Die Genossenschaft und die Corona-Krise - 29. Mai 2020

„Näher zusammengerückt“

Stefan Meisel leitet bei DATEV den Außendienst. Im Interview blickt er auf die Corona-Krise und die Auswirkungen auf die Genossenschaft, ihre Mitglieder und die Digitalisierung.

Herr Meisel, seit knapp drei Monaten sind Sie so eine Art Krisenmanager bei DATEV. Als Leiter Außendienst spüren Sie ganz unmittelbar die Folgen der Corona-Krise für die Mitglieder der Genossenschaft und deren Mandanten. Was war für Sie der bislang prägendste Moment der vergangenen Monate?

Ich war sehr beeindruckt, wie schnell und flexibel viele Mitglieder auf Online-Betrieb umgestellt, ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt haben und weitestgehend problemlos weiterarbeiten konnten. Steuerberater gelten in der Außenwahrnehmung gerne als rückständig. Ich denke, viele Kanzleien haben Gegenteiliges gezeigt. Zudem hat der Berufsstand bewiesen, wie schnell und nachhaltig er seine Mandanten unterstützen kann, von denen einige ja in existenzielle Krisen gerutscht sind. Und was mich natürlich besonders gefreut hat: Mitglieder und DATEV rücken näher zusammen und bilden eine Solidargemeinschaft. Nie war der Genossenschaftsgedanke lebendiger als in der Corona-Krise.

Auch DATEV hat schnell auf die Krise reagiert und ein vielfältiges Unterstützungsangebot aufgesetzt. Wenn Sie in den Markt hineinhören: Was waren für Mitglieder und Mandanten die wichtigsten Angebote?

Innerhalb kürzester Zeit konnten wir unseren Mitgliedern eine bunte Palette an verschiedenen Unterstützungsangeboten sowohl für die eigene Kanzlei als auch für die Mandanten zur Verfügung stellen. Dabei haben wir drei Themenstellungen im Fokus gehabt. Zuerst ging es darum, unsere Mitglieder arbeitsfähig zu halten, sie also dabei zu unterstützen, die Mitarbeiter im Homeoffice an die Kanzleiprozesse anzubinden. Und dann standen und stehen auch immer noch zwei große Mandantenthemen im Mittelpunkt: Kurzarbeit und Liquidität, mit vielen gesetzlichen Anpassungen und Fördermitteln, die je nach Bundesland ganz unterschiedlich gestaltet sind. Hier haben wir zum Beispiel mit unserer Corona-Fördermittel-App ein Angebot geschaffen, das sehr gut ankommt. Auch unsere Lernvideos und Online-Seminare wurden bislang sehr, sehr oft gebucht. Diese Angebote haben wir auch kostenlos zur Verfügung gestellt. Des Weiteren wurden Veranstaltungen wie die Regional-Info-Tage auf Online-Formate angepasst. Mittlerweile läuft aufgrund der großen Nachfrage bereits die zweite Staffel erfolgreich über unsere Online-Plattform, immer mit aktuellen Vorträgen.

Wie fällt das bisherige Feedback der Kunden, das Sie erhalten, allgemein aus?

In solch einer Krisensituation zeigt sich, wie wichtig es ist, einen starken Partner an seiner Seite zu haben. Das spiegelt sich auch besonders in unserem genossenschaftlichen Gedanken wieder –füreinander da sein. In den Gesprächen mit unseren Mitgliedern und deren Mandanten hat sich dies auch besonders gezeigt. Die Zufriedenheit mit ihrer DATEV ist so hoch, wie lange nicht mehr. Dies beruht aber auf der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern und der gesamten DATEV-Mannschaft. Gemeinsam konnten wir schnell die Anforderungen erkennen und in Lösungen umsetzen. Ich selbst war vergangene Woche bei einer größeren Kanzlei im Allgäu. Da kam mir auch viel Dankbarkeit entgegen. Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen, Corona wird noch viele Herausforderungen für unsere Mitglieder und uns bereitstellen.

Mittlerweile befindet sich Deutschland in der Lockerungsphase. Auch DATEV tritt in Phase zwei der Corona-Strategie ein, nach dem Shutdown seit Mitte März gehen die Aktivitäten nun in den Restart über. Welche Ausrichtung nimmt die Unterstützung jetzt?

