Ungeplante Termine, ausufernde Meetings, falsche Prioritäten. Schon fehlt die Zeit. Methoden für ein besseres Zeitmanagement unterstützen hier – vielleicht. Nicht jede eignet sich für jeden.
Recht bedacht lässt sich Zeit nicht verwalten. Eher lassen sich Aufgaben anhand verfügbarer Zeit erledigen. Das ist oft schwierig: Besprechungen nehmen zu, Fluten von E-Mails müssen beantwortet werden, die Verantwortung, wie die eigene Arbeit organisiert wird, wächst. Gleichzeitig buhlen Mobilität, ständige Erreichbarkeit und Ablenkungen wie durch Social Media um die restliche Zeit. Zeit, die den Aufgaben gehören sollte. Erfolgreich priorisieren und planen, das lehrt Zeitmanagement. Es gibt viele Methoden, und manchmal fixiert das Bewusstsein mehr das Zeitmanagement als die Arbeit oder die Ursache für Zeitmangel. Fakt ist: Durch geschicktes Agieren spart man keine Zeit, wie unsinnigerweise oft suggeriert wird. Es existiert kein Konto, auf das eingezahlt oder von dem abgehoben werden könnte. Auch spielt die Persönlichkeit eine Rolle, wie man Arbeitsumfang und Zeit koordiniert.
Nutze den Tag oder: die Illusion der Kontrolle
Niemand beobachtet mehr den Stand der Sonne, horcht auf Hahnenschrei oder Kirchenglocke, um festzustellen: Die Zeit drängt. Dass Zeit knapp ist, wusste schon der römische Dichter Horaz. Benannte er 23 vor Christus mit carpe diem die Regeln zur Ökonomie der Zeit, was sich in die Aufforderung, den Tag zu nutzen, wandelte. Bis heute verstehen Menschen Zeit als begrenzte und wichtige Ressource.
Das lateinische Wort tempus, was so viel bedeutet wie Zeitabschnitt oder Zeitspanne, lässt ahnen, dass Zeit seit jeher geteilt und verplant wird. Obwohl Albert Einstein klärte, dass keine absolute Zeit existiere, lehrt die Arbeitspsychologie: Zeit wird subjektiv oft als zu wenig erlebt. Die Digitalisierung kupiert zeitliche Zyklen von Entwicklung, Relevanz und Bestand aller möglichen Dinge. Das führt zu dem nach wie vor illusorischen Versuch, Zeit zu kontrollieren. Der Versuch zeigt sich an vielfältigen Methoden des Zeitmanagements, um der gefühlt schnell verrinnenden Zeit Herr zu werden.
Früher wie heute lagerte man Zeitmanagement schlicht aus. Sekretariate, Assistenten oder externe Dienstleister übernahmen die Organisation oder gleich ganze Arbeiten. Heutzutage treten Methoden hinzu, deren Gebrauch dem Einzelnen oder der Gruppe überlassen bleiben.
Methoden für gelungenes Zeitmanagement
Wer an komplexen Aufgaben arbeitet, erzeugt Fehler, wenn er seinen Biorhythmus missachtet. Der Takt muss stimmen.
Methoden für Zeitmanagement helfen, weil wir in zeitorganisierten Strukturen leben und innerhalb dieser arbeiten. Die Ratgeberliteratur ist zahlreich; die Wirksamkeit bislang nur unzureichend erforscht. Abgesehen von teils skurrilen Namen wie Eat the Frog oder parkinsonsches Gesetz beschleicht einen das Gefühl, dass es so viele Methoden gibt, wie dazugehörige Experten und Seminare – und sie erscheinen beliebig. Zu Unrecht, denn sie setzen unterschiedliche Schwerpunkte: Ziele setzen, Aufgaben priorisieren und planen, Aspekte fokussieren, sich selbst motivieren, Prokrastination und Unterbrechung vermeiden oder mit digitalen Helfern wie Outlook oder Evernote umgehen. Fünf gängige Methoden sind auf Seite 17 kurz erläutert.
Letztlich signalisiert die unerschöpfliche Selbsthilfeliteratur einen steigenden Bedarf nach Lösungen, eine entfesselte Zeit-Arbeitspensum-Dynamik zu bändigen. Eine Dynamik, die Stress auslöst, wie die TK-Stressstudie 2016 der Techniker Krankenkasse belegt: „Der häufigste Grund für Stress bei der Arbeit ist zu viel Arbeit. Offenkundig gibt es ein Missverhältnis zwischen Arbeitsmenge und der dafür zur Verfügung stehenden Zeit.“ Neben dem organisatorischen Problem, wie Arbeitsverdichtung – um eine Schattenseite der Digitalisierung zu nennen –, tritt noch ein anderes Kriterium: das eigene Selbst.
