EU-Recht - 26. Oktober 2023

EuGH zur vorweggenommenen Beförderungsverweigerung – Anspruch auf Ausgleichzahlung

EuGH, Pressemitteilung vom 26.10.2023 zum Urteil C-238/22 vom 26.10.2023

Vorweggenommene Beförderungsverweigerung: Fluggäste haben selbst dann einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, wenn sie sich nicht zur Abfertigung eingefunden haben und mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Beförderungsverweigerung unterrichtet wurden

Eine Passagierin, der es nicht gelang, für ihren für den Folgetag gebuchten Flug von Frankfurt am Main nach Madrid online einzuchecken, nahm Kontakt zur Fluggesellschaft LATAM Airlines auf. Diese teilte ihr daraufhin mit, dass sie sie auf einen Flug am Vortag umgebucht habe, ohne sie davon zu unterrichten. Außerdem setzte sie die Passagierin davon in Kenntnis, dass sie wegen des Nichtantritts ihres Hinflugs für den Rückflug, der mehr als zwei Wochen später stattfinden sollte, gesperrt worden sei. Wegen dieser Beförderungsverweigerung für den Rückflug verlangte die Passagierin von LATAM Airlines eine pauschale Ausgleichszahlung von 250 Euro.

Das von der Passagierin angerufene deutsche Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob eine solche Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung1 voraussetzt, dass der Fluggast sich zur Abfertigung einfindet, obwohl das Luftfahrtunternehmen ihm im Voraus mitgeteilt hat, dass es ihn nicht an Bord nehmen werde. Ferner möchte es wissen, ob das Luftfahrtunternehmen – wie für Flugannullierungen vorgesehen – von seiner Ausgleichspflicht befreit werden kann, wenn es den Fluggast rechtzeitig im Voraus, d. h. mindestens zwei Wochen vor der geplanten Abflugzeit, über die Beförderungsverweigerung unterrichtet.

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die Ausgleichszahlung wegen Nichtbeförderung bei einer vorweggenommenen Beförderungsverweigerung selbst dann zu leisten ist, wenn der betroffene Fluggast sich nicht zur Abfertigung eingefunden hat. Hat das Luftfahrtunternehmen ihn im Voraus darüber unterrichtet, dass es ihm gegen seinen Willen die Beförderung auf einem Flug verweigern werde, für den er über eine bestätigte Buchung verfügt, wäre die Bedingung, sich zur Abfertigung einzufinden, nämlich eine unnötige Formalität.

Darüber hinaus entscheidet der Gerichtshof, dass der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung selbst dann besteht, wenn der Fluggast über die Beförderungsverweigerung mindestens zwei Wochen vor der geplanten Abflugzeit unterrichtet worden ist. Es besteht nämlich kein Grund, auf Nichtbeförderungen die ausschließlich für Flugannullierungen vorgesehene Regelung anzuwenden, wonach die Luftfahrtunternehmen von ihrer Verpflichtung befreit werden, Fluggästen eine Ausgleichszahlung zu leisten, wenn sie diese mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Flugannullierung unterrichten.

Fußnote

1 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs-und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1). Diese Verordnung findet grundsätzlich auf alle in der Europäischen Union startenden Flüge Anwendung sowie auf alle Flüge in die Union, wenn sie von einem Luftfahrtunternehmen der Union ausgeführt werden. Die darin u. a. für Fälle der Annullierung oder Nichtbeförderung vorgesehene pauschale Ausgleichszahlung beläuft sich – je nach Flugentfernung – auf 250, 400 oder 600 Euro

Quelle: EuGH