Wirtschaft und soziales Leben fahren wieder hoch – die Phase zwei der Corona-Pandemie beginnt also nicht nur bei uns, sondern in ganz Deutschland, ja Europa. Nun geht es darum, mittelfristig den sicheren Wiederanlauf unserer Kunden mit Online- und Vor-Ort-Beratungen sowie Schulungen von DATEV gemeinsam aktiv und sicher zu begleiten. Wir setzen also auch in dieser Phase stark auf Kollaborations-Tools und Videokonferenzsysteme. Nicht nur für den Austausch zwischen DATEV und unseren Kunden, sondern auch für den unserer Mitglieder mit deren Mandanten. DATEV berät und schult Kanzleien und Unternehmen deshalb zunehmend digital. Mit Beratungen online, Dialogseminaren online und Lernvideos online – es gibt eigentlich kein Thema, zu dem es keine Fortbildung oder Beratung gibt. Zudem merken wir, dass die betriebswirtschaftliche Beratung durch die Krise enorm an Bedeutung gewonnen hat. Viele Unternehmen taten sich bislang ja schwer, sich von ihrem Steuerberater auch betriebswirtschaftlich beraten zu lassen, und auch viele Steuerberater haben dieses Thema nicht immer so intensiv angepackt. Das ändert sich jetzt, und auch dafür haben wir Angebote.

Bislang gab es zahlreiche kostenfreie Sonderangebote für Kunden. Bei den neuen Angeboten werden jetzt wieder Kosten erhoben. Warum?

In der Lockdown-Phase haben wir innerhalb kurzer Zeit schnell und unkompliziert verschiedenste kostenfreie Hilfspakete bereitgestellt. Wir wollten die Handlungsfähigkeit von unseren Mitgliedern und deren Mandanten sichern, teilweise mussten Prozesse quasi über Nacht neu gedacht werden. Kanzleien hatten in der Phase auch überhaupt keine Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, ob sie ein Angebot zu Preis X annehmen können oder nicht. Deshalb haben wir viele Kosten ausgesetzt, zumal wir ja eine Genossenschaft sind. Aber wir sind natürlich auch ein Wirtschaftsunternehmen. Nun, in der zweiten Phase können viele dieser Themen und Anforderungen in unser bestehendes Portfolio überführt und als kostenpflichtiges Angebot dauerhaft etabliert werden. Die aktuellen Nachfragen und Handlungsfelder werden wir mit unseren standardisierten und individuellen Produkten natürlich weiterhin begleiten.

DATEV öffnet die Niederlassungen wieder – auch für Präsenzseminare. Welche Schutzmaßnahmen wurden dafür getroffen?

Der Wiederanlauf in den Niederlassungen gestaltet sich aufgrund der Vorgaben der Behörden als sehr aufwendig. Wir haben dennoch alles Nötige dafür getan, um in unseren Niederlassungen wieder ein Stück Normalität einkehren zu lassen. Es war uns sehr wichtig die Niederlassungen baldmöglichst, wenn auch nicht in Vollbesetzung wieder zu öffnen, sowohl unseren Mitarbeitern als auch unseren Kunden eine sichere Anlaufstelle für den Austausch zu bieten. Die Abstandsregeln in den Büroräumen bereitete uns wenig Probleme, da in der Regel nur wenige Mitarbeiter anwesend sind. Die Versorgung mit der notwendigen Ausrüstung wie Schutzmasken und Desinfektionsmittel für unsere Niederlassungen und Außendienstmitarbeiter erfolgt zentral aus Nürnberg. Deutlich komplizierter ist die Organisation des Schulungsbetriebs in den Niederlassungen, zu dem Kunden die Räumlichkeiten betreten. Ab Juni starten wir nun wieder mit Präsenzseminaren in den Regionen. Die Anzahl der Plätze in den Seminarräumen wird deutlich reduziert, um die Abstandsregeln einzuhalten. Wir können bis auf Weiteres nur die Hälfte der sonst vorgesehenen Seminarplätze anbieten. Darüber hinaus installieren wir an den Referentenplätzen Schutzvorrichtungen aus Plexiglas. Seminarteilnehmer erhalten von uns zwei Schutzmasken, eine für den Vormittag, eine für den Nachmittag. Nach den ersten ein, zwei Wochen Seminarbetrieb setzen wir uns zusammen, tauschen Erfahrungen aus und schauen, wie wir weitermachen.

