Umsatzsteuer kurios - 13. Februar 2019

Der Würstelstand am Donaustrand

Den Besuch des katho­lisch ge­präg­ten Regens­burg werden sechs Touristen aus dem Rhein­land wohl nie ver­gessen. Der Verzehr von Rost­brat­würsten am Kar­freitag war nicht nur religiös be­denk­lich, er machte zudem auch umsatz­steuer­liche Probleme.

Die Steinerne Brücke in Regensburg gehörte im Mittelalter zu den Weltwundern der damals bekannten Welt. Auch noch heute beeindrucken die sieben Bögen, die sich über 250 Meter über die Donau spannen. Direkt am Fuße der Steinernen Brücke befindet sich eine der ältesten Gaststätten Deutschlands, die heute noch existiert. Spezialität sind Bratwürste, entweder serviert als „Sechs auf Kraut“, dazu ein Kipferl – ebenfalls eine Spezialität – und ein Klecks süßen Senfs als dritte regionale Spezialität. Für Touristen aus Aachen wurde der Besuch dieser Traditionsgaststätte aufgrund eines umsatzsteuerlichen Problems derart unvergesslich, dass sie ihre Eindrücke gleich in einem Bewertungsfportal weltweit dokumentieren mussten. Sie hätten sich eine Bratwurst im Brötchen gekauft, wollten sich hinsetzen, wurden aber rüde zum Weggehen verdonnert. In der Gastronomie umsatzsteuerlich bewanderte Menschen erkennen sofort das Problem: Die Bratwurst in der Hand bedingt sieben Prozent Umsatzsteuer, setzt sich der Gast jedoch auf die Bank, 19 Prozent. Den hungrigen Touristen in Regensburg kostet die Regensburger Bratwurst aber immer gleich viel, dem Würstchenbrater bleibt also weniger Umsatz. Das Problem − sitzen oder nicht sitzen beziehungsweise sieben oder 19 Prozent − ist aber nicht auf die Donaumetropole beschränkt. In einer Eisdiele in Sachsen ist auf einem Hinweisschild im Außenbereich sogar von „Steuerhinterziehung“ zu lesen, wenn der Gast sich mit der Eistüte hinsetzen würde. Weil das Eis nicht so gut schmeckte und das Personal zudem unfreundlich war, möchte ich den Namen des Orts lieber für mich behalten.

Die guten Zeiten sind vorbei

Erfolgschancen sind vorsichtig zu beurteilen, das Pendel des Steuerrechts ist erheblichen Kursschwankungen unterworfen.

Nicht für mich behalten möchte ich aber die Aussage meines Repetitors für das Steuerberaterexamen. „Die Umsatzsteuer war einmal die einfachste Steuer im deutschen Steuerrecht.“ Alles würde sich aus dem Gesetz ergeben. Es gebe wenig Richterrecht, also nicht so etwas wie eine schwer zu erkennende, oft nur im Rahmen der Betriebsprüfung bemerkte Betriebsaufspaltung. Daher waren die Umsatzsteuerrichtlinien (jetzt: Umsatzsteuer-Anwendungserlass) auch das dünnste Heft im Kanon der Verwaltungsanweisungen. Doch die Zeiten der einfachen Umsatzsteuer sind vorbei.

Produkte aus Flora und Fauna

Ein sehr plastisches Beispiel bietet gerade zur Weihnachtszeit der Verkauf von Weihnachtsbäumen. Ist dieser künstlich hergestellt, beträgt die Umsatzsteuer 19 Prozent (§ 12 Abs. 1 UStG). Beim natürlich gezogenen Weihnachtsbaum kommt es hingegen auf den Verkäufer an. Handelt es sich um einen normalen Gewerbetreibenden, unterliegt der Verkauf grundsätzlich dem ermäßigten Umsatzsteuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 9 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG). Ist hingegen ein Landwirt betroffen, kommt es darauf an, ob dieser Durchschnittsbesteuerer gemäß § 24 UStG ist: Falls nein, beträgt die Umsatzsteuer sieben Prozent wie beim Gewerbetreibenden (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 9 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG); falls ja (Pauschalierer nach § 24 UStG), kommt es dann darauf an, ob der Weihnachtsbaum aus einer Sonderkultur stammt (10,7 Prozent Umsatzsteuer gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG) oder im normalen Forstbetrieb gewachsen ist (5,5 Prozent Umsatzsteuer gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG).
Apropos Naturprodukte: Oft kann ein Schnitt schon den Unterschied machen. Denn Schnittblumen unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 9 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG). Und auch beim Wasser muss differenziert werden. Denn das Wasser aus der Leitung unterliegt dem ermäßigten Umsatzsteuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 34 Halbsatz 1 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG). Wird das gleiche Wasser jedoch in Flaschen abgefüllt, verdampft und als Wasserdampf geliefert oder handelt es sich gar um Heilwasser, unterliegt es dem Regelsteuersatz (vgl. Nr. 34 Halbsatz 2 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG; weitere Einzelheiten in Koss, MwStR 2015, 209).

Weitere Ausnahmen

Wer in einem Hotel übernachtet, muss aufpassen, dass die Übernachtung mit sieben Prozent (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG) versteuert wird, das Frühstück hingegen aber mit 19 Prozent (§ 12 Abs. 1 UStG). Und auch Hunde (19 Prozent) stolpern zuweilen über die Umsatzsteuer, wenn sie über einen Eckstein (19 Prozent) springen, denn sofern es sich um einen Blindenhund handelt, beträgt die Umsatzsteuer lediglich sieben Prozent. Spätestens an dieser Stelle wird der allzu verständliche Ruf nach einer radikalen Vereinfachung des Umsatzsteuerrechts laut.

Fotos: Foodcollection / Getty Images

Zum Autor

CK
Prof. Dr. Claus Koss

Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in eigener Kanzlei und Dozent in Regensburg; Gesellschafter-Geschäftsführer der Numera GmbH StBG WPG

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