FISG - 3. März 2022

Licht und Schatten

Das neue Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität kann die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers stärken sowie den Dialog zwischen ihm und dem Aufsichtsrat fördern. Andererseits besteht die Gefahr, dass die erhöhten Haftungssummen zu einer weiteren Marktkonzentration auf wenige Prüfungsgesellschaften führen werden.

Als Reaktion auf den Wirecard-Skandal wurde das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) mit Zu­stimmung des Bundesrats durch den Bundestag beschlossen und am 10. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht; am 1. Juli 2021 ist es schließlich in Kraft getreten. Es dient dazu, künftig solchen Skandalen vorzubeugen und das Ver­trauen in den deutschen Finanzmarkt zu stärken. Nachfol­gend sollen ausgewählte Neuerungen aus den Bereichen Corporate Governance, Abschlussprüfung und Enforcement dargestellt werden.

Änderungen im Bereich Corporate Governance

Mit Wirkung ab dem 1. Juli 2021 wurde in § 91 Abs. 3 des Akti­engesetzes (AktG) für Vorstände von börsennotierten Gesell­schaften die explizite Pflicht zur Einrichtung eines mit Blick auf den Umfang und die Risikolage des Unternehmens angemesse­nen und wirksamen internen Kontroll- und Risikomanagement­systems festgehalten. Das FISG gibt keine Kriterien vor, die ein solches System erfüllen muss, und die Ausgestaltung liegt im Leitungsermessen des Vorstands, wobei das COSO Framework (Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Com­mission) oder entsprechende Standards des Instituts der Wirt­schaftsprüfer (IDW) als Orientierungshilfe dienen können. Ob­wohl das FISG im Wesentlichen Änderungen für sogenannte Public Interest Entities (PIE) umfasst, bein­haltet es auch solche für die Aufsichtsräte von Non-PIE-Unternehmen. Demnach ge­hört es nach § 107 Abs. 3 S. 2 AktG zur expli­ziten Pflicht des Aufsichtsrats, sich mit der Qualität der Abschlussprüfung auseinander­zusetzen. Dies umfasst die Festlegung von Kriterien zur Messung der Prüfungsqualität sowie die Beurteilung dieser Kriterien und soll den aktiven Dialog zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüferin beziehungsweise -prüfer fördern. Daneben sollen Aufsichts­ratssitzungen mit dem Abschlussprüfer als Sachverständigem gemäß § 109 Abs. 1 S. 3 AktG ohne Teilnah­me des Vorstands stattfinden. Der Vorstand nimmt künftig nur teil, sofern es der Aufsichtsrat für erforderlich hält. Für Aufsichts­räte von PIE in der Europäischen Union (EU) ergibt sich zudem ab dem 1. Januar 2022 die Pflicht zur Einrichtung eines Prü­fungsausschusses. In Fällen, in denen der Aufsichtsrat nur aus drei Mitgliedern besteht, ist dieser gleichzeitig der Prüfungsaus­schuss. Unmittelbare Informationsrechte gegenüber den Leitern bestimmter Zentralbereiche im Unternehmen werden in § 104 Abs. 4 AktG normiert. Künftig muss der Aufsichtsrat von EU-PIE ebenso mindestens ein Mitglied mit Sachverstand auf dem Ge­biet der Rechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied mit Sachverstand auf dem Gebiet der Prüfung umfassen, wobei dies bereits bei Neubestellungen seit dem 1. Juli 2021 gilt.

Änderungen im Bereich Abschlussprüfung

Die spezielle Übergangsregelung zur externen Rotation in § 318 Abs. 1a Handelsgesetzbuch (HGB) wurde gestrichen, sodass spätestens nach zehn Jahren eine neue Prüfungsgesellschaft zu beauftragen ist. In den Fällen, in denen die Höchstlaufzeit von zehn Jahren bereits erreicht ist und ein Ausschreibungsverfah­ren am 30. Juni 2021 abgeschlossen ist, kann der Prüfungsauf­trag bei kalenderjahrgleichen Geschäftsjahren noch bis zum 31. Dezember 2023 verlängert werden. Eine Wahl durch die Hauptversammlung muss in diesem Fall noch nicht erfolgt sein. Die Ausschreibung von Abschlussprüfungen muss künftig nicht mehr öffentlich sein, wobei die Form der Ausschreibung den Unternehmen überlassen bleibt. Es ist lediglich sicherzustellen, dass die Kriterien des Art. 16 Abs. 3 der Verordnung über spezi­fische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unterneh­men von öffentlichem Interesse (EU-APrVO) eingehalten wer­den. Somit kann vorab selektiert werden, welche Prüfungsge­sellschaften zu der Ausschreibung eingeladen werden, was zu einer weiteren Marktkonzentration führen kann. Die verantwort­lichen Prüfungspartner müssen künftig nach § 43 Abs. 6 der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) bereits nach fünf Jahren intern rotieren. Die internen Rotationspflichten gelten erstmals für Prü­fungen von Geschäftsjahren, die nach dem 31. Dezember 2021 beginnen. Die Cooling-off-Periode beträgt bei dem vorrangig für die Abschlussprüfung verantwortlichen Wirt­schaftsprüfer künftig fünf Jahre und für den mitunterzeichnenden Wirtschaftsprüfer drei Jahre.

