Sozialrecht - 20. Januar 2023

Pandemiefolgen bei Sperrzeit zu berücksichtigen

LSG Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 20.01.2023 zum Beschluss L 9 AL 106/22 B ER vom 01.09.2022

Wird eine abhängige Beschäftigung zwecks Wiederaufnahme einer pandemiebedingt aufgegebenen Selbstständigkeit gekündigt, liegt zumindest ein Härtefall vor.

Dies hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) mit Beschluss vom 01.09.2022 entschieden (Az. L 9 AL 106/22 B ER).

Der Antragsteller war seit 2000 mit einer Eventagentur selbstständig. Er stellte diese Tätigkeit aufgrund der mit der Corona-Pandemie verbundenen Einschränkungen im Veranstaltungssektor 2020 ein. Am 31.01. kündigte er das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis als Berufskraftfahrer zum 28.02.2022 und meldete sich arbeitslos. Die Bundesagentur für Arbeit als Antragsgegnerin stellte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit und das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in diesem Zeitraum (01.03. bis 23.05.2022) fest. Gegen den Sperrzeitbescheid erhob der Antragsteller Klage, die noch anhängig ist. Das SG Aachen lehnte seinen parallelen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab.

Auf seine Beschwerde hat das LSG die aufschiebende Wirkung der Klage für die Zeit ab 13.04.2022 angeordnet und die Antragsgegnerin verpflichtet, ihm bis 23.05.2022 Arbeitslosengeld zu zahlen. Hinsichtlich der ersten 6 Wochen der Sperrzeit (01.03. bis 12.04.2022) hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Es bestünden so große Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides jedenfalls für die Zeit ab dem 13.04.2022, dass dessen Vollzug insoweit auszusetzen sei. Zwar habe der Antragsteller durch seine Kündigung die Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt. Fraglich sei aber bereits, ob dies grob fahrlässig erfolgt sei. Der Antragsteller habe nach Aktenlage im Januar 2022 noch davon ausgehen dürfen, dass er ab März 2022 wieder mit der Eventagentur tätig werden könne. Aber auch wenn angesichts der unsicheren Pandemielage Anfang des Jahres 2022 von einer grob fahrlässigen Herbeiführung ausgegangen werden sollte, sei die Annahme einer besonderen Härte mit der Folge einer Verkürzung der Sperrzeit auf 6 Wochen geboten. Es sei mindestens unverhältnismäßig hart, den Versuch eines vor der pandemiebedingten Schließung seines Geschäfts erfolgreich selbstständig Tätigen, diese Tätigkeit wiederaufzunehmen, mit der Regelsperrzeit von 12 Wochen zu sanktionieren, wenn – wie hier – ein berechtigter Grund zu der Annahme vorliege, dass die selbstständige Tätigkeit wiederaufgenommen werden könne. Abschließend sei im Klageverfahren zu prüfen, ob der Antragsteller sich zudem auf einen wichtigen Grund berufen könne.

Quelle: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen