bAV - 27. April 2023

Entwicklungen im Blick haben

In den laufenden Verträgen der betrieblichen Altersversorgung kommt es zunehmend zur Reduzierung von Garantien. Bei mittelbaren Durchführungswegen tangiert das auch die Bilanzierung, was betroffene Arbeitgeber unbedingt beachten sollten.

Im aktuellen Marktumfeld ergeben sich für betriebliche Versorgungswerke sehr interessante Entwicklungen. Hierzu ist es entscheidend, sich die unterschiedlichen Bestandteile einer betrieblichen Altersversorgung (bAV) vor Augen zu führen und sich mit den jeweiligen Auswirkungen zu befassen.

Grundlagen

Die Grundlage jeder betrieblichen Altersversorgung ist im Kern die arbeitsrechtliche Zusage des Arbeitgebers an die jeweilige Arbeitnehmerin oder den jeweiligen Arbeitnehmer [§ 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG)]. Diese Grundlage existiert immer, gleich, ob es sich um mittelbare versicherungsförmige Durchführungswege (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds), mittelbare Durchführungswege (Unterstützungskasse) oder unmittelbare Durchführungswege (Pensionszusage) handelt. Somit ist es nicht erforderlich, dass eine solche Zusage gesondert getroffen wird. Vielmehr begründet jegliche betriebliche Altersversorgung auch über eine Direktversicherung eine arbeitsrechtliche Zusage, ohne dass dies gesondert in Schriftform erfolgen muss. Viele Arbeitgeber gehen derzeit davon aus, dass bei Verwendung eines versicherungsförmigen Durchführungswegs keine weiteren Pflichten existieren und die bAV damit mehr oder weniger unproblematisch durchlaufen kann. Diese Betrachtung lässt dann allerdings den Teil der arbeitsrechtlichen Zusage außen vor. Diese kann je nach gewählter Variante aus beitragsorientierter Leistungszusage (boLZ; § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG) oder Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML; § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG) in der geschuldeten Höhe auch variieren. Die Einstandspflicht des Arbeitgebers ist zudem sehr klar in § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG geregelt. Es wird klar definiert, dass der Arbeitgeber auch dann für die zugesagte Leistung einsteht, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt, also im Beispiel einer Direktversicherung. Hierbei nicht zu vergessen ist auch die extrem lange Verjährungszeit von 30 Jahren für den Versorgungsanspruch gemäß § 18a BetrAVG.

Reduzierung der Leistung

Nun gibt es im Niedrigzinsumfeld auch im Bereich der Versicherer und Pensionskassen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Teil sehr unerfreuliche Entwicklungen. Die Versicherungsgesellschaften beziehungsweise Pensionskassen, die in der Vergangenheit zum Teil hohe Garantieversprechen abgegeben haben, können diese Leistungsversprechen aufgrund der bekannten Situation nur noch schwer erfüllen. Dies führt dazu, dass es bereits bei namhaften Marktteilnehmern in laufenden Verträgen zur Reduzierung der garantierten Leistungen kam. In Einzelfällen wurde Pensionskassen gemäß § 304 Abs. 1 Nr. 2 Versicherungsaufsichtsgesetz bereits die Erlaubnis zum Versicherungsgeschäft durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) entzogen. Eine solche Leistungsreduzierung führt unweigerlich dazu, dass die arbeitsrechtliche Zusage höher ausfällt als die Leistung aus dem Versicherungsvertrag. Entscheidend bei der Betrachtung der Situation ist, dass die Arbeitgeber sich bewusst machen, dass die ursprünglich arbeitsrechtliche Zusage nicht automatisch durch eine Änderung der Garantien des Versicherers angepasst wird.

Subsidiärhaftung

Dann greift hier die Subsidiärhaftung des Arbeitgebers aus der arbeitsrechtlichen Zusage für die Differenz aus der arbeitsrechtlichen Zusage und den Leistungen aus dem Versicherungsvertrag. Der Arbeitgeber kann sich in einem solchen Fall nicht durch Fehler, Nachlässigkeiten oder Probleme des Versicherers oder der Pensionskasse exkulpieren und somit kann auch der Verschaffungsanspruch des Mitarbeiters dadurch nicht reduziert werden. Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber hat die Reduktion nun selbst auszugleichen. Die Reduktion durch Versicherer oder Pensionskassen wirkt also nicht zum Nachteil der Mitarbeiter.

