Nachhaltige Besteuerung - 28. April 2022

Mit Steuern lenken

Nicht nur bei der europäischen Gesetzgebung steht Nachhaltigkeit auf der Agenda. Auch auf nationaler Ebene ist man bestrebt, zukunftsorientierte Gesetze steuerrechtlich zu begleiten.

Nachhaltigkeit ist der Megatrend der letzten Jahre und wird deutsche Unternehmen in Zukunft stark be­schäftigen. Dabei ist weltweit eine zunehmende Ver­schiebung des regulatorischen Rahmens für nachhalti­ges unternehmerisches Handeln vom sogenannten Soft Law zu rechtsverbindlichen Vorgaben der jeweiligen Gesetzgeber erkennbar. Als jüngstes Beispiel ist in Deutschland das im letzten Jahr ergangene Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferket­ten (Lieferkettengesetz) zu nennen. Auf europäischer Ebene stellen unter anderem der European Green Deal sowie die CSR-Richtlinie von 2014, die in Deutschland mit Gültigkeit für große kapitalmarktorientierte Unter­nehmen ab dem Geschäftsjahr 2017 in nationales Recht umgesetzt wurde, die Absicht der Europäischen Union (EU) unter Beweis, dem nachhaltigen Wirtschaften von den in der EU ansässigen Unternehmen einen zunehmend rechtsver­bindlichen Rahmen zu verleihen. Auch soll es schon in naher Zukunft eine EU-Richtlinie zu den Pflichten europäischer Unter­nehmen in den weltweiten Lieferketten geben. Ein entsprechender Legislativvorschlag wurde nun zum 23. Februar 2022 vorgelegt und sieht erwartungsgemäß deutliche Verschärfungen im Vergleich zur deutschen Lieferkettengesetzgebung vor. Diese setzt für die unternehme­rischen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette einen klaren Schwerpunkt auf die Achtung grundlegender Menschenrechte, wohingegen der EU-Legislativ­vorschlag eine deutliche Betonung der Umweltschutzaspekte vorsieht.

Deutschland bleibt Hochsteuerland

In Deutschland dürften unter der neuen Bundesregierung künftig ebenfalls besonders die um­weltrechtlichen Aspekte einer unternehmerischen Nachhaltigkeit an Bedeutung zulegen. Inso­weit ist auch für die Steuerpolitik der neuen Regierung zu erwarten, dass diese eine wesentli­chere Rolle bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen darstellen wird. Zwar liegen noch keine kon­kreten Gesetzesvorhaben der neuen Bundesregierung vor, doch enthält der Koalitionsvertrag vom 24. November 2021 bereits einige in dieser Hinsicht deutliche Absichtserklärungen. Laut dem Koalitionsvertrag bleibt Deutschland auch in der kommenden Legislaturpe­riode ein Hochsteuerland, obwohl im internationalen Wettbewerbsumfeld deut­scher Unternehmen ein Trend zur Senkung von Unternehmenssteuern erkenn­bar ist. Allerdings wurden seitens der neuen Bundesregierung umfassende Ausgabenevaluierungen angekündigt, um überflüssige, unwirksame und vor allem klimaschädliche Subventionen abzubauen. Dabei ist es ein erklärtes Ziel, Umschichtungspotenziale zur Finanzierung der großen Zukunftsaufgaben zu generieren, wenngleich die inso­weit möglicherweise betroffenen Bereiche oder gar konkrete Regelungen offenblieben im Koalitionsvertrag. Klar dürfte auch sein: Sollte die Finanzierung der Koalitionsvorhaben bezüglich Klimawandel und Digitalisierung nicht durch Einsparungen, Wirtschaftswachstum und Mobilisierung privaten Kapitals gelingen, wird eine Diskussion um die Notwendigkeit von Steuererhöhungen mit hoher Wahr­scheinlichkeit wieder aufflammen.

Klimaprämie und Superabschreibung

Als konkretes steuerpolitisches Vorhaben zum Klima­wandel ist im Koalitionsvertrag unter anderem eine sogenannte Klimaprämie angedacht, die in Form ei­ner Superabschreibung für Investitionen in den Jah­ren 2022/2023 in besonderer Weise dem Klimaschutz dienen und den Einsatz privaten Kapitals zur Finan­zierung der Klimawende fördern soll. Genaue Bestim­mungen zu den insoweit als förderfähig erachteten In­vestitionen sind im Koalitionsvertrag jedoch nicht ent­halten und werden abzuwarten sein. Der verwendete Begriff Superabschreibung könnte jedoch eine mehr als hundertprozentige steuerliche Geltendmachung der Kos­ten bedeuten, entsprechend dem österreichischen Vorbild für Forschungsaufwendungen. Aus den Bundestagsfraktio­nen sind solche Überlegungen bereits bekannt geworden.

Fahrzeugbesteuerung

