Unterhaltspflicht der Kinder - 24. April 2014

Was zu berechnen ist

Ob und inwieweit ein Kind zu Unter­halts­leistungen für die eigenen Eltern verpflichtet ist, richtet sich grund­sätzlich nach dem soge­nannten bereinigten unter­halts­relevanten Netto­einkommen.

Um klären zu können, ob und in welcher Höhe vom eigenen Kind Unterhalt beansprucht werden kann, müssen im Vorfeld dessen genaue wirtschaftliche Verhältnisse ermittelt werden. Das Kind ist verpflichtet, Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen zu erteilen, soweit es zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs erforderlich ist. Sind mehrere Kinder vorhanden, muss der Unterhaltsberechtigte jedes der Kinder einzeln auffordern, Auskunft zu erteilen.
Gewarnt werden muss davor, falsche oder unvollständige Auskunft zu erteilen. Der Gesetzgeber hat den Trägern der Sozialhilfe ein umfassendes Instrumentarium an die Hand gegeben. Danach sind etwa auch Banken und Sparkassen zur Auskunft verpflichtet.

Einkommen des Kindes

Zum Einkommen gehören vor allem Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit, Gewerbe, Land- und Forstwirtschaft, Kapital, Vermietung und Verpachtung. Die Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit umfassen auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Boni und Prämien sowie vermögenswirksame Leistungen.
Zum Einkommen zählt auch der sogenannte Wohnwertvorteil. Da-runter versteht man den vermögenswerten Vorteil, den ein unterhaltspflichtiges Kind hat, etwa weil es in einer Eigentumswohnung oder im eigenen Haus lebt, ohne Miete zu bezahlen.

Bereinigung des Einkommens

Das Einkommen kann nur um die Abzüge bereinigt werden, die berücksichtigungswürdig sind. Ob und in welchem Umfang dem so ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Nicht abzugsfähig sind in jedem Fall die allgemeinen Lebenshaltungskosten wie etwa Aufwendungen für Kleidung, Lebensmittel, Miete, Nebenkosten und so weiter. Diese Kosten werden durch den sogenannten Selbstbehalt abgesichert, der gegenüber Eltern 1.600 Euro beträgt.
Zu den abzugsfähigen, also berücksichtigungswürdigen Ausgaben, die das Einkommen des unterhaltsverpflichteten Kindes reduzieren, gehört zum Beispiel auch eine zusätzliche Altersvorsorge. Da mittlerweile anerkannt ist, dass die gesetzliche Altersvorsorge in den meisten Fällen den gewohnten Lebensstandard nicht mehr absichert, ist eine zusätzliche Altersvorsorge geboten. Welcher Betrag angemessen ist, kann entweder durch pauschalen Abzug oder konkrete Berechnung ermittelt werden. Die Gerichte billigen dem Unterhaltspflichtigen beim Elternunterhalt neben den Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung von 19,9 Prozent des Bruttoeinkommens einen weiteren Abzug von fünf Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens zu.
Bei einem Bruttoeinkommen von monatlich 2.300 Euro könnte der Unterhaltsverpflichtete 115 Euro in eine zusätzliche Altersvorsorge, etwa einen Riestervertrag oder in eine andere Geldanlage, investieren. Diese Pauschalregelung ist auf Selbstständige entsprechend anzuwenden. Auch diese dürfen insgesamt 25 Prozent ihres Einkommens für ihre Altersvorsorge aufwenden.
Aus diesem Gedanken entspringt auch die Regelung, dem Unterhaltspflichtigen ein Vermögen in der Höhe zu belassen, wie er es mit diesen Aufwendungen im Laufe eines Erwerbslebens ansparen könnte. Wer noch keine zusätzliche Altersvorsorge abgeschlossen haben sollte, kann dies auch noch tun, wenn er bereits mit Unterhaltsforderungen konfrontiert wird. Zwar wird damit das verfügbare Einkommen mutwillig reduziert, aber man verhält sich nicht schuldhaft.

Vorrangige Unterhaltspflichten

Auch vorrangige Unterhaltspflichten gehen dem Elternunterhalt vor, die Eltern können also nur Unterhalt verlangen, wenn der Bedarf aller vorrangig berechtigten Personen gedeckt ist und das Kind noch über verwertbares Einkommen oder Vermögen verfügt. Rangfolgen der unter­halts­be­rechtigten Personen, die dem Eltern­unterhalt vorgehen, sind

  • minderjährige und volljährige Schulkinder bis 21 Jahre,
  • kinderbetreuende Elternteile sowie Ehegatten und geschiedene langjährige Ehen,
  • Ehegatten und geschiedene frühere Ehegatten,
  • sonstige volljährige Kinder,
  • Enkel und andere Abkömmlinge.

