Unternehmensnachfolge - 26. Januar 2023

Risiken bewusst minimieren

Plant ein Firmeninhaber seinen Ruhestand, sollte er auch über Regelungen zu Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen nachdenken. Tut er das nicht, kann sein Lebenswerk in Gefahr geraten.

In der Beratungspraxis stellt sich häufig die Situation, dass eine Unternehmerin oder ein Unternehmer die eigene Nachfolge regeln möchte, sei es durch eine letztwillige Verfügung oder bereits zu Lebzeiten. Neben der Ausgestaltung der eigentlichen Unternehmensnachfolge ist es dabei dringend geboten, mögliche Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche insbesondere von Ehegatten oder Abkömmlingen im Blick zu haben. In der Regel wird bei einem entsprechenden Hinweis auf diese drohende Gefahr ein Ausschluss, zumindest jedoch eine Reduzierung dieses Risikos gewünscht. Wie kann nun die Unternehmensnachfolge vor drohenden Pflichtteilsansprüchen oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen soweit wie möglich gesichert werden?

Pflichtteilsverzicht

Den effektivsten und sichersten Schutz bietet ein Pflichtteilsverzicht der pflichtteilsberechtigten Personen. Dieser kann auch auf das Unternehmen oder die unternehmerischen Beteiligungen beschränkt werden. Der Pflichtteilsverzicht ist notariell zu beurkunden und verhindert im Todesfall, dass Pflichtteilsansprüche oder Pflichtteilsergänzungsansprüche überhaupt oder bezüglich des Unternehmens oder der unternehmerischen Beteiligungen geltend gemacht werden können. Zu beachten ist, dass Abkömmlinge immer auch für ihre Abkömmlinge den Pflichtteilsverzicht erklären, damit sich nicht durch Enkelkinder wieder dieselbe Problematik ergibt. Sind keine Abkömmlinge vorhanden, ist an einen Pflichtteilsverzicht der Eltern zu denken. Eltern wären in diesem Fall nämlich pflichtteilsberechtigte Personen. Bei einem Ehegatten ist es neben dem Pflichtteilsverzicht erforderlich, dass der Zugewinnausgleich für den Fall der Beendigung der Ehe durch den Tod ausgeschlossen wird, da der pflichtteilsberechtigte Ehegatte in bestimmten Konstellationen neben dem kleinen Pflichtteil mit einer Quote von einem Achtel den konkreten Zugewinn verlangen könnte. Andere Personen als Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten sind nicht pflichtteilsberechtigt, sodass weitere Pflichtteilsverzichte, insbesondere von Geschwistern, nicht einzuholen sind. Gerade pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge werden einen Pflichtteilsverzicht nur dann abgeben, wenn sie eine entsprechende Gegenleistung bekommen. Die Abgabe eines Pflichtteilsverzichts seitens der pflichtteilsberechtigten Personen ist freiwillig. Welche Möglichkeiten gibt es, den Pflichtteil zumindest zu reduzieren, wenn kein Pflichtteilsverzicht abgegeben wird?

Anrechnung des Pflichtteils

Eine Möglichkeit ist die Anordnung der Anrechnung lebzeitiger Zuwendungen auf den Pflichtteil. Sollte also ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling beispielsweise zu Lebzeiten des Unternehmers eine Geldzuwendung von diesem erhalten, kann angeordnet werden, dass er sich den Wert der Zuwendung auf mögliche Pflichtteilsansprüche anrechnen lassen muss. Wichtig ist, dass die Anrechnungspflicht schriftlich vor oder bei der Zuwendung erfolgt. Nachträglich ist dies nicht mehr möglich oder in einer Verfügung von Todes wegen nur mehr, wenn man sich die Anordnung der Anrechnung vor oder bei der Zuwendung vorbehalten hat. Auf diese Weise kann die Höhe des Pflichtteils reduziert werden.

