Bedeutung. Im Rahmen der arbeitsrechtlichen Due Diligence wird in der Praxis zwar häufig akribisch aufgelistet, welche Vereinbarungen zur Anwendung kommen. Welche Auswirkungen der Betriebsübergang hat, wird jedoch häufig nur kursorisch untersucht oder vollkommen vernachlässigt. Die nicht gerade übersichtliche Rechtslage trägt das ihre dazu bei, dass auf diesem Gebiet erhebliche Unsicherheiten bestehen.
Tarifverträge
§ 613a Abs. (1) Sätze 2 bis 4 BGB beinhalten für tarifvertragliche Regelungen ein differenziertes Regelsystem. Insoweit ist danach zu unterscheiden, ob Veräußerer und Erwerber tarifgebunden sind und der jeweilige Arbeitnehmer Mitglied in der tarifvertragschließenden Gewerkschaft ist.
- Veräußerer und Erwerber sind nicht tarifgebunden: Hier spielen § 613a Abs. (1) Sätze 2 bis 4 BGB keine Rolle. Vielmehr ist allein § 613a Abs. (1) Satz 1 BGB maßgeblich, wonach der Erwerber in die Rechtsposition des Veräußerers tritt. Der Betriebsübergang führt insoweit zu keinerlei Veränderungen.
- Veräußerer ist tarifgebunden, Erwerber nicht: In dieser Konstellation kommt es zu einer sogenannten Transformation des Tarifrechts in das Individualarbeitsverhältnis (§ 613a Abs. (1) Satz 2 BGB): Das Tarifrecht des Veräußerers gilt einzelvertraglich und (im Grundsatz) statisch mit dem Inhalt zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs fort, wobei die Transformation sogar beim Branchenwechsel stattfindet. Eine Änderung ist erst nach Ablauf einer Frist von einem Jahr zulässig (sogenannte Veränderungssperre).
- Veräußerer ist nicht tarifgebunden, Erwerber ist tarifgebunden: Ist der Veräußerer nicht tarifgebunden, kommt § 613a Abs. (1) Satz 1 BGB zur Anwendung. Wenn der Betriebserwerber tarifgebunden ist und der Arbeitnehmer Mitglied der tarifvertragschließenden Gewerkschaft, treten die tariflichen Geltungen daneben: Auf das Arbeitsverhältnis finden weiter die zwischen Betriebsveräußerer und Arbeitnehmer individualvertraglich vereinbarten Bedingungen Anwendung; ferner gelten wegen der Tarifbindung des Betriebserwerbers und des Arbeitnehmers die tarifvertraglichen Bestimmungen. Dieser Konflikt ist durch einen Günstigkeitsvergleich aufzulösen. Ein bisher nicht organisierter, übernommener Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, durch Eintritt in die tarifvertragschließende Gewerkschaft die Geltung des Tarifvertrags auch für sein Arbeitsverhältnis herbeizuführen.
- Veräußerer und Erwerber sind jeweils tarifgebunden: § 613a Abs. (1) Satz 3 BGB ordnet an, dass das Veräußerertarifrecht durch das Erwerbertarifrecht abgelöst wird. Zu dieser Ablösung kommt es allerdings nur dann, wenn und soweit eine übereinstimmende Tarifbindung vorliegt. Zudem muss der Arbeitnehmer Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft sein.
Betriebsvereinbarungen
Betriebsvereinbarungen gelten kollektivrechtlich fort, wenn die Betriebs-identität beim Erwerber erhalten bleibt, also der gesamte Betrieb übernommen und nicht in einen anderen Betrieb des Erwerbs integriert wird. Das gilt auch für Betriebsteile, wenn diese eigenständig fortgeführt werden. Gesamtbetriebsvereinbarungen gelten fort, wenn nur einer oder mehrere Betriebe unter Wahrung ihrer Betriebsidentität, nicht aber das gesamte Unternehmen übergehen. In diesen Fällen wird die Gesamtbetriebsvereinbarung zu einer Einzelbetriebsvereinbarung.
Zu einer Ablösung der Betriebsvereinbarungen kommt es, wenn beim Erwerber dieselben Regelungen bereits Gegenstand einer anderen Betriebsvereinbarung sind (§ 613a Abs. (1) Satz 3 BGB). Dabei ist es unerheblich, ob diese Betriebsvereinbarung beim Erwerber bereits bei Betriebsübergang bestand oder erst nachträglich zustande kommt (keine Sperrwirkung).
Wird beim (Teil-)Betriebsübergang die betriebliche Identität nicht gewahrt (Auflösung von Funktionen) oder werden die Betriebsvereinbarungen nicht durch solche mit gleichem Regelungsgegenstand beim Erwerber ersetzt, verlieren sämtliche Betriebsvereinbarungen ihre unmittelbare und zwingende Wirkung und gelten beim Erwerber als arbeitsvertragliche Regelungen (individualrechtlich) weiter (§ 613a Abs. (1) Satz 2 BGB). Sie werden Teil des Arbeitsvertrags, und zwar mit dem Inhalt, den sie zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs hatten. In diesen Fällen gilt die einjährige Veränderungssperre des § 613a Abs. (1) Satz 2 BGB, die es dem Erwerber untersagt, innerhalb eines Jahres nach dem Betriebsübergang in den Arbeitsvertrag transformierte Regelungen – auch mit Einverständnis des Arbeitnehmers – zu dessen Nachteil zu verändern. Eine Ablösung der transformierten Regelungen durch (verschlechternde) Betriebsvereinbarungen oder Tarifvertrag ist dagegen innerhalb der Jahresfrist möglich. In gleicher Weise ist eine Ablösung möglich, wenn die Betriebsvereinbarungen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs nur noch kraft Nachwirkung galten oder während der Jahresfrist endeten und hierdurch in das Nachwirkungsstadium überführt werden (§ 613a Abs. (1) Satz 4 BGB).
