Anfechtungsgesetz - 8. April 2024

Freigabe eines Anspruchs nach dem Anfechtungsgesetz „zur weiteren Rechtsverfolgung“ durch die Behörde nicht vor Beendigung des Insolvenzverfahrens

FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 02.04.2024 zum Gerichtsbescheid 3 K 101/16 vom 01.11.2023

Der Insolvenzverwalter kann im finanzgerichtlichen Verfahren einen Anspruch nach dem Anfechtungsgesetz nicht vor Beendigung des Insolvenzverfahrens „zur weiteren Rechtsverfolgung“ durch die Behörde „freigeben“.

Gegenstand der Frage, die der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts in seinem Gerichtsbescheid vom 1. November 2023 (Az. 3 K 101/16, veröffentlicht u. a. in EFG 2024, 357) zu klären hatte, war, ob durch den Insolvenzverwalter des Schuldners in Anfechtungskonstellationen nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG) auf die gerichtliche Verfolgung von Anfechtungsansprüchen zugunsten des Finanzamtes verzichtet werden kann und das Finanzamt sodann die Rechtsverfolgung im Gerichtsverfahren fortführen kann, obwohl das Insolvenzverfahren des Schuldners noch nicht beendet ist.

Die Klägerin hatte sich in diesem Verfahren ursprünglich gegen einen Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 3 Abs. 2 bzw. § 4 Abs. 1 AnfG gewehrt. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners – der zuvor die von den Duldungsbescheiden betroffenen GbR-Anteile an die Klägerin übertragen hatte – eröffnet worden war, war das Verfahren der Klägerin vor dem Finanzgericht von Gesetzes wegen unterbrochen. Der Insolvenzverwalter des Schuldners hatte die Wiederaufnahme dieses Verfahrens bisher nicht erklärt. Schließlich schrieb der Insolvenzverwalter des Schuldners an das FA: „Als Insolvenzverwalter über das Vermögen des E erkläre ich hiermit: Insoweit wie die von dem Finanzamt […] erhobenen Anfechtungsansprüche dem Insolvenzbeschlag unterliegen, erteile ich dem Finanzamt […] die Freigabe zur weiteren Rechtsverfolgung. Ich bin damit einverstanden, dass das Finanzamt […] die Anspruchsverfolgung gegen [die Klägerin] aufgrund des Anfechtungsgesetzes im eigenen Namen weiter betreibt. Diese Erklärung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Insolvenzmasse durch die weitere Anspruchsverfolgung keine Kosten entstehen dürfen.“

Die Besonderheit im Tatsächlichen war im vorliegenden Fall darin zu sehen, dass der Insolvenzverwalter des Schuldners – unter Beteiligung des Finanzamtes – zuvor zivilrechtlich einen Vergleich geschlossen hatte, der im Verhältnis Insolvenzmasse/Klägerin eine Abgeltung vorsah. Das Finanzamt beantragte darauf bei Gericht, den Stillstand des Verfahrens zu beenden. Fraglich war damit, ob mit einer solchen zivilrechtlichen Vereinbarung die – zumindest im Wortlaut entgegenstehenden – Regelungen zur Prozessunterbrechung und -aufnahme in §§ 17, 18 AnfG umgangen werden können.

Der 3. Senat des Finanzgerichts hat – im Wege eines Zwischengerichtsbescheids – festgestellt, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist. Die Regelungen in §§ 17, 18 AnfG, die bei laufendem Insolvenzverfahren eine Aufnahmemöglichkeit des Anfechtungsprozesses nur für den Insolvenzverwalter vorsähen (bzw. für die Beteiligten allenfalls wegen der Kosten), seien ihrem Wortlaut gemäß anzuwenden und nicht – im Wege der teleologischen Auslegung – auf Fälle auszuweiten, in denen der Insolvenzverwalter – gleich aus welchen Gründen und auf welche Art – auf die Verfolgung von Anfechtungsansprüchen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 16 Abs. 1 AnfG allein ihm obliegt, verzichte. Dass der Gesetzgeber diese Konstellationen übersehen und versehentlich nicht geregelt habe, ergebe sich nicht ohne Weiteres. Es sei weiter nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dies im Sinne des Insolvenzverwalters des Schuldners geregelt hätte. Der 3. Senat des Finanzgerichts begründete dies unter anderem vor dem Hintergrund, dass es nicht Aufgabe des Finanzgerichts sei, konkludent zu prüfen, ob ein – wie auch immer gearteter – Verzicht auf die Durchsetzung der Anfechtungsrechte des Insolvenzverwalters den insolvenzrechtlichen Vorgaben entspreche und tatsächlich keinerlei Bezug der Anfechtungsansprüche zur Insolvenzmasse mehr bestünde. Die gerichtliche Verfolgung dieser Ansprüche bei laufendem Insolvenzverfahren solle ausnahmslos dem Insolvenzverwalter zustehen bzw. von diesem betrieben werden können.

Die vom 3. Senat des Finanzgerichts zugelassene und zunächst auch eingelegte Revision (Az. beim BFH: VII R 32/23) ist inzwischen zurückgenommen worden.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Newsletter I/2024