Kampf gegen die Produktpiraterie - 14. März 2013

Stoff für Zoff

Das Patent, das Gebrauchsmuster, das Geschmacksmuster sowie das Urheberrecht und die eingetragene Marke sind die Instrumente, mit denen man geistiges Eigentum schützen und Fälschungen verhindern kann. Welches Recht wann greift, erläutert Rechtsanwalt Dr. Enno Cöster, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz.

DATEV magazin: Warum können sich Hersteller von Originalware nicht auf ein und dieselbe Weise vor Plagiaten oder geistigem Diebstahl schützen?

DR. ENNO CÖSTER: Weil der Schutz geistigen Eigentums komplex geregelt ist. Entscheidend ist, was konkret nachgeahmt wurde: eine technische Erfindung, ein Stoff oder Arzneimittel, die äußere Form einer Ware oder die Marke des Originalherstellers. Je nachdem kommt ein anderes Schutzrecht zur Anwendung.

DATEV magazin: Welches Recht kommt bei einer technischen Erfindung in Betracht?

DR. ENNO CÖSTER: Für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik werden gemäß § 1 Abs. 1 Patentgesetz Patente erteilt. Wer also die Nachahmung seiner Erfindung verhindern will, muss sie zuvor beim Deutschen oder Europäischen Patentamt angemeldet haben – und das Patent muss erteilt sein. Wer die Anmeldekosten für eine Patentanmeldung, also Amtsgebühren und Anwaltskosten, gescheut hat, kann sich patentrechtlich nicht zur Wehr setzen.

Die Taube auf dem Dach erhält derjenige, dem es gelingt, eine Warenform als Marke eintragen zu lassen.

DATEV magazin: Kann die Patentanmeldung im Falle einer Nachahmung nachgeholt werden?

DR. ENNO CÖSTER: Nein, denn einer späteren Patentanmeldung würde es an der sogenannten Neuheit und erfinderischen Tätigkeit fehlen, geregelt in den §§ 1, 3 und 4 Patentgesetz. Eine Patentanmeldung ist nur dann erfolgreich und führt zur Patenterteilung, wenn die Erfindung der Öffentlichkeit im Anmeldezeitpunkt noch nicht vorgestellt ist. Dabei schadet auf jeden Fall eine bereits erfolgte Veröffentlichung der technischen Idee durch den Nachahmer – die eigene, nachgeholte Patentanmeldung wäre dann nicht mehr neu und erfinderisch.

DATEV magazin: Gibt es eine Ausnahme von dieser Regelung?

DR. ENNO CÖSTER: Eine Ausnahme gilt für die Vorveröffentlichung auf einer amtlich anerkannten Ausstellung, sofern die Patentanmeldung des ausgestellten Gegenstands spätestens sechs Monate nach der Ausstellung erfolgt.

DATEV magazin: In einem Rechtsstreit versetzt das Patent den Geschädigten in eine verhältnismäßig starke Position. Warum?

DR. ENNO CÖSTER: Weil es sich beim Patent um ein bereits geprüftes Schutzrecht handelt. Wenn etwa ein Landgericht während einer Messe angerufen wird, mittels einstweiliger Verfügung die weitere Ausstellung und Bewerbung des Verletzungsgegenstands sofort zu verbieten, ist das Gericht an die Patenterteilung gebunden. Die zuvor vom Patentamt geprüfte und für patentfähig befundene Erfindung kann vom Gericht nicht wieder in Frage gestellt werden.

DATEV magazin: Bei der Anmeldung und Erteilung eines Gebrauchsmusters ist das anders?