Individualvertragliche Inbezugnahme
In der Praxis führen Bezugnahmeklauseln dazu, dass das Regelungskonzept des § 613a Abs. (1) Sätze 2 bis 4 BGB durch schuldrechtliche Ansprüche überlagert – wenn nicht sogar verfälscht – wird. Wirkungen der Bezugnahmeklauseln bei Betriebsübergang:
- Statische Bezugnahmeklauseln („Es gilt der Tarifvertrag […] in seiner Fassung vom […]“): Die statische Bezugnahmeklausel gilt nach dem Betriebsübergang unverändert fort. Sie sichert dem Arbeitnehmer schuldrechtlich seinen Status quo. Eine Anpassung an die im Erwerberbetrieb geltenden Regeln ist auf individualvertraglicher Ebene nur durch Änderungsvereinbarungen oder -kündigungen möglich. Aus Käufersicht sind statische Verweisungsklauseln daher regelmäßig unerwünscht, auch wenn zumindest nicht der Nachteil unkontrollierter dynamischer Erhöhungen der Lohnkosten besteht.
- Kleine dynamische Bezugnahmeklauseln („Es gilt der Tarifvertrag […] in seiner jeweils gültigen Fassung“): Kleine dynamische Neuklauseln (Abreden, die nach dem 31.12.2001 geschlossen worden sind) gelten auch nach einem Betriebsübergang dynamisch weiter. Solche Klauseln führen aufgrund der weiter bestehenden Dynamik nach der aktuellen Rechtsprechung in der Regel zu einer Ewigkeitsbindung des Erwerbers an den in Bezug genommenen Tarifvertrag. Eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen durch den Erwerber mittels Angleichung des Tarifniveaus ist damit praktisch häufig einseitig nicht durchführbar. Aus Käufersicht empfiehlt es sich, darauf zu drängen, dass der Verkäufer vor dem Betriebsübergang die entsprechenden Klauseln aufhebt oder durch große dynamische Klauseln ersetzt; anderenfalls könnte eine Kaufpreisrelevanz vorliegen. Handelt es sich bei der kleinen dynamischen Bezugnahmeklausel um eine Altklausel, die als Gleichstellungsabrede anzusehen ist (Abreden, die vor dem 01.01.2002 vereinbart wurden), ist zu beachten, dass diese bei Wegfall einer bislang bestehenden Tarifbindung nur statisch fortwirkt. Schuldrechtlich gilt für den Arbeitnehmer damit das, was für ihn auch im Veräußererbetrieb bei Wegfall der kongruenten Tarifbindung gegolten hätte („Einfrieren des Vergütungsniveaus“). Scheidet die Auslegung der Altklausel als Gleichstellungsabrede mangels Tarifbindung des Betriebsveräußerers aus, sind die Ausführungen zur kleinen dynamischen Neuklausel zu beachten.
- Große dynamische Bezugnahmeklauseln (sogenannte Tarifwechselklauseln: „Es gelten die jeweils einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung“): Bei einer großen dynamischen Bezugnahmeklausel greift § 613a Abs. (1) Satz 1 BGB sowohl für Gewerkschaftsmitglieder als auch für Nichtmitglieder ein. Ist der Erwerber nicht tarifgebunden, wird kein Anspruch auf Teilhabe an den sich ändernden Tarifverträgen begründet, denen der Veräußerer unterfallen ist. Verweist die Klausel dagegen auf den „jeweils fachlich einschlägigen Tarifvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung“, kommt allerdings eine dauerhaft dynamische Bindung an den einschlägigen Tarifvertrag in Betracht. Dies wird jedoch dadurch entschärft, dass stets derjenige Tarifvertrag gilt, der dem Tätigkeitsschwerpunkt des Erwerberbetriebs entspricht. Jedenfalls besteht die Gefahr einer Bindung an ein fachlich nicht passendes Tarifwerk hier nicht. Große dynamische Bezugnahmeklauseln sind daher aus Sicht eines potenziellen Betriebserwerbers grundsätzlich vorzugswürdig.
Fazit
Für die Praxis machen die aufgezeigten Risiken deutlich, dass auch die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs rechtzeitig analysiert werden müssen. Das gilt in besonderem Maße für kollektivrechtliche Vereinbarungen. Deren Komplexität und weitreichende Auswirkungen lassen es notwendig erscheinen, im Vorfeld von Betriebsübergängen von vorhandenen Gestaltungsspielräumen Gebrauch zu machen und entsprechende Erkenntnisse einer Due Diligence gegebenenfalls auch zum Inhalt von Vereinbarungen im Kaufvertrag zu machen. Inzwischen führen auch Veräußerer regelmäßig eine interne Due Diligence durch, um „die Braut zu schmücken“ und etwaige kaufpreismindernde Faktoren auszumachen. Eine präventive Prüfung ist auch vor einer geplanten Restrukturierung sinnvoll, um zu wissen, welche Regelwerke später gelten.
MEHR DAZU
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