Auflösung einer Erbengemeinschaft - 26. Januar 2023

Die Pattsituation beenden

Die gesetzliche Erbfolge kann häufig zu einem langjährigen Streit unter den Miterben führen. Als letzter Ausweg bleibt dann oft nur der Verkauf des eigenen Erbanteils.

Bei Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf – und leider auch die Familienbande. Das gilt besonders im Fall einer Erbschaft. Erben mehrere Familienmitglieder mangels Testament nach der gesetzlichen Erbfolge, landen sie automatisch in einer Erbengemeinschaft, die sich oft genug als Haifischbecken erweist. Dominante Miterbinnen oder Miterben leisten sich dort grobe Fouls, ohne dass ein Schiedsrichter das entsprechend ahndet. So werden Geschwister über Jahre hinweg bewusst gemobbt, damit sie schlussendlich bei der Auseinandersetzung des Erbes klein beigeben. Diesen emotionalen Stress bezahlt so mancher Miterbe mit Erkrankungen. Aus der Erbengemeinschaftsfalle kommt schnell nur wieder heraus, wer seinen Erbanteil verkauft. Und die Wahrscheinlichkeit, sich selbst als Erbe eines Tages in einer Erbengemeinschaft wiederzufinden, ist extrem groß. Nach einer Studie werden nur 21 Prozent aller Erben allein bedacht, 55 Prozent erben stattdessen gemeinsam mit Geschwistern und 34 Prozent mit anderen Verwandten oder Kindern. Das Problem dabei: Während man sich den eigenen Lebenspartner selbst aussuchen kann, wird der Erbe qua Testament, Erbvertrag oder per Gesetz bestimmt. Auf die Auswahl etwaiger Miterben hat man keinen Einfluss.

985.000 Erbfälle im Jahr 2020

In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Nettovermögen der privaten Haushalte in Deutschland auf 13,8 Billionen Euro mehr als verdoppelt. Davon könnten nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin jedes Jahr bis zu 400 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt werden. Im letzten Jahr gab es 985.000 Todesfälle in Deutschland. Die durchschnittliche Höhe dieser Erbschaften beläuft sich dabei real auf etwas mehr als 85.000 Euro pro Person. Die mit 63 Prozent häufigste Ursache, warum einzelne Erben sich der Auflösung der Erbengemeinschaft widersetzen, ist von Eigennutz geprägt. So ist das meist mietfreie Wohnen in der zur Erbengemeinschaft gehörenden Immobilie eine bequeme und lukrative Situation, die ein eigensinniger Erbe so lange wie möglich erhalten möchte. Als Made im Speck ist er jedoch das Ärgernis aller anderen Miterben. Der Erhalt des elterlichen Vermögens, Rachefeldzüge gegenüber Miterben oder auch die Gier nach mehr Einfluss in der Erbengemeinschaft sind weitere Beweggründe, die Erben zu einer Blockadehaltung hinsichtlich der Auflösung der Erbengemeinschaft bewegen.

Verkauf als Alternative?

Ist absehbar, dass sich der Streit um die Auseinandersetzung des Erbes über Jahre hinzieht, hat zumindest der einzelne Erbe die Möglichkeit, die Mitgliedschaft in der Erbengemeinschaft zu beenden. Als Rettungsanker bietet sich hier der Erbanteilsverkauf an. Mit dem Verkauf des Erbanteils gibt der Erbe seine komplette Rechtsposition auf und überträgt diese auf den Käufer. Dabei wird der Anteil am gesamten Nachlassvermögen und damit auch an den Nachlassverbindlichkeiten auf den Käufer übertragen – einschließlich des Risikos, vielleicht noch jahrelange Streitigkeiten mit den Miterben führen zu müssen. Besonders geeignet ist der Erbanteilsverkauf für Erben, die keine längere rechtliche Auseinandersetzung führen können, weil sie wirtschaftlich nicht in der Lage sind, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen. Auch Erben, die schnell Geld benötigen, weil sie zum Beispiel Erbschaftsteuer zahlen müssen oder anderweitig in Liquiditätsproblemen stecken, werden einen Erbanteilsverkauf in Betracht ziehen. Dasselbe gilt für Erben, die emotional und gesundheitlich schon sehr angeschlagen sind und durch einen weiteren Verbleib in der Erbengemeinschaft persönlichen Schaden nehmen würden.

