Berufsstand - 20. März 2024

Säumnis bei Krankheit: Verhinderte Anwältin muss alles tun, um Gericht zu informieren

BRAK, Mitteilung vom 20.03.2024 zum Beschluss XII ZB 171/23 des BGH vom 24.01.2024

Schafft es ein Anwalt krankheitsbedingt nicht rechtzeitig zur Verhandlung, muss er alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, um das Gericht zu erreichen.

Eine Anwältin, die kurzfristig und unvorhersehbar an der Wahrnehmung eines Termins gehindert ist, hat alles ihr Mögliche und Zumutbare zu tun, um dies dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen, so der Bundesgerichtshof (BGH). Beruft sie sich später darauf, ihre Säumnis sei unverschuldet gewesen, müsse sie dies vollständig und schlüssig, also vollständig und frei von Widersprüchen, vortragen (Beschluss vom 24.01.2024, Az. XII ZB 171/23).

Anwältin schafft es wegen plötzlicher Krankheit nicht zum Termin

In diesem Fall war die Säumnis besonders brisant, weil durch das Ausbleiben besagter Anwältin ein zweites Versäumnisurteil in einer Familiensache erging. Doch mit dem Vortrag, ihr Fernbleiben sei unverschuldet gewesen, hörten sie weder das Oberlandesgericht Brandenburg noch der BGH. Folgendes hatte sie für ihre Mandantin als Entschuldigung vorgetragen:

Sie sei rechtzeitig in Berlin losgefahren, um den Gerichtstermin in Frankfurt (Oder) um 10:00 Uhr wahrzunehmen. Während der Fahrt – ca. gegen 9:00 Uhr – habe sie jedoch unvermittelt plötzlich „schubweise schwere krampfhafte Zustände“ verbunden mit Brechreiz und Durchfall bekommen. Sie habe ihre Fahrt deshalb für ca. zwei Stunden auf einem Parkplatz unterbrechen müssen. Eine Weiterfahrt sei nicht möglich gewesen. „Mehrfache Versuche“, das Amtsgericht vor 10:00 Uhr telefonisch zu erreichen, seien erfolglos geblieben. Erst gegen Mittag habe sie ihre Fahrt fortsetzen können und sich direkt zu einem Arzt begeben. „In der Zwischenzeit“ habe sie eine Kanzleimitarbeiterin um Kontaktaufnahme mit dem Gericht gebeten. Diese habe jedoch ebenfalls vergeblich versucht, die Geschäftsstelle des Amtsgerichts telefonisch zu erreichen. Schließlich habe die Mitarbeiterin die „Vermittlung“ des Amtsgerichts angerufen. Diese habe ihr mitgeteilt, dass die Verhandlung bereits vorbei sei, und sie mit der zuständigen Richterin verbunden. Da war das zweite Versäumnisurteil bereits ergangen.

BGH: Säumnis nicht schlüssig dargelegt

Der BGH wies ihre dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde – wie schon die Vorinstanz – jedoch ab, weil ihm der Vortrag nicht genügte, um die Voraussetzungen des § 514 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zu erfüllen. Dabei betonte er, für die Darlegung, dass der Termin nicht schuldhaft versäumt worden sei, gälten dieselben Maßstäbe wie bei der Wiedereinsetzung. Die Anwältin hätte nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Obliegenheit, alles ihr Mögliche und Zumutbare zu tun, um dem Gericht rechtzeitig ihre Verhinderung mitzuteilen und hierdurch eine Verlegung oder Vertagung des Termins zu ermöglichen. Dies habe sie jedoch gerade nicht schlüssig dargelegt, der Vortrag sei diesbezüglich nicht hinreichend substantiiert.

Hier hätten sowohl konkrete Angaben zum Ablauf der Fahrt der Anwältin als auch zu ihren Bemühungen um eine Kontaktaufnahme mit dem Amtsgericht gefehlt. Insbesondere sei ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen, wann genau und wie oft sie unter welcher Telefonnummer versucht habe, das Gericht zu erreichen. Die bloße Behauptung mehrerer erfolgloser Kontaktversuche vor 10:00 Uhr sei so pauschal und ungenau, dass der BGH nicht beurteilen könne, ob dies ausreichend gewesen war. Vielmehr wäre zumindest die Angabe erforderlich gewesen, wann genau welche Rufnummer kontaktiert wurde. Denn hätte sie etwa eine falsche Telefonnummer gewählt oder erst wenige Minuten vor 10:00 Uhr Kontaktversuche unternommen, obwohl sie ihre Fahrt nach eigenen Angaben bereits um 9:00 Uhr unterbrochen hat, wären ihre Bemühungen ersichtlich unzureichend gewesen.

Es könne dahinstehen, ob sie sofort ihre Mitarbeiterin mit den Kontaktversuchen beauftragen musste oder ob sie selbst zunächst versuchen durfte, das Gericht zu erreichen. Jedenfalls hätte sie ihre Mitarbeiterin, als sie selbst niemanden erreichte, rechtzeitig vor dem Termin anweisen müssen, ebenfalls bei Gericht anzurufen – sowohl bei der Geschäftsstelle als auch bei der zentralen Rufnummer. Dass eine solche Weisung vor 10:00 Uhr erfolgt ist, sei jedoch nicht vorgetragen.

Quelle: BRAK