DR. ENNO CÖSTER: Das Gebrauchsmuster ist die kostengünstigere, kleine Alternative zum Patent. Es wird ebenfalls für technische Erfindungen ausgestellt. Vor der Erteilung des Gebrauchsmusters findet aber keine amtliche Prüfung darüber statt, ob der angemeldete Gegenstand, also die Erfindung, tatsächlich die Voraussetzungen für die Erteilung erfüllt, ob also die Erfindung neu ist und auf einem erfinderischen Schritt beruht. Diese Prüfung holt das zuständige Gericht erst im Streitfall nach. Lässt sich die Schutzfähigkeit der Erfindung nicht eindeutig und schnell in einem Eilverfahren zugunsten des Gebrauchsmusterinhabers prüfen, erlässt das Gericht während einer Messe keine einstweilige Verfügung.

DATEV magazin: Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Rechten ist doch auch die Schutzdauer?

DR. ENNO CÖSTER: Die Schutzdauer eines Patents beträgt bis zu 20 Jahre, die eines Gebrauchsmusters bis zu zehn Jahre – vorausgesetzt man stellt die Verlängerungsanträge fristgerecht und entrichtet die amtlichen Verlängerungsgebühren.

Das Geschmacksmuster ist leider ein häufig unterschätztes Schutzrecht.

DATEV magazin: Was genau schützt ein Geschmacksmuster?

DR. ENNO CÖSTER: Das Geschmacksmuster schützt den ästhetischen Eindruck, der von industriell oder handwerklich hergestellten Gegenständen ausgeht. Hier steht also nicht der Schutz von Technik oder Funktionalität im Vordergrund, sondern Aussehen und Schönheit. Typische Gegenstände für ein Geschmacksmuster sind beispielsweise Möbel, Bekleidungsstücke, Spielwaren, Schreibgeräte bis hin zu Pkw-Stoßstangen oder Innenansichten von Aufzugs­kabinen.

DATEV magazin: Das Geschmacksmuster ist ein häufig unterschätztes Schutzrecht. Warum?

DR. ENNO CÖSTER: Es wird unterschätzt, weil es trotz geringer Anmeldegebühren ein urkundlich belegtes Recht gewährt. Gemäß § 39 Geschmacksmustergesetz wird zugunsten des Rechtsinhabers vermutet, dass die Anforderungen, die an die Rechtsgültigkeit eines Geschmacksmusters gestellt werden, erfüllt sind. Der Anmelder kann bis zu zehn fotografische oder sonstige grafische Darstellungen einreichen, um den von einem ästhetisch wirkenden Gegenstand ausgehenden Eindruck zu schützen. Und bis zu 100 Gegenstände können kostengünstig in einer sogenannten Sammelanmeldung zusammengefasst werden. All das ist in § 12 Abs. 1 Geschmacksmustergesetz sowie § 6 Abs. 1 Geschmacksmusterverordnung normiert.

DATEV magazin: Wie weit reicht der Schutzbereich eines eingetragenen Geschmacksmusters?

DR. ENNO CÖSTER: Das entsprechende eingetragene, europäische Geschmacksmuster gewährt Schutz in sämtlichen 27 Staaten der Europäischen Union. Daher ist es – absolut gesehen – etwas teurer, aber unter dem Strich äußerst kostengünstig.

DATEV magazin: Gibt es bei den einschlägigen Schutzrechten Strategien, die man unbedingt befolgen sollte?

DR. ENNO CÖSTER: Patent, Gebrauchsmuster und eingetragenes Geschmacksmuster setzen Neuheit im Anmeldezeitpunkt voraus. Von Ausnahmen abgesehen kommt es also darauf an, dass die Erfindung oder das Design an dem Tag, an dem die Anmeldeunterlagen beim zuständigen Patent- und Markenamt eingereicht werden, der Öffentlichkeit noch nicht vorgestellt worden sind. Eine solche neuheitsschädliche Vorveröffentlichung darf weder durch Ausstellung des Gegenstands selbst noch durch Fotos oder Beschreibungen erfolgt sein. Die einschlägigen Vorschriften sind § 3 Patentgesetz, § 3 Gebrauchsmustergesetz und § 2 Abs. 2 Geschmacksmustergesetz. Wer seine Ware zunächst anbietet und verkauft, um den wirtschaftlichen Erfolg abzuwarten und zu beurteilen, ob sich eine Schutzrechtsanmeldung lohnt, hat die falsche Reihenfolge gewählt.

