Berufsstand - 11. April 2024

Notar muss für Nachlassverzeichnis nicht ohne Anlass ermitteln

BRAK, Mitteilung vom 11.04.2024 zum Beschluss I ZB 40/23 des BGH vom 07.03.2024

Ein Notar ist nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte in alle denkbaren Richtungen zu ermitteln, um weiteres Nachlassvermögen aufzuspüren.

Pflichtteilsberechtigte können von den Erben gem. § 2314 BGB ein Nachlassverzeichnis verlangen. Besteht Streit darüber, ob dieses vollständig ist, muss ein Notar bzw. eine Notarin jedoch nicht alles tun, um den Umfang des Nachlasses zu erforschen. Notarinnen und Notare entscheiden vielmehr grundsätzlich nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen im jeweiligen Einzelfall, wie tiefgehend sie nachprüfen, so der BGH. Sie seien nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte in alle denkbaren Richtungen zu ermitteln, um weiteres Nachlassvermögen aufzuspüren (Beschluss vom 07.03.2024, Az. I ZB 40/23).

Im konkreten Fall hatte die Erblasserin ihr Vermögen einer ihrer Töchter vererbt, die zweite Tochter war bereits verstorben. Ihren Enkelinnen, den Töchtern der Verstorbenen, hatte sie lediglich eine Immobilie in Österreich vermacht. Die Enkelinnen machten gegenüber ihrer Tante nun ihren Pflichtteil geltend. Im Rahmen des Rechtsstreits hatte ein Gericht ihnen bereits das Recht auf Auskunft durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zugesprochen und die Tante hatte ein solches auch bereits vorgelegt. Damit waren ihre Nichten aber – auch nach einer Ergänzung – nicht einverstanden. Ihrer Ansicht nach hätte der Notar nach weiteren Bankkonten ihrer Großmutter forschen müssen. Sie beantragten daher, das erste Urteil auf Erteilung der Auskunft durch Zwangsgeld zu vollstrecken. Damit hatten sie allerdings weder in den Vorinstanzen noch beim BGH Erfolg, da alle Gerichte den Anspruch als erfüllt ansahen. Der BGH konkretisierte im Zuge seiner Entscheidung übrigens sogleich die Anforderungen an die Nachforschungspflicht von Notarinnen und Notaren.

Anforderungen an die Nachforschungspflichten von Notaren

Liege – wie hier – ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, so sei die Pflicht zur Auskunftserteilung grundsätzlich erfüllt. Hiervon seien einige Ausnahmen anerkannt, wenn:

  • sich der Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränke;
  • die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspreche, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft habe;
  • in dem Verzeichnis eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen – nicht aufgeführt sei und beispielsweise Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlten.

Im vorliegenden Fall liege jedoch keine dieser Ausnahmen vor. Der Notar hätte keine weiteren Nachforschungen anstrengen müssen.

Notarinnen und Notare seien in der Ausgestaltung des Verfahrens zwar weitgehend frei. Sie müssten allerdings diejenigen Nachforschungen anstellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde. Sie seien allerdings nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte in alle denkbaren Richtungen zu ermitteln, um weiteres Nachlassvermögen aufzuspüren.

Der Sachvortrag der Klägerinnen habe hierfür nicht ausgereicht. Allein die Tatsache, dass die Erblasserin mehrere Konten hatte und denkbar sei, dass noch mehr existierten, seien noch keine solchen konkreten Anhaltspunkte. Der Zweck des Auskunftsanspruchs, der Beweisnot des Pflichtteilsberechtigten abzuhelfen, rechtfertige es ebenfalls nicht, aufgrund bloßer Mutmaßungen weitere Ermittlungen als erforderlich anzusehen.

Darüber hinaus sei es – auch wenn das für dieses Verfahren nicht mehr ausschlaggebend war – für einen Notar ohnehin unmöglich, durch eine automatisierte Kontenabfrage gem. § 802l Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO nach weiteren Konten zu forschen. Dies erlaube das Gesetz wegen des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur dem Gerichtsvollzieher.

Allerdings könnte den Erben möglicherweise aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO ein Auskunftsanspruch im Hinblick auf die Existenz ihnen unbekannter Konten des Erblassers zustehen. Mangels Entscheidungserheblichkeit vertiefte der BGH die Ausführungen hierzu aber nicht.

Quelle: BRAK