Sozialrecht - 13. Oktober 2020

Keine Merkzeichen bei nicht epileptischen, psychogenen Anfällen

SG Osnabrück, Pressemitteilung vom 13.10.2020 zum Urteil S 30 SB 90/19 vom 15.07.2020 (rkr)

Bei nicht epileptischen psychogenen Anfällen besteht kein Anspruch auf die Feststellung der Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), H (Hilflosigkeit) und B (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson). Dies hat das Sozialgericht Osnabrück in einem Urteil vom 15.07.2020 (Az. S 30 SB 90/19) entschieden.

Die 1988 geborene Klägerin befand sich erstmals im Februar 2018 in stationärer Behandlung wegen plötzlicher, ca. zweimal täglich auftretender Schwächeanfälle, meist ohne Bewusstlosigkeit. Ein neurologischer Befund konnte nicht erhoben werden. Diagnostiziert wurde eine somatoforme Störung mit wiederkehrenden dissoziativen Anfällen.

Weitere Untersuchungen ergaben die Diagnose psychogener, nicht epileptischer Anfälle. Die Klägerin sei innerhalb weniger Sekunden wieder vollständig reorientiert, könne aber nicht alleine aufstehen. Sie fühle sich noch ca. 15 Minuten schlapp. Eine intensive psychotherapeutische Behandlung wurde empfohlen.

Das Land Niedersachsen stellte bei der Klägerin wegen der nicht epileptischen Anfälle einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest, lehnte aber die Zuerkennung der beantragten Merkzeichen G, H und B ab. Hiergegen wandte sich die Klägerin und machte geltend, die Erheblichkeit der Anfälle sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es dauere jeweils 20 bis 30 Minuten, bis sie sich nach einem Anfall wieder voll bewegen könne. Die Stürze träten überall auf, daher sei auch eine ständige Begleitung erforderlich.

Das Sozialgericht Osnabrück hat die Entscheidung des beklagten Landes bestätigt und zur Begründung ausgeführt, dass bei der Klägerin kein hirnorganisches Anfallsleiden, sondern eine schwere Störung auf psychiatrischem Fachgebiet besteht, die unter Beachtung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten ist. Das Merkzeichen G ist nicht zu vergeben, da die Klägerin zu keiner der in den Voraussetzungen für dieses Merkzeichen genannten Personengruppen gehört. Selbst bei Personen mit hirnorganischen Anfällen wird erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdB von 70 das Merkzeichen G als gerechtfertigt anzusehen. Hiermit ist der Fall der Klägerin nicht vergleichbar.

Die Zuerkennung des Merkzeichens H hat das Gericht abgelehnt, da bei der Klägerin kein erheblicher Hilfebedarf vorliegt. Die Klägerin benötigt zwar in bestimmten Situationen fremde Hilfe; sie ist jedoch in der Lage, die technische Notrufanlage zu handhaben. Hilfestellungen sind also nur punktuell erforderlich.

Das Merkzeichen B konnte schon deshalb nicht festgestellt werden, weil hierzu die Voraussetzungen des Merkzeichens G oder die des Merkzeichens H vorliegen müssten.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: SG Osnabrück