Wie sieht die Kundenberatung derzeit aus? Sind auch wieder Termine bei den Kunden vor Ort angedacht?

Das entscheiden in erster Linie unsere Kunden, denn glücklicherweise sind wir so aufgestellt, dass wir vieles sowohl online als auch vor Ort anbieten. Wir waren ja auch schon in der Lockdown-Phase vereinzelt bei Kunden vor Ort. Bei IT-Projekten zum Beispiel muss die Präsenz gewährleistet sein. Wir fahren ab Juni den Vor-Ort-Betrieb auch wieder hoch, allerdings mit Einschränkungen. Kolleginnen und Kollegen, die zur Risikogruppe zählen, fahren noch nicht wieder zu Kunden. Zudem gelten auch für uns die allgemein bekannten Abstandsregelungen. Wir weisen auch alle Kunden auf die Präventionsmaßnahmen hin, die vor Ort in der Kanzlei eingehalten werden müssen. Passiert das nicht, haben unsere Kollegen die Anweisung, den Termin abzubrechen und wieder umzukehren. Es gilt weiterhin Safety first für alle Beteiligten. Dafür erhalten unsere Mitarbeiter auch ausreichend Masken und Desinfektionsmittel.

In der ersten Krisen-Phase haben sich digitale Angebote bewährt – sei es bei Schulungen, bei Beratungen oder in Notfallsituationen. Wird DATEV im Kundenkontakt künftig auch in der Nachkrisenzeit vermehrt auf digitale Angebote setzen?

Wir haben in den vergangenen Wochen viele Beratungen und Schulungen, die es bisher nur als Präsenzangebot gab, auf Online-Formate umgestellt. Unsere Kunden haben das gut angenommen. Allein für Dialogseminare online und Lernvideos online zum Kurzarbeitergeld konnten wir in den vergangenen Wochen rund 35.000 Buchungen verzeichnen. Erfreulich sind auch die 22.000 Neunutzer unserer Lernplattform online LEON. Moderne Eins-zu-eins-online-Beratungsformate machen es trotz Kontaktbeschränkungen möglich, produktnahe Themen und strategische Managementthemen optimal zu begleiten und den Kanzleialltag weiterhin perfekt zu unterstützen. Jetzt zahlt sich für unsere Kunden aus, dass wir schon frühzeitig auf ein breites Online-Portfolio gesetzt haben. Bislang lag der Online-Anteil bei unseren Beratungen und Schulungen bei rund 13 Prozent und ist von Jahr zu Jahr nur marginal gestiegen. Wir sind gespannt, ob es jetzt einen Schub gibt. Aber klar ist natürlich auch: Die meisten Termine werden wieder von Angesicht zu Angesicht stattfinden, weil der persönliche Kontakt beidseitig sehr viel Wert ist.

Wie wirkt sich diese Krise Ihrer Einschätzung nach langfristig auf den Berufstand aus?

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass besonders in solchen Situationen der Berufsstand eine der wichtigsten Partner der Wirtschaft ist. Sowohl in seiner beratenden als auch unterstützenden Funktion hilft er seinen Mandanten mit all seinen Möglichkeiten, um das Fortführen jedes einzelnen Betriebs zu ermöglichen. Nicht grundlos wurde der Steuerberater in den Status der systemrelevanten Berufe gehoben. Langfristig wird sich meiner Einschätzung nach das Mandatsverhältnis noch mehr verstärken und der Steuerberater weiterhin zu den wichtigsten Partnern eines Unternehmers zählen. Also, gerade das Thema Kommunikation zwischen Berater und Mandant wird viel mehr an Bedeutung gewinnen. Und ich rechne ehrlich gesagt auch mit einem Digitalisierungsschub, weil sich jetzt in der Krise doch deutlich gezeigt hat, dass digitale Kanzleien und Mandanten besser durch die vergangenen Wochen gekommen sind als solche, die noch analoger unterwegs sind.

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TG
Thomas Günther

Redaktion DATEV magazin

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