Gehirn muss Methode mögen
Kann jeder nach der Methode seiner Wahl arbeiten? So einfach ist es nicht, weiß Dr. Eva Brandt. Als Coach, Trainerin und Expertin für Zeitmanagement weiß sie, dass „aus Sicht der Psychologie jede Persönlichkeit einen angeborenen Takt hat“. Es hilft also nicht, wenn der individuelle Grund des Zeitproblems nicht erkannt oder ignoriert wird. Manche erledigen alles in der Zeit und nach Plan. Andere stapeln trotz Zeitmanagement ihre Aufgaben ins Unendliche. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: Wem die Motivation fehlt, den überfordert vielleicht die berufliche Aufgabe oder dem fehlt Verantwortung. Wer nicht merkt, dass er planlos priorisiert, verzettelt sich. Wer an komplexen Aufgaben arbeitet, erzeugt Fehler, wenn er seinen Biorhythmus missachtet. Wen digitale Gadgets ablenken, für den ist das digitale Zeitmanagement-Tool das Falsche. Der Takt muss stimmen. Der richtet sich nach „der jeweiligen Dominanz von Groß-, Zwischen- und Stammhirn“, sagt Dr. Eva Brandt und bezieht sich auf die Erkenntnisse des amerikanischen Gehirnforschers Paul McLean und sein Konzept des Triune Brain, des dreieinigen Gehirns.
Die Persönlichkeit – von Vergangenheit bis Zukunft
Dr. Eva Brandt unterscheidet demnach drei Persönlichkeitstypen: „Die großhirndominanten Analytiker orientieren sich an Zahlen, Daten, Fakten und priorisieren stark. Sie gehen mit den allgemeinen Tools sehr gut um, die seit Jahrzehnten gelehrt werden. Sie arbeiten zukunftsorientiert, planen tageweise und schätzen auf realer Basis, wie lange eine Aufgabe dauert.“
Zwischenhirndominante hingegen arbeiten sehr ziel- und ergebnisorientiert, neigen aber zum Schwarz-Weiß-Denken. Sie begehren Spontanität und Herausforderung. „Das sind Typen, die in der Gegenwart leben; zum Leidwesen des Zeitmanagements. Spontanes lässt sich nicht so in die Tagesplanung integrieren, dass es am Ende funktioniert“, wie die Expertin sagt. Man muss deren flexible Seiten beachten, sodass sie priorisieren und Ziele erreichen können. „Statt reguläre Zeitmanagement-Tools zu verwenden, nutzen Zwischenhirndominante am besten grobe Wochenpläne mit Zielfokussierung“, so Dr. Eva Brandt weiter.
Der dritte Typ ist der Stammhirndominante. Er orientiert sich an der Vergangenheit, handelt intuitiv, ist ein TeamPlayer. Allerdings konzentriert sich dieser unter Zeitdruck nur schwer. „Für ihn ist es wichtig, Druck auszugleichen, indem er sich Zeit-Airbags einbaut“, sagt Dr. Eva Brandt. „Er braucht Rituale, Gewohnheiten und standardisierte Abläufe.“
Versuch und Irrtum
„Der Übergang zwischen den Typen ist fließend, weil grundsätzlich alle drei Anteile im Menschen angelegt sind“, erläutert Dr. Eva Brandt. Es besitzen zwar alle einen Schwerpunkt, doch arbeitet jeder individuell und kombiniert alle drei Typen. Eine Zeitmanagementmethode, die nicht der Persönlichkeit entspricht, scheitere daher nicht gleich, mindere aber die Leistung. „Wir können wie der Großhirndominante arbeiten, obwohl wir nicht diesem Typ entsprechen. Doch das bereitet wenig Vergnügen.“
Im ungünstigen Fall leidet die Motivation und das Arbeitsergebnis, weil der Bedürfnis- oder der Zufriedenheitsfaktor unbeachtet bleibt. Damit das nicht passiert, rät Dr. Eva Brandt, „anhand einer Persönlichkeitsanalyse festzustellen, welcher Zeittyp man ist“. So empfiehlt sie in ihrem Buch „Zeitmanagement im Takt der Persönlichkeit“, man solle mit einer Methode eine Woche arbeiten und prüfen, ob das funktioniere.
Zeitmanagement erzeugt sich selbst

Informationsflut, Arbeitsverdichtung und Zeitmanagement bedingen sich gegenseitig. So wird Zeit zwar freigelegt, doch oft mit weiteren Aufgaben zugeschüttet. Das fordert wiederum neue Methoden. Es kristallisiert sich heraus, dass es bei einer Symptombekämpfung bleibt. „Daraus können […] krankmachende Arbeitsbelastungen (z.B. Stressbelastungen) entstehen, die zu einem Anstieg des Krankenstandes führen“, wie es der DAK-Gesundheitsreport 2018 belegt. Das mit zeiteffizientem Vorgehen zu therapieren, verstärkt das Problem, statt zu kurieren. Dies mag ein Grund sein, weshalb Zeitmanagement boomt – ein Kreislauf, weil man nicht die Ursache bekämpft, sondern Krankheitszeichen.
Fazit
Lokalisiert man die Ursachen für Zeitmangel, zeigt sich erst, ob Zeitmanagement das Mittel der Wahl ist, und wenn ja, welche Methode davon. Zu finden sind Ursachen sowohl in organisatorischen Gegebenheiten als auch in der Persönlichkeit. Wer mit Zeitmanagement die Effizienz seines Arbeitens steigert, sollte die freie Zeit nicht mit neuen Aufgaben füllen und den Erfolg negieren. Und wenn alles nicht greift? Dann helfen Geduld, Übung und Gelassenheit. Denn wie der amerikanische Schriftsteller John Steinbeck sagte: „Man verliert die meiste Zeit damit, dass man Zeit gewinnen will.“
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