Gesellschaftsvertragliche Regelungen

Zu denken wäre auch an eine Pflichtteilsreduzierung durch gesellschaftsrechtliche Abfindungsklauseln, die ein Abfindungsguthaben unter dem tatsächlichen Wert der Beteiligung vorsehen. Derartige Klauseln in Gesellschaftsverträgen zur Beschränkung des Abfindungsguthabens sind grundsätzlich wirksam. Fraglich ist, ob diese auch bei der Wertberechnung im Rahmen der Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs zu berücksichtigen sind. Dies ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. In der Literatur werden die unterschiedlichsten Auffassungen dazu vertreten. Was wohl nicht möglich sein dürfte, ist, dass der Wert von Unternehmensbeteiligungen generell mit dem Klauselwert anzusetzen ist. Der Bundesgerichtshof geht in einem solchen Fall davon aus, dass sich dies allenfalls wertmindernd auswirkt. Zu unterscheiden davon ist eine Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag dergestalt, dass nach dem Tod eines Gesellschafters dessen Anteil den übrigen Gesellschaftern entschädigungslos anwächst. Hier hat der Gesellschafter bereits zu Lebzeiten auf seinen Abfindungsanspruch im Fall seines Todes verzichtet. In diesem Fall kann man überlegen, ob dieser lebzeitige Verzicht auf den Abfindungsanspruch eine pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkung ist. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der Abfindungsausschluss nur für einzelne Gesellschafter vereinbart worden wäre oder zum Beispiel aufgrund eines großen Altersunterschieds oder einer schweren Erkrankung eines Gesellschafters kein ausgewogenes Risiko zwischen den Gesellschaftern bestünde, sondern vielmehr eine große Wahrscheinlichkeit, dass ein Gesellschafter früher verstirbt. Vorgenanntes gilt ebenso, wenn bei einer Eintrittsklausel – im Gesellschaftsvertrag wird einem Dritten das Recht eingeräumt, beim Tod des Gesellschafters in die Gesellschaft als Gesellschafter einzutreten – der Abfindungsanspruch eingeschränkt oder ausgeschlossen wird. Besteht dagegen ein Abfindungsanspruch und wird dieser vom Erblasser einer Person zugewandt, fällt er in den Nachlass und wird bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs berücksichtigt.

Nachfolgeklauseln

Häufig werden einfache oder qualifizierte Nachfolgeklauseln in Gesellschaftsverträgen gewählt. Bei einer einfachen Nachfolgeklausel treten alle Erben entsprechend ihrer Erbquote in die Gesellschafterstellung des Erblassers ein. Dagegen rückt bei einer qualifizierten Nachfolgeklausel nur der Erbe oder Vermächtnisnehmer in die Gesellschafterstellung ein, der die in der Klausel festgelegten Qualifikationsmerkmale erfüllt, zum Beispiel ein Abkömmling oder Mitgesellschafter ist, und zwar unabhängig von der ihm zugeteilten Quote. Unabhängig davon, welche Klausel der Gesellschaftsvertrag enthält, fällt der Gesellschaftsanteil in den Nachlass und ist bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen. Enthält der Gesellschaftsvertrag zusätzlich eine abfindungsbeschränkende Klausel, ist umstritten, welchen Einfluss dies auf die Wertberechnung im Rahmen der Ermittlung der Höhe des Pflichtteils hat. Eine höchstrichterliche Klärung steht noch aus.

Güterstand

Auch ein Wechsel des Güterstands kann den Pflichtteil eines Abkömmlings verringern. Sind die Ehegatten beispielsweise im Güterstand der Gütertrennung verheiratet und haben zwei Kinder, beträgt die Pflichtteilsquote für jedes Kind ein Sechstel, während sich bei einer (modifizierten) Zugewinngemeinschaft die Pflichtteilsquote auf ein Achtel beläuft. Der Wechsel von der Gütertrennung zur (modifizierten) Zugewinngemeinschaft reduziert also die Pflichtteilsquote. Die modifizierte Zugewinngemeinschaft bedeutet, dass der Zugewinnausgleich gänzlich oder bestimmte Vermögenswerte, wie das Unternehmen oder die unternehmerischen Beteiligungen, aus der Berechnung des Zugewinns ausgeschlossen werden.