Aufstockung des Selbstbehalts

Aus dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen und den Abzügen für den eigenen vorrangigen Unterhalt ergibt sich die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen.
Liegt der Unterhaltspflichtige mit seinem Einkommen über dem Selbstbehalt von 1.600 Euro, wird der Selbstbehalt noch angemessen aufgestockt, indem regelmäßig noch die Hälfte des überschießenden Betrags zur eigenen Verfügung stehen darf, wie das nachfolgende Beispiel verdeutlicht.

Fallbeispiel 1

A erzielt ein bereinigtes Einkommen von monatlich 2.900 Euro. Abzüglich des Mindestselbstbehalts von 1.600 Euro verbliebe ein Einkommen von 1.300 Euro. Die eine Hälfte davon, nämlich 650 Euro, würde bei A verbleiben, die andere Hälfte könnte und müsste er für den Unterhalt seiner Eltern zur Verfügung stellen.
Die Berechnung des Selbstbehalts eines verheirateten Kindes kann von diesem Grundsatz ganz erheblich abweichen, denn durch das Zusammenleben werden Aufwendungen erspart, die bei der Bemessung des Selbstbehalts zu berücksichtigen sind. Lebt der Unterhaltspflichtige mit einem leistungsfähigen Partner zusammen, werden vom Selbstbehalt in der Regel zehn Prozent abgezogen.

Individueller Familienselbstbehalt

Tragen beide Eheleute zum Unter­halt der Familie bei, kann sich das auf die Be­rech­nung des Eltern­unter­halts erheblich auswirken.

Tragen beide Eheleute zum Unter­halt der Familie bei, kann sich das auf die Be­rechnung des Eltern­unter­halts erheblich auswirken. Ausgangs­punkt der Be­rechnung ist immer der Mindest­selbst­behalt von Familien, der 2.880 Euro beträgt. Dabei ist der Mindest­selbst­behalt des Kindes 1.600 Euro, der des Ehe­gatten 1.280 Euro.
Erzielen die Ehe­gatten zusammen ein höheres Einkommen als diesen Mindest­selbst­behalt, wird zunächst von der Dif­ferenz der Vorteil des Zusammen­lebens von zehn Prozent abgezogen. Die Hälfte des sich daraus er­gebenden Betrages kommt zuzüglich des Familienselbstbehalts dem Familienunterhalt zugute. Zu dem so bemessenen individuellen Familienbedarf hat der Unterhaltspflichtige entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten beizutragen. Für den Elternunterhalt kann der Unterhaltspflichtige die Differenz zwischen seinem Einkommen und seinem Anteil am Familienunterhalt einsetzen.

Fallbeispiel 2

Das unterhaltspflichtige Kind erzielt ein bereinigtes unterhaltsrelevantes Einkommen von 3.000 Euro, der Ehepartner eines von 1.000 Euro. Das Familieneinkommen beträgt 4.000 Euro und übersteigt den Familienselbstbehalt von 2.880 Euro um 1.120 Euro.
Dieser Betrag ist um den Vorteil des Zusammenlebens zu bereinigen, die häusliche Ersparnis von zehn Prozent. Das sind 112 Euro.
Der Rest des überschießenden Betrags (1.008 Euro) steht hälftig, also in Höhe von 504 Euro, den Eheleuten für ihre Lebensgestaltung zur Verfügung und ist dem Mindestselbstbehalt von 2.880 Euro hinzuzurechnen.
Der individuelle Familienselbstbehalt beträgt also insgesamt 3.384 Euro.
Der Anteil des unterhaltspflichtigen Kindes am zu deckenden Familienselbstbehalt entspricht seinem Anteil am Gesamteinkommen der Familie. Zum Familieneinkommen von 4.000 Euro trägt das unterhaltspflichtige Kind zu 75 Prozent, der Ehepartner zu 25 Prozent bei.
Für den Elternunterhalt hat der Unterhaltspflichtige nun die Differenz zwischen seinem Einkommen (3.000 Euro) und seinem Anteil am Familienunterhalt (2.538 Euro), mithin 462 Euro, einzusetzen.

Verdeckte Schwiegerkindhaftung

Da im Fall eines verheirateten unterhaltspflichtigen Kindes für dessen Leistungsfähigkeit auch das Einkommen des mit ihm zusammenlebenden Gatten maßgeblich ist, wird häufig von der verdeckten Schwiegerkindhaftung gesprochen.
Damit wird der Grundsatz durchbrochen, dass der Unterhaltsanspruch der Eltern immer nur aus dem Einkommen des eigenen Kindes bestritten wird.

