Zivilprozessordnung - 5. April 2024

Zweites Versäumnisurteil – Anwälte müssen ausreichend Zeit für Verhandlungen einplanen

BRAK, Mitteilung vom 05.04.2024 zum Beschluss VIII ZB 47/23 des BGH vom 30.01.2024

Wer für einen kranken Kollegen unwichtige Termine wahrnimmt, kann sich nicht auf die Verschiebung des eigenen Verhandlungstermins verlassen.

Wer den Einspruchstermin nach einem ersten Versäumnisurteil verpasst, muss einen „erheblichen Grund“ im Sinne des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO darlegen, um einen Anspruch auf eine Terminsverlegung zu haben. Die Tatsache, dass ein Anwalt einen kranken Kollegen in zwei eher unwichtigen Angelegenheiten vertrat und dadurch seine eigene Verhandlung verpasste, reichte dem BGH nicht. Auch die Tatsache, dass der Anwalt für die Vertretungstermine weniger Zeit veranschlagt hatte, half als Begründung nicht. Denn ein Prozessbevollmächtigter müsse eine angemessene Zeit über den in der Ladung vorgesehenen Verhandlungsbeginn hinaus bei Gericht einplanen, so der BGH (Beschluss vom 30.01.2024, Az. VIII ZB 47/23).

In dem Fall hatte das Landgericht Aachen bereits ein Versäumnisurteil erlassen, am 9. Dezember 2022 um 13 Uhr stand der Verhandlungstermin über den Einspruch an. Kurz vorher ließ der Anwalt dem Gericht über seine Kanzlei mitteilen, er befinde sich derzeit noch „im Gerichtsgebäude in Essen“ und werde nicht vor 14.30 Uhr zu dem Einspruchstermin in Aachen erscheinen. Der Grund dafür war, dass er kurzfristig zwei Gerichtstermine um 11.00 Uhr und 11.15 Uhr in Essen für einen kranken Kollegen übernommen hatte. Die dort verhandelten Angelegenheiten beschrieb er später selbst als nicht besonders wichtig. Er hatte ursprünglich weniger Zeit für diese Termine eingeplant. Doch bereits der erste Termin dauerte bis 11.30 Uhr, der zweite sogar bis 13 Uhr. Nachdem er um 13.20 Uhr nicht in Aachen erschienen war, erging in seiner eigenen Angelegenheit ein zweites Versäumnisurteil. Die Berufung dagegen hat das OLG verworfen. Die Rechtsbeschwerde hiergegen hat der BGH nun als unzulässig abgewiesen.

BGH: Keine erheblichen Gründe, sondern unwichtiger Sachverhalt und zu knappes Timing

Eine Terminsverlegung oder -vertagung setze einen erheblichen Grund voraus (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ein solcher könne vorliegen, wenn der Prozessbevollmächtigte kurzfristig und nicht vorhersehbar an der Wahrnehmung des Termins gehindert sei und das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen. Diese Voraussetzungen seien hier aber nicht erfüllt.

Der Anwalt habe schon zu Beginn der zweiten Verhandlung in Essen um 11.30 Uhr nicht mehr von einer rechtzeitigen Ankunft beim Landgericht Aachen ausgehen durfte. Unabhängig von der Dauer der Fahrzeit von Essen nach Aachen habe er weder von einem pünktlichen Beginn der Sitzung noch von einer kurzen Dauer sicher ausgehen dürfen. Denn der zeitliche Verlauf einer Sitzung lasse sich erfahrungsgemäß nicht zuverlässig voraussagen. Ein Prozessbevollmächtigter müsse sowohl einen späteren Beginn als auch eine längere Dauer mit einkalkulieren und sich einen entsprechenden Puffer einplanen.

Auch sonst hätte er sich nicht darauf verlassen dürfen, das LG werde den Termin wegen der Kollision verschieben. Aus der Begründung werde schon nicht deutlich, dass der Termin des Kollegen bereits früher anberaumt worden war als der verpasste eigene Termin. Zudem hatte der Anwalt selbst vorgetragen, dem in Essen verhandelten Rechtsstreit habe ein einfach gelagerter Sachverhalt zugrunde gelegen. Schließlich sei er selbst nicht Sachbearbeiter dieses Verfahrens gewesen, sondern der Krankheitsvertreter.

Vor diesem Hintergrund sei es auch unerheblich, ob der Krankheitsvertreter seine Mitarbeiter schon um 11.30 Uhr gebeten habe, das LG in Aachen über seine voraussichtliche Verspätung zu informieren und um eine Terminsverlegung zu ersuchen. Denn der Anwalt habe ohne den Vortrag erheblicher Gründe nicht darauf vertrauen dürfen, seinem Verlegungsantrag werde entsprochen.

Quelle: BRAK