Vorteile eines Erbanteilsverkaufs

Ein Erbanteilsverkauf ist relativ schnell umsetzbar, er kann innerhalb von nur zwei bis drei Monaten abgewickelt sein. Für den Verkäufer ist dies ein Weg, seinen bisher nur als abstrakte Quote vorliegenden Erbanteil unmittelbar in einen Geldbetrag umzuwandeln, ohne weitere finanzielle Eigenmittel für die Umsetzung aufbringen zu müssen. Denn die Kosten für Anwälte, den Notar und für Gutachten sowie etwaige Gerichtskosten übernimmt in der Regel der Käufer. Da der Verkauf keine vorherige Zustimmung durch die Miterben erfordert, kann man jederzeit an einen Dritten und damit Fremden verkaufen. Von Bedeutung dabei ist, dass die Nutzen und Lasten aus dem verkauften Erbanteil ebenfalls auf den Erwerber übergehen. Zwar besteht ein Vorkaufsrecht der Miterben gemäß § 2034 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), jedoch behindert es den Verkauf grundsätzlich nicht. Entweder kaufen die Miterben den Erbteil ohne Wenn und Aber oder sie müssen sich mit einem familienfremden Investor arrangieren. Wie nun ein Erbanteilsverkauf ablaufen kann, soll nachfolgend anhand eines Fallbeispiels erläutert werden.

Fallbeispiel

Die Mutter (M) von zwei Söhnen verstarb als letztlebender Elternteil vor zwei Jahren. Nach einem Berliner Testament erbten nach ihrem Tod die beiden Söhne Lars (L) und Philipp (P) als Schlusserben in Erbengemeinschaft zu gleichen Teilen. Zwischen den Brüdern gab es seit jeher kein besonders inniges Verhältnis. Zum Nachlass gehört ein Bankguthaben in Höhe von 120.000 Euro sowie das elterliche Zweifamilienhaus, in dem der ältere L seit einigen Jahren unentgeltlich im Obergeschoss wohnt. Einige Wochen nach der Beerdigung und nach Räumung der elterlichen Wohnung im Erdgeschoss regt der jüngere P an, dass man sich gemeinsam zusammensetzen solle, um nun auch die wesentlichen, wirtschaftlichen Dinge des Nachlasses zu regeln. Doch L reagiert nicht. Daraufhin wendet sich P an einen Rechtsanwalt, um sich in einem ersten Beratungsgespräch über seine Möglichkeiten aufklären zu lassen. Nach weiteren vier Wochen Funkstille mit seinem Bruder beauftragt P den Anwalt mit der Lösung dieses Konflikts sowie der Auflösung der Erbengemeinschaft. Der Anwalt versucht mithilfe mehrerer anwaltlicher Briefe und einer darin dargelegten klaren rechtlichen Position, auf konstruktive Lösungsvorschläge hinzuwirken. Alle Schreiben bleiben über Monate hinweg unbeantwortet. Erst nach Androhung von rechtlichen Schritten meldet sich dann ein gegnerischer Anwalt – jedoch ohne jegliche konstruktive Vorschläge zu unterbreiten oder zumindest einen Zeitrahmen zur Auflösung der Erbengemeinschaft zu nennen. Weitere Monate vergehen. Dem P wird klar, dass eine gerichtliche Auseinandersetzung unvermeidlich wird. Dies möchte er aber verhindern, da er sowohl das finanzielle als auch das zeitliche Risiko scheut beziehungsweise nicht tragen kann. Durch seinen Anwalt lässt P alternative Lösungswege prüfen, die auch ohne Zustimmung und Mitwirkung des Bruders umsetzbar sind. Der Verkauf des Anteils scheint daher die einzig gangbare Lösung zu sein, um zügig auch ohne Zustimmung des Miterben L aus der Erbengemeinschaft ausscheiden zu können.

Familienfremder Erwerber

Der Anwalt des P wendet sich daher an ein spezialisiertes Unternehmen, das via Internet eine Online-Fallprüfung anbietet. Nach Übermittlung aller relevanten Unterlagen, namentlich Erbschein, Testament und Grundbuchauszug, beginnen die Mitarbeiter des Unternehmens mit der Fallbearbeitung. Nach einiger Zeit erhält P das Ergebnis der Prüfung und ein darauf aufbauendes Angebot zum Verkauf seines Erbanteils. Da sich P darauf einlassen möchte, wird ihm ein Vertrag zur Übertragung seines Erbanteils übermittelt, den sein Anwalt prüfen wird. Kurze Zeit später kann dann schon die Beurkundung des Erbteilsübertragungsvertrags bei einem Notar nach Wahl des P stattfinden. Der Notar informiert nach der Beurkundung den Miterben L über dessen gesetzliches Vorkaufsrecht, das dieser innerhalb von zwei Monaten in Anspruch nehmen muss. Nach Ablauf dieser Vorkaufsfrist von zwei Monaten zugunsten des L erhält dann P den Kaufpreis direkt auf sein Konto überwiesen und scheidet damit aus der Erbengemeinschaft aus.

Berechnung des Angebotspreises

Zunächst einmal wird der Wert des Nachlasses ermittelt. Der Immobilienwert für das Zweifamilienhaus im voranstehenden Fallbeispiel beläuft sich auf circa 350.000 Euro, das noch nicht aufgeteilte Bankguthaben beträgt 120.000 Euro und ein entgangenes Nutzungsentgelt für die Wohnung im Obergeschoss über den Zeitraum von drei Jahren beläuft sich auf einen Betrag in Höhe von 36 Monaten mal 750 Euro Miete. Damit ergibt sich ein Nachlasswert in Höhe von circa 497.000 Euro. In einem zweiten Schritt muss dann der Wert des Erbanteils ermittelt werden. Die bestätigte Erbquote beträgt laut Testament 50 Prozent, sodass sich ein Erbanteilswert von etwa 248.500 Euro ergibt. In einem dritten Schritt ist dann der Abschlag vom Erbanteil für die Kosten des Käufers zu kalkulieren. Dies setzt sich zusammen aus den Kosten der Übertragung des Erbanteils, den Kosten der Auflösung der Erbengemeinschaft sowie einem Gewinnabschlag. Die Kosten der Übertragung setzen sich zusammen aus Prüfungskosten, wie zum Beispiel für die eigene rechtliche Prüfung durch einen Anwalt, sowie Notarkosten für die Beurkundung des Erbteilsübertragungsvertrags und Grunderwerbssteuer nach dem Ankauf des Erbanteils. Hinzu kommen noch Kosten für die Auflösung der Erbengemeinschaft. Darunter fallen Gebühren für Anwälte und Gutachter sowie Verfahrens-, Gerichts- und Notarkosten sowie Zinsen für die Vorfinanzierung. Der Gewinnabschlag schließlich liegt zwischen 20 und 35 Prozent. Im letzten Schritt wird dann der Angebotspreis festgelegt. Im vorliegenden Fall liegt der Erbanteilswert bei 248.500 Euro minus 25 Prozent Abschlag in Höhe von 62.125 Euro, sodass sich ein Angebotspreis für den Erben P in Höhe von 186.375 Euro ergibt. Mit dem Angebotspreis sind übrigens alle Kosten abgedeckt. Der verkaufende Miterbe selbst muss keine weiteren Kosten einplanen.

Fazit

Der Erbanteilsverkauf ist eine wirkliche Alternative zu einer endlosen Pattsituation innerhalb einer Erbengemeinschaft. Ein familienfremder Käufer, der emotional unbelastet ist, kann in einer Erbengemeinschaft oft ganz andere Dinge bewegen. Er gibt dem Ganzen wieder eine Struktur, die eben nicht emotional, sondern wirtschaftlich geprägt ist. Für den Verkäufer, also den ausscheidenden Erben, ist es ein Weg, seinen Anteil am Erbe relativ schnell in Geld umzuwandeln und lang andauernde gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

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Zum Autor

MG
Manfred Gabler

Betriebswirt und Geschäftsführer der ErbTeilung GmbH in Weilheim

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