Haftungsfragen

Weitere Änderungen ergeben sich durch das FISG in Bezug auf die in § 323 HGB definier­ten Haftungssummen bei gesetzlichen Ab­schlussprüfungen für nach dem 31. Dezem­ber 2021 beginnende Geschäftsjahre. Künf­tig wird zunächst zwischen fahrlässigem Handeln, grob fahrlässigem Handeln und vorsätzlichem Han­deln unterschieden. Die Haftungssumme bei der Prüfung von kapitalmarktorientierten Unternehmen wird auf 16 Millionen Euro bei fahrlässigem Handeln erhöht. Bei grob fahrlässigem Handeln ist die Haftung künftig unbegrenzt. Bei sonstigen ge­setzlichen Abschlussprüfungen beträgt die Haftungssumme künftig bei fahrlässigem Handeln 1,5 Millionen Euro und bei grob fahrlässigem Handeln zwölf Millionen Euro. Bei vorsätzli­chem Handeln ist die Haftung, wie bisher, unbegrenzt. Die delik­tische Haftung wird ebenso verschärft, sodass bereits die leicht­fertige Abgabe eines unrichtigen Bestätigungsvermerks mit ei­ner Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahn­det wird. Für einen vorsätzlich unrichtig erteilten Bestätigungsvermerk wird, wie bisher, eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt.

Auswirkungen der gestiegenen Haftungssummen

Die gestiegenen Haftungssummen werden zu steigenden Versi­cherungsprämien für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften führen. Dies kann insbesondere bei kleinen und mittleren Prü­fungsgesellschaften mit wenigen PIE-Prüfungsmandaten dazu führen, dass die Prüfung solcher Unternehmen nicht mehr lukrativ ist. Eine Untersuchung der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) hat ergeben, dass sich die Anzahl der Prüfungsgesell­schaften, die Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a HGB prüfen, zwischen 2018 und 2020 um rund elf auf 63 Prozent reduziert hat, bei einer konstanten Anzahl der zu prü­fenden Unternehmen. Es ist daher sehr fraglich, ob die vorge­nannten Maßnahmen einer weiteren Marktkonzentration auf wenige große Prüfungsgesellschaften entgegenwirken.

Strikte Trennung von Beratung und Prüfung

Durch Streichung von § 319a Abs. 1 Nr. 1 und 3 HGB a. F. ist es ab dem 1. Januar 2022 untersagt, dass der Abschlussprüfer ei­nes EU-PIE auch nur unbedeutsame Steuerberatungs- und Be­wertungsleistungen an das EU-PIE selbst, dessen Mitunterneh­men oder eine Tochtergesellschaft in Deutschland erbringt. Welche Leistungen konkret unter dieses Verbot fallen, definiert Art. 5 der EU-APrVO. Die strikte Trennung von Prüfung und Be­ratung kann dazu führen, dass sich die Prüfungsgesellschaften vor einer Ausschreibung rein aus wirtschaftlichen Gesichts­punkten für oder gegen die Teilnahme entscheiden. Die Mög­lichkeit, bei der Abschlussprüferaufsichtskommission (APAK) eine zeitlich befristete und betraglich begrenzte Ausnahme von der Beschränkung der Honorare für Nichtprüfungsleistungen durch das Fee Cap zu beantragen, ist ebenso gestrichen worden. Das kann insbesondere bei einmaligen umfangreicheren Nicht­prüfungsleistungen, etwa Comfort Letter, dazu führen, dass eine weitere Prüfungsgesellschaft beauftragt werden muss.

Änderungen im Bereich Enforcement

Ab dem 1. Januar 2022 unterliegen Unternehmen, die als Emit­tenten von zugelassenen Wertpapieren die Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat haben, dem einstufigen Kontrollverfahren der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf­sicht (BaFin). Die Tätigkeiten der Deutschen Prüfstelle für Rech­nungslegung (DPR) wurden zum 31. Dezember 2021 einge­stellt, wobei bis dahin nicht abgeschlossene Untersuchungen auf die BaFin übergehen. Des Weiteren werden die Rechte der BaFin um Auskunftsrechte gegenüber Dritten, die Möglichkeit forensischer Prüfungen und das Recht, die Öffentlichkeit früher als bisher über ihr Vorgehen bei der Bilanzkontrolle zu infor­mieren, ausgeweitet. Verschwiegenheitspflichten werden auf­gehoben, um den für Zwecke der Aufklärung mutmaßlicher Rechnungslegungsverstöße erforderlichen Informationsaus­tausch zu ermöglichen.

Fazit und Schlussbemerkung

Zusammenfassend kann man sagen, dass das FISG einige Re­gelungen enthält, die die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers stärken können, wie die verkürzte Rotationszeit oder eine strik­tere Trennung von Prüfung und Beratung. Auch wird der Dialog zwischen dem Aufsichtsrat und dem Abschlussprüfer gefördert und Vorstände von EU-PIE werden durch die explizite Pflicht zur Einführung eines angemessenen und wirksamen internen Kontroll- und Risikomanagementsystems stärker in die Pflicht genommen.

Auf der anderen Seite kann davon ausgegangen werden, dass die erhöhten Haftungssummen zu einer weiteren Marktkonzen­tration auf wenige Prüfungsgesellschaften führen. Eine denkba­re Alternative zur Steigerung der Prüfungsqualität kann bei­spielsweise die Einführung von Joint Audits bei Prüfungen von PIE sein, wie es in Frankreich schon seit vielen Jahren prakti­ziert wird.

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Zum Autor

PJ
Philipp Jahn, M.A.

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und CVA sowie Partner der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in München. Er ist schwerpunktmäßig in der Prüfung von Jahres- und Konzernabschlüssen nach HGB und IFRS von mittelständischen sowie international ausgerichteten Unternehmensgruppen tätig. Daneben begleitet er regelmäßig Unternehmenstransaktionen sowie Börsengänge und führt Unternehmensbewertungen durch.

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