BRAK, Mitteilung vom 20.09.2023
Wenn das beA streikt, ist es zulässig, zunächst eine Ersatzeinreichung vorzunehmen und am selben Tag die Glaubhaftmachung nachzuschieben, so der BGH.
Wenn das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nicht funktioniert, ist gem. § 130d Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) eine Ersatzeinreichung möglich. Diese ist laut bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zwar grundsätzlich gleichzeitig auch darzulegen und glaubhaft zu machen – es sei denn, es droht unmittelbar der Fristablauf. Doch als „gleichzeitig“ und damit als rechtzeitig gilt es laut einer aktuellen BGH-Entscheidung auch, wenn die Darlegung und Glaubhaftmachung am selben Tag wie die Ersatzeinreichung erfolgt (Zwischenurteil vom 25.07.2023, Az. X ZR 51/23).
In einem Patentverfahren wollte ein Rechtsanwalt am Tag des Fristablaufs die Berufungsschrift per beA ans Gericht übermitteln – doch ganze 12 Versuche innerhalb von knapp sechs Stunden blieben erfolglos. Laut Meldung auf der Seite des Gerichtspostfachs waren u. a. die Bundesgerichte seit dem vorherigen Tag „vorläufig nicht erreichbar“. Also versendete er die Berufungsschrift sofort per Fax, im Wege der Ersatzeinreichung nach § 130d ZPO. Etwa 5 Stunden später, aber noch am selben Tag, folgte die Darlegung und Glaubhaftmachung der Gründe, aus denen die Ersatzeinreichung notwendig war. Die Klägerin in dem Streitfall hielt das Rechtsmittel für unzulässig, weil die Begründung für die Ersatzeinreichung nicht zusammen mit der Berufungsschrift übermittelt worden sei.
BGH: Nachschub am selben Tag gilt noch als „gleichzeitig“
Der BGH sah das aber anders und bestätigte, dass die Berufungsschrift fristgerecht eingereicht worden und auch die Glaubhaftmachung rechtzeitig erfolgt sei. Gemäß § 130d Satz 3 ZPO ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Nach der Rechtsprechung des BGH habe die Glaubhaftmachung danach möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen. Eine unverzügliche Nachholung komme ausschließlich dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt das technische Defizit erst kurz vor Fristablauf bemerke und ihm daher nicht mehr genügend Zeit für die gebotene Darlegung und Glaubhaftmachung verbleibe.
Eine noch am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingegangene Darlegung und Glaubhaftmachung sei jedoch als „gleichzeitig“ im Sinne dieser Grundsätze anzusehen. Zwar sollte die Ersatzeinreichung so schnell wie möglich begründet werden. Dabei dürfe aber nicht außer Acht gelassen werden, dass Fristen grundsätzlich bis zum Ende des betreffenden Tages ausgenutzt werden dürften. Daher sei es nicht zu beanstanden, wenn Ersatzeinreichung und Darlegung sowie Glaubhaftmachung am gleichen Tag mit zwei getrennten Schriftsätzen übermittelt würden. Außerdem wäre alles ebenfalls rechtzeitig gewesen, wenn der Anwalt die Berufungsschrift zusammen mit dem zweiten Schriftsatz erneut übermittelt hätte – das wäre aber angesichts der Tatsache, dass das Gericht die Berufungsschrift ja schon hatte, „leere Förmelei“ gewesen, so der BGH.
Quelle: BRAK