Anpassung des Rentenfaktors

Eine weitere Änderung bei den bestehenden Versicherungsverträgen erfolgte durch die Senkung des garantierten Rentenfaktors. Der Rentenfaktor definiert die Höhe der laufenden Rentenzahlung aus dem Vertragsguthaben zum Versicherungsbeginn. Durch die Anpassung des Rentenfaktors reduziert sich somit die Rentenleistung aus dem Versicherungsvertrag bei gleichem Kapital. Bei einem Abrufen der Versicherungsleistungen in Form einer Kapitalleistung bleibt die Ablaufleistung jedoch unverändert. Eine solche Reduzierung des Rentenfaktors bei bestehenden Verträgen wurde von mehreren namhaften Versicherungsgesellschaften vorgenommen. Die Anpassung des Rentenfaktors hat erhebliche Auswirkungen im Bereich der bAV, denn nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG steht der Arbeitgeber auch dann für die zugesagten Versorgungsleistungen ein, wenn die Versorgung nicht unmittelbar über ihn erfolgt. In der Folge ist die durch die Anpassung des Rentenfaktors verminderte Rentenleistung unmittelbar durch den Arbeitgeber zu erbringen.

Anpassungsprüfpflicht

Eine unmittelbare Versorgungsverpflichtung kann aber nicht nur durch die Änderung der Vertragskonditionen durch den Versicherer, sondern auch durch die Gestaltung selbst entstehen. Beispielhaft wird hier die Verpflichtung des Arbeitgebers zur inflationären Anpassung der laufenden Versorgungsleistungen dargestellt. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG (Anpassungsprüfpflicht) ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre die Anpassung der laufenden Rentenleistungen zu prüfen. Hierbei sind im Besonderen die Interessen des Versorgungsberechtigten und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die Anpassung der Rentenleistungen gilt als erfüllt, wenn diese die Änderung des Verbraucherpreisindex oder den Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmer im Anpassungszeitraum nicht unterschreitet. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers entfällt, wenn er eine jährliche Erhöhung der Rentenleistungen von mindestens 1 Prozent zusagt oder die Zusageform einer Beitragszusage mit Mindestleistung verwendet wird. Weiterhin entfällt die Verpflichtung zur Anpassungsprüfung bei den Durchführungswegen Direktversicherung und Pensionskasse, wenn alle auf den Rentenbestand entfallenen Überschüsse zur Erhöhung der Rentenleistungen verwendet werden. Bei der Verwendung der Überschüsse ist darauf zu achten, dass diese zu einer jährlichen Erhöhung der Rentenleistungen verwendet werden, denn aus der Bundestagsdrucksache 13/8011 ist zu entnehmen, dass nur diese Zinsdynamik eine gleichwertige Alternative zur Anpassung nach den Lebenshaltungskosten darstellt. Das bedeutet, dass nur eine volldynamische Überschussrente eine befreiende Wirkung für den Arbeitgeber darstellt. Bei einer erhöhten Startrente oder einer teildynamischen Überschussrente unterliegt der Arbeitgeber ganz beziehungsweise teilweise der Anpassungsprüfpflicht nach § 16 Abs. 1 BetrAVG. An dieser Stelle ist der Hinweis wichtig, dass seit der Änderung des Betriebsrentengesetzes im Juni 2020 das versicherungsvertragliche Verfahren nach § 2 Abs. 2 S. 3 BetrAVG auch bei der beitragsorientierten Leistungszusage nicht mehr zu einer Entlassung des Arbeitgebers aus der Versorgungsverpflichtung führt.