Fallbeispiel 3

Wenn das unterhaltspflichtige Kind lediglich ein bereinigtes Einkommen von 1.000 Euro erzielt, der Ehegatte des unterhaltspflichtigen Kindes jedoch ein Einkommen von 3.000 Euro, würde wie folgt gerechnet: Der Mindestbedarf der Familie wird um 1.120 Euro überschritten (4.000 Euro – 2.880 Euro). Abzüglich Haushaltsersparnisse von zehn Prozent (112 Euro) verbliebe ein Betrag von 1.008 Euro. Die Hälfte davon ist 504 Euro.
Der individuelle Selbstbehalt der Familie beträgt 2.880 Euro zuzüglich 504 Euro = 3.384 Euro.
Hieran hätte das unterhaltsverpflichtete Kind einen Anteil von 25 Prozent (= 846 Euro) sowie der Ehegatte von 75 Prozent (= 2.538 Euro). Dem unterhaltsberechtigten Elternteil stünde von dem Einkommen des unterhaltsverpflichteten Kindes (1.000 Euro) also ein Betrag von 1.000 – 846 = 154 Euro zur Verfügung.
Obwohl das Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes unterhalb des Selbstbehalts von 1.600 Euro liegt, ist es aufgrund des Einkommens des Ehegatten zur Zahlung von Elternunterhalt verpflichtet. Der Elternunterhalt wird bei dieser Berechnung somit anteilig auch vom Ehepartner des unterhaltspflichtigen Kindes finanziert.
Ist das unterhaltspflichtige Kind nicht erwerbstätig, könnte es gegenüber seinem Ehepartner einen Taschengeldanspruch in Höhe von fünf bis sieben Prozent von dessen Einkommen verlangen. Bei einem Einkommen von 3.000 Euro wären dies zwischen 150 und 210 Euro.
Das gesamte Taschengeld müsste jedoch nicht als Elternunterhalt an die Eltern ausgekehrt werden. Dem unterhaltspflichtigen Kind stünde ein gewisses Mindesttaschengeld zu.

Nachrang des Elternunterhalts

Ist das Kind nach seinen Einkommensverhältnissen nicht in der Lage, Unterhalt zu leisten, muss es sein Vermögen einsetzen, um den Lebensbedarf des Elternteils zu decken.
Mittlerweile hat der Bundesgerichtshof (BGH) mehrfach entschieden, wann ein Unter­halts­pflichtiger sein Vermögen nicht zum Eltern­unterhalt einsetzen muss.
Alle diese Ent­schei­dungen beruhen auf dem Gedanken, dass das unter­halts­pflichtige Kind seine ver­mögens­recht­lichen Disposi­tionen regelmäßig in Zeiten getroffen hat, in denen noch kein Unterhalt geschuldet wurde. Seine Lebens­ver­hältnisse waren daher auf die vor­handenen Einkünfte und Vermögens­werte abgestellt.
Diese Planung soll berücksichtigt bleiben, solange es sich um eine angemessene Lebensführung handelt hinsichtlich der eigenen Altersvorsorge, der Bildung von Rücklagen sowie des Veräußerungsschutzes von Grundbesitz.

BGH-Urteil lässt aufatmen

In einem mit Spannung erwarteten Grundsatzurteil zum Elternunterhalt hat der Familiensenat des BGH am 7. August 2013 entschieden, dass das selbst genutzte Eigenheim bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit der erwachsenen Kinder nicht herangezogen werden muss.
Diese Mitteilung sorgte für sichtbares Aufatmen bei vielen erwachsenen Kindern, die bis dahin befürchten mussten, ihre Immobilie für die ungedeckten Kosten ihrer im Heim lebenden Eltern veräußern zu müssen. Ein konsequentes Urteil im Hinblick darauf, dass der Staat bei der Alterssicherung immer mehr auf Eigensorge setzt.

Resümee

Berechnungshilfen und Beratungsforen jedenfalls sollten niemanden darüber täuschen, dass Elternunterhalt eine komplexe Spezialmaterie des Unterhaltsrechts ist, die eine sorgfältige, vorsorgende Rechtsberatung im Falle einer möglichen Inanspruchnahme auf Elternunterhalt empfiehlt.

Zur Autorin

Ariane Freifrau von Seherr-Thoß

Rechts­an­wältin bei SNP Schlawien Rechtsanwälte in Düssel­dorf mit dem Tätig­keits­schwer­punkt Familien- und Erb­recht sowie Leasing­recht

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