DATEV magazin: Hier scheint der Rat eines Experten unabdingbar zu sein.

DR. ENNO CÖSTER: Innerhalb derselben Schutzrechtskategorie gibt es auch qualitative Unterschiede desselben Schutzrechts. Es kommt entscheidend darauf an, die Patent- und Gebrauchsmusteransprüche, aus denen sich der sogenannte Schutzumfang gegenüber Verletzungsgegenständen ergibt, zutreffend zu formulieren. Das sollte der Erfinder einem Fachanwalt überlassen.

DATEV magazin: Können Sie das etwas genauer erläutern?

DR. ENNO CÖSTER: Bei Geschmacksmuster-hinterlegungen etwa ist von zentraler Bedeutung, welche Merkmale der jeweiligen Erscheinungsform in den hinterlegten Fotos wiedergegeben sind. An der Qualität solcher Fotos sollte daher nicht gespart werden. Denn im Streitfall wird der Verletzungsgegenstand nicht mit dem Originalgegenstand verglichen, sondern mit den hinterlegten Fotos des Originalgegenstands.

DATEV magazin: Gibt es Sonderregelungen?

DR. ENNO CÖSTER: Bei Gegenständen, die erstmals in der EU vorgestellt oder in den Verkehr gebracht werden, genießt der Erfinder ausnahmsweise, also ohne amtliche Registrierung des Designs als Geschmacksmuster und ohne Hinterlegung von Fotos, Schutz gegen Nachahmung seines Designs. Dieser Schutz währt allerdings nur drei Jahre, im Gegensatz zum amtlich eingetragenen Geschmacksmuster, das bis zu 25 Jahre aufrechterhalten werden kann.

DATEV magazin: Die absoluten Highlights haben Sie bisher noch gar nicht angesprochen …

DR. ENNO CÖSTER: Designerische Leistungen mit Individualität können auch Urheberrechtsschutz bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers in Anspruch nehmen. Dieser Schutz entsteht für den Schöpfer, ohne dass es formeller Maßnahmen bedarf. Und sozusagen die Taube auf dem Dach erhält derjenige, dem es gelingt, eine Warenform als Marke eintragen zu lassen.

DATEV magazin: Welchen speziellen Vorteil erhält man durch die Markeneintragung?

DR. ENNO CÖSTER: Jeder Markenschutz – auch derjenige von drei-dimensionalen Marken – währt theoretisch unbegrenzt. Denn einen Markenschutz kann man immer wieder um zehn Jahre verlängern. Deshalb ist die Rechtsprechung bei der Gewährung von dreidimensionalen Marken wie etwa der Form einer Flasche oder Verpackung, eines Schreibgeräts oder Spielbausteins sehr zurückhaltend.

Video

Hinweis

Mit der Bestätigung auf OK wird ein Video von YouTube eingebunden und abgespielt. Damit werden die Standarddaten an Google übertragen. Im Einzelnen können hier die IP-Adresse, die spezifische Adresse der bei uns aufgerufenen Seite, ggf. die Seite, von der Sie uns erreicht haben (Linkquelle), die übertragene Kennung des Browsers sowie Systemdatum und -zeit des Aufrufes übertragen werden. Möglicherweise erhält Google weitere Daten über bereits gespeicherte Cookies. Für diese Daten ist Google verantwortlich. Ohne die Bestätigung auf OK werden keine Daten an YouTube bzw. Google übertragen


abbrechen
OK




Zu den Autoren

Dr. Enno Cöster

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Er ist Partner bei Cöster & Partner Rechtsanwälte in Nürnberg sowie Lehrbeauftragter der Technischen Hochschule Nürnberg.

Weitere Artikel des Autors
Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

Weitere Artikel des Autors