Sie ist der Versuch, unser Tun und Lassen in der digitalen Welt nach unserem Verständnis von Richtig und Falsch auszurichten. Sehen wir einmal, was dies genau bedeutet.
Wenn wir ein Thema ethisch beleuchten, denken wir über die Richtigkeit unseres Handelns und Denkens nach. Wir überlegen, ob die Werte, die uns dabei leiten – unsere Moralvorstellungen –, aktuell und angemessen sind. Als angewandte Philosophie ist Ethik ganz Lebenspraxis, sie reflektiert unsere Moral und unterzieht sie der Kritik: Was legitimiert unser Urteil über Gut und Böse? Gibt es so etwas wie eine Universalgrammatik der Moral, die wir Menschen aus dem historischen Gedächtnis unserer Art abrufen können? Oder muss ethisches Abwägen durch Erziehung, Erfahrung, Tradition ganz individuell erworben werden? Lässt sich Ethik auf ein rationales Fundament stellen? Davon war Immanuel Kant überzeugt und hat dies in seinem kategorischen Imperativ auf eine stringente Formel gebracht, deren wunderbare Klarheit bis heute unübertroffen ist. Doch wie steht es um die Verlässlichkeit unserer moralischen Vorstellungen? Handelt es sich bei ihnen möglicherweise um nicht mehr als ein vages Gefühl, eine leicht korrumpierbare Aktivität im ventromedialen präfrontalen Cortex, dem physiologischen Sitz unseres Moralempfindens, wie manche Hirnforscherinnen und Hirnforscher glauben? Wie wichtig ist folglich eine Ethik, um dieses Gefühl zu begründen?
Auf dem Weg zum Guten: überlegen und abwägen
Gehen wir es pragmatisch an und verstehen digitale Ethik als die Frage danach, welche Werte uns leiten, wenn wir digitale Technologien entwickeln und nutzen, welche Prinzipien uns dabei wichtig sind, welche Freiheiten wir damit gemeinsam erreichen und bewahren wollen. Zur praktischen Aufgabe einer solchen Ethik wird dann die Begründung und Formulierung unse rer eigenen Anspruchshaltung: Wie können wir Digitalisierung gemeinsam auf eine gute Weise gestalten? Dabei bleibt uns bewusst: Nicht alles, was zu einem bestimmten Zeitpunkt legal und rechtlich unproblematisch erscheint, ist damit schon gleichzeitig ethisch legitim, soweit wir uns der Rechtschaffenheit verpflichtet fühlen – und das tun wir.
Wie uns digitale Ethik unterstützt
Als Teilgebiet der Ethik bezieht sich digitale Ethik damit insbesondere auf die vielschichtigen technologischen Gestaltungsmöglichkeiten, die unser Leben im 21. Jahrhundert prägen: Die Fragen, die wir mit ihr beantworten, erwachsen aus den völlig neuen Möglichkeiten, die beispielsweise datenanalytische Verfahren mit sich bringen. Beispiele: Welchen Spielraum wollen wir algorithmischen Empfehlungen zuerkennen – etwa bei Kreditvergaben, Stellenbesetzungen, medizinischer Diagnostik, Tarifgestaltung im Versicherungswesen? Wie steht es um die Verantwortung für die Folgen maschineller Funktionalität, etwa bei sich autonom bewegenden Fahrzeugen? Welche Haltung nehmen wir gegenüber der Datensouveränität des Einzelnen ein, wenn Datenverarbeitung unser tägliches Leben begleitet – beim Einchecken im ICE, auf Streaming-Plattformen, bei der Kartenzahlung an der Supermarktkasse? Auch die uralte Frage nach dem rechten Maß stellt sich ganz neu, wenn wir das Gemeinwohl gegen individuelle Grundrechte abwägen. Auch hier ein Beispiel: Digitale Technologien ermöglichen es einerseits, Gesundheitsdaten aus der ganzen Welt zu erheben und zu analysieren, um neue Behandlungsmethoden zu entwickeln, die Heilungschancen zu erhöhen und Menschen das Leben zu retten. Andererseits ist darauf zu achten, dass bei diesen sensiblen Daten die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen gewahrt bleiben. Anders ausgedrückt: Unsere Gesellschaft sieht die Würde jedes Menschen als unantastbar an und sieht das Individuum niemals als Objekt, dessen Rechte wir zugunsten des Gemeinwohls beschneiden dürfen. Doch dies gilt nicht überall. Die Volksrepublik China macht es auf beängstigende Weise vor. Eine nahezu totale Überwachung des Individuums im öffentlichen Raum ist dort eine weitgehend unumstrittene Praxis: KI-basierte Gesichtserkennung, lückenlose Bewegungsdokumentation oder Nachverfolgbarkeit finanzieller Aktionen bei Zurückdrängung des Bargelds. In Verbindung mit dem, was wir alle gewollt oder ungewollt durch die tägliche Nutzung des Internets preisgeben, lassen sich – rein technisch betrachtet – heute schon ganze digitale Biografien in einem Detailliertheitsgrad erstellen, der schwindelig machen kann. Vor diesem Hintergrund bleibt es umso wichtiger, sich an den Grundwerten zu orientieren, die unseren Rechtsstaat prägen – immer dann, wenn wir ethisch abwägen, auch im Zusammenhang mit digitalen Technologien.
Datenethik bei DATEV
Inwieweit affiziert all dies in besonderer Weise auch DATEV? Es tut dies, weil im Nürnberger Rechenzentrum ungeheure Datenmengen zusammenfließen. Diesen Schatz als großes gemeinsames Potenzial zu heben, bedeutet für uns gleichzeitig auch: Wenn wir Mehrwerte für uns alle schaffen, wollen wir dabei gleichzeitig unsere DATEV-Werte lebendig halten und dies in bewährter, vertrauensvoller Zusammenarbeit tun – datenschutzkonform und datenethisch. Wir arbeiten an der Frage, wie wir unseren Werkzeugkasten an neuen Technologien wertschöpfend einsetzen und dabei deren reinen Tool-Charakter wahren. Entscheidungsinstanz ist und bleibt der Mensch. So bedarf es beispielsweise eines ethisch geleiteten Entwurfs von künstlicher Intelligenz, der sämtliche schützenswerten Rechtsgüter verteidigt und sich gleichwohl mit dem technischen Fortschritt verbindet. Damit ist Datenethik ein Kernbestandteil unserer Corporate Responsibility und unserer Nachhaltigkeitsstrategie, womit wir eigenmotiviert prüfen, wie wir Innovationen wertorientiert vorantreiben und Datensouveränität genossenschaftlich gestalten. Besonders bedeutend ist und bleibt hier die Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern und Stakeholdern: Wie wir mit neuen Technologien Zukunft gestalten und gleichzeitig unsere hohen DATEV-Standards leben – darüber wollen wir mit Ihnen im Dialog bleiben.
Unsere DATEV-Werte – unser Fundament
Um dies als festes Element in unseren Entscheidungsprozessen noch greifbarer zu machen, haben wir unsere DATEV-Werte bei der Datenverarbeitung in einer seit Juli 2021 gültigen Datenethik-Leitlinie verbindlich fixiert. Sie macht deutlich, welche Werte uns bei der Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern und Stakeholdern leiten. Wir nehmen unsere Verantwortung bewusst wahr: als maßstabsetzendes IT-Unternehmen und als Marktführer. Honoriert haben das auch der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und Bayern Innovativ: Datenethik bei DATEV wurde 2021 mit dem Corporate Digital Responsibility Award ausgezeichnet. Vertrauenswürdig, leistungsstark, partnerschaftlich, führend – das sind die Kernwerte, die DATEV ausmachen. Unsere gemeinsame Arbeit nach ihnen auszurichten, bleibt für uns entscheidend – bei datengetriebenen Geschäftsmodellen und der Prozessautomatisierung mithilfe neuer Technologien genauso wie bei Fragebögen oder Fotografien von Gästen auf Konferenzen. Datenethische Grundsätze sind Grundlage für Datenverarbeitung bei DATEV – heute und in Zukunft.