Bilanzierungspflicht

Wenn bei einem mittelbaren Durchführungsweg (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds oder Unterstützungskasse) das Vermögen des Versorgungsträgers nicht zur vollständigen Erfüllung der Verpflichtungen ausreicht, ist der Anspruch, den der Arbeitnehmer unmittelbar gegen den Arbeitgeber erwirbt (Subsidiärhaftung nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG), in der Handelsbilanz auszuweisen. Durch das Wahlrecht nach Art. 28 Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch (EGHGB) sind jedoch keine Rückstellungen in der Handelsbilanz zu bilden, wenn das vorhandene Vermögen zur Deckung der Versorgungsverpflichtung nicht ausreicht. Dieser Fehlbetrag ist jedoch zwingend im Anhang zur Handelsbilanz auszuweisen, um so das Haftungsrisiko des Bilanzierenden aus der bAV ersichtlich zu machen. Ein Arbeitgeber, der aus seiner Haftung in Anspruch genommen wird, kann das Passivierungswahlrecht nicht anwenden, er muss zwingend in Höhe der Zahlungsverpflichtung eine Pensionsrückstellung nach § 253 Handelsgesetzbuch (HGB) ausweisen. Unterliegt der Arbeitgeber der zuvor beschriebenen Anpassungsprüfpflicht, ist nach der Richtlinie des Instituts der Wirtschaftsprüfer e. V. (IDW) (RS HFA 30 n. F.) die Bewertung dieser Leistungsanpassung auf der Basis eines Rententrends vorzunehmen. Dieser Rententrend soll die zu erwartende inflationäre Anpassung der Rentenleistung wiedergeben. Trotz der beschriebenen Anforderungen und bilanziellen Bestimmungen sollten sich betroffene Arbeitgeber an dieser Stelle nicht von Angst leiten lassen, sondern sich in Ruhe unter Hinzunahme eines Sachverständigen, welcher auch die versicherungsmathematische Bewertung vornehmen kann, mit den nun möglichen Auswegen beschäftigen. Ein paar Möglichkeiten sowie deren Wirkung werden nachfolgend kurz dargestellt.

Dreistufenmodell

Im Einvernehmen mit dem betreffenden Mitarbeiter lässt sich die arbeitsrechtliche Versorgungszusage an die geänderten Leistungen aus dem Versicherungsvertrag anpassen. Mit einer solchen Änderung kann auf die Reduzierung der Versicherungsleistungen reagiert werden, wenn der Versicherer die Leistungen ab einem definierten Stichtag reduziert. Wenn die Anpassung ausschließlich künftige, noch zu erdienende Ansprüche betrifft, kann diese Anpassung im Rahmen des Dreistufenmodells des Bundesarbeitsgerichts einseitig durch den Arbeitgeber vorgenommen werden. Diese Anpassung muss jedoch nachvollziehbar dargelegt werden und sie darf nicht willkürlich erfolgen. Zu beachten ist hierbei, dass eine solche Änderung der Versorgungszusage bei bereits ausgeschiedenen Mitarbeitern nicht vorgenommen werden kann – dies gilt auch für die einvernehmliche Änderung der Versorgungszusage.

Neuer Versorgungsträger oder Durchführungsweg

Je nach Situation des aktuellen Versorgungsträgers ist auch der Wechsel des Versorgungsträgers und die Übertragung des Versorgungskapitals auf einen neuen versicherungsförmigen Durchführungsweg eine sinnvolle Alternative. Eine solche Übertragung des Versorgungskapitals bei einem Wechsel des Versorgungsträgers ist nach § 3 Nr. 55c Buchst. a Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei und in der Folge auch sozialversicherungsfrei. Allerdings ist hierbei die weiterhin gültige arbeitsrechtliche Zusage zu beachten. Denn auch bei einer solchen Übertragung muss die ursprüngliche Zusage des Arbeitgebers eingehalten werden. Somit erfordert eine solche Übertragung häufig eine entsprechende zusätzliche Zahlung des Arbeitgebers, um die zugesagten Leistungen trotz der heute geringeren Garantien wieder zu erreichen.

Fazit

Die Möglichkeiten zur Anpassung einer bestehenden Versorgungszusage sind im Wesentlichen von der Form des Rechtsbegründungsakts, der gewählten Zusageform und dem Durchführungsweg abhängig. Für die Anpassung einer bestehenden Versorgungszusage sollte sich der Arbeitgeber immer einer fachkundigen Beratung bedienen. Inwieweit sich die aktuelle Änderung des Zinsumfelds positiv auf die Entwicklung in der bAV auswirkt, bleibt abzuwarten.

Mehr dazu

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DATEV-Fachbuch: Betriebliche Altersversorgung für Geschäftsführer, www.datev.de/shop/35491
Mandanten-Info-Broschüre: Betriebliche Altersversorgung (bAV), www.datev.de/shop/32194

Zu den Autoren

CC
Carsten Cornelsen

Geschäftsführer bei der Cornelsen & Collegen Management Consulting GmbH in Erlangen, Sachverständiger für betriebliche Versorgungswerke

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GW
Gerry Wulf

Geschäftsführer der Wulf Consulting GmbH in Zwickau

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