Die Gesetze der Quantenphysik haben vor langer Zeit die damaligen Erkenntnisse der Naturwissenschaft auf den Kopf gestellt. Bald könnten Quantenrechner dasselbe mit den bisherigen Computern tun.
Er war einer der großen Helden der US-Raumfahrt – und ist dabei noch nicht einmal zum Mond geflogen: John Glenn, der im vergangenen Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, war der erste US-Amerikaner, der in einem Raumschiff die Erde umkreiste. Danach zählte er zu den Astronauten, die die amerikanische Öffentlichkeit als Held feierte – und durfte zugleich, so will es die Legende, aus genau diesem Grund nicht mehr ins All fliegen, um sein Leben nicht aufs Spiel zu setzen. Erst einige Jahrzehnte später umkreiste der 77-jährige Glenn mit dem Spaceshuttle erneut die Erde. Glenns Orbitalflug jährt sich in diesem Februar zum 60. Mal – in einer Zeit, in der bereits diverse Unternehmer zahlenden Kunden Ausflüge in den Weltraum ermöglichen. In einer Zeit, in der selbst Science-Fiction-Schauspieler wie der frühere Star-Trek-Darsteller William Shatner ihren Weg ins echte All finden. Shatner ist mit 90 Jahren zugleich der älteste Mensch, der je in den Weltraum flog.
(K)ein Quantensprung?
Wenn man diese Ereignisse und Entwicklungen von vor 60 Jahren mit denen von heute vergleicht, kommt einem der Begriff Quantensprung leicht über die Lippen. Obwohl dies – rein physikalisch betrachtet – eigentlich der falsche Terminus für derartige Fortschritte ist. Denn im ersten Atommodell, das Elemente der Quantenmechanik enthielt, bezeichnete der Quantensprung doch eher winzige Veränderungen im Inneren von Atomen.
Trotzdem ist der Begriff einer radikalen Veränderung in einer anderen Hinsicht passend. Denn die Erkenntnisse, die mit diesem Terminus einhergingen, haben für einen Paradigmenwechsel in der Naturwissenschaft gesorgt. Die Quantenphysik legte gleichermaßen das Fundament für eine weitere revolutionäre Entwicklung, mit der wir in den kommenden Jahren konfrontiert sind: dem Quantencomputing. War die Welt der Computer bislang die Welt der Nullen und Einsen, geht es in Quantencomputern anders zu. Sie funktionieren mit Qubits – also mit Quantenbits. Ein Qubit kann nicht nur Eins und Null darstellen, sondern theoretisch unendlich viele Zustände dazwischen – und das gleichzeitig.
Alles auf einmal – und das schnell
Die Gesetze der Quantenphysik sind schwer vorstellbar, sie lassen sich in unserem Lebensalltag nirgends beobachten. Die Arbeitsweise beschreiben Expertinnen und Experten bildhaft mit einem Labyrinth: Wo der normale Computer jeden Weg einzeln geht, um bei einer Sackgasse zurückzulaufen und die nächste Route auszuprobieren, testet der Quantenrechner alle Wege gleichzeitig und findet so viel schneller heraus. Sprich, die Leistungsfähigkeit eines Quantencomputers ist wesentlich höher. Theoretisch – denn gegenwärtig wird noch viel geforscht, nur wenige Rechner sind bislang in Betrieb. Zudem sind Quantenzustände noch störanfälliger als traditionelle Computer, was die Entwicklung neuer Algorithmen beeinträchtigt.
Dennoch reden wir hier über eine Zukunftstechnologie, die neues Wissen generieren kann. Die denkbaren Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und vor allem dort attraktiv, wo viele Faktoren in einem komplexen und wechselseitigen Zusammenspiel berechnet werden müssen. In Deutschland ist bereits im vergangenen Jahr der erste Quantencomputer in Betrieb genommen worden; der Bund will bis 2025 zusätzliche zwei Milliarden Euro in dem Bereich investieren.
Der Quantenrechner also als der Supercomputer der Zukunft? Fest steht, dass nicht nur in der Medizin und in der Klimaforschung Quantenrechner nützlich sein könnten. Auch beim Verarbeiten von Big Data und im Umgang mit künstlicher Intelligenz könnte es den viel zitierten Quantensprung geben. Und in der Tat liegen andere Anwendungen der Quantenphysik schon jetzt im Bereich des Machbaren – Beispiel Verkehrsflussoptimierung und Routenplanung.
Trotzdem bleiben gegenwärtig noch die technischen Herausforderungen, die Fehleranfälligkeit der Quantencomputer und der damit verbundene begrenzte Einsatz der Rechner. Wie weit wir in der praktischen Umsetzung noch entfernt sind von dem Niveau, das uns die heutige IT bietet, lässt sich zurzeit nur schwer ermessen. Am Ende ist es wie mit der ersten bemannten Erdumkreisung: Erst in der Retrospektive ist es uns möglich, die tatsächliche Bedeutung von bahnbrechenden Entwicklungen in Wissenschaft und Technik zu erfassen.