Lebzeitige Zuwendung

Oftmals wird bereits eine lebzeitige Zuwendung von Unternehmensbeteiligungen oder vom Unternehmen gewünscht. Soweit es sich hier um eine Schenkung handelt, kann dies jedoch Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Sollte die Übertragung in Form einer Ausstattung in Betracht kommen, kann damit ein Pflichtteilsergänzungsanspruch ausgeschlossen werden, da dieser nur bei einer Schenkung entsteht. Eine Ausstattung liegt dann vor, wenn Eltern ihrem Kind einen Vermögensgegenstand mit Rücksicht auf seine Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung übertragen. In diesem Fall gilt die Zuwendung insoweit nicht als Schenkung, als diese Ausstattung das den Vermögensverhältnissen des zuwendenden Elternteils entsprechende Maß nicht übersteigt. Eine Ausstattung ist allerdings oft bei der Berechnung des Pflichtteils im Rahmen einer diesen erhöhenden Ausgleichung zu berücksichtigen. Die Vereinbarung von vom Übernehmer zu erbringenden Gegenleistungen kann ebenfalls den Pflichtteil verringern, da der Pflichtteilsergänzungsanspruch nur bei Schenkungen besteht. Bei einer gemischten Schenkung ist dies also nur bei einem überschießenden Wert der Unternehmensbeteiligung oder des Unternehmens der Fall, der nicht durch eine Gegenleistung gedeckt ist. Ist die Zuwendung dennoch eine Schenkung, ist die Abschmelzung innerhalb der Zehnjahresfrist zu beachten. Pro Jahr, das seit der Schenkung bis zum Todesfall vergangen ist, ist der Wert der Zuwendung bei Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs um ein Zehntel zu reduzieren. Nach Ablauf von zehn Jahren seit der Schenkung ist diese dann zur Berechnung des Pflichtteilsanspruchs gar nicht mehr dem Nachlass zuzurechnen. Gerade wenn Unternehmer in noch keinem zu hohen Alter die Unternehmensnachfolge angehen wollen, ist dies in die Überlegungen einzubeziehen. Wichtig ist jedoch, dass der Lauf der Zehnjahresfrist mit der Schenkung auch tatsächlich ausgelöst wird. Dies ist nicht der Fall, wenn die Zuwendung an einen Ehegatten oder an einen Dritten – oftmals Abkömmlinge – erfolgt, aber der Übergeber in letzterem Fall den Vermögensgegenstand nur rechtlich, aber nicht wirtschaftlich aus der Hand gegeben hat, weil er sich beispielsweise den Nießbrauch daran vorbehalten hat. Oftmals werden bei einer lebzeitigen Zuwendung Rückforderungsrechte für den Übergeber vereinbart, zum Beispiel für den Fall, dass der Übernehmer vorverstirbt. Hier kommt es auf die genaue Ausgestaltung an, ob die Zehnjahresfrist zu laufen beginnt oder nicht.

Ergebnis

Zusammenfassend schützt ein Pflichtteilsverzicht der pflichtteilsberechtigten Personen am effektivsten und sichersten die Unternehmensnachfolge in Bezug auf Pflichtteilsansprüche oder Pflichtteilsergänzungsansprüche. Die weiteren dargestellten Mittel sind lediglich Möglichkeiten, den Pflichtteilsanspruch oder Pflichtteilsergänzungsanspruch zu reduzieren, ausgeschlossen werden kann er hierdurch nicht. In der Beratungspraxis ist gemeinsam mit dem Mandanten zu entscheiden, welche Wege hier eingeschlagen werden können und sollen.

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Zum Autor

KC
Katharina Comanns

Rechtsanwältin bei ECOVIS L+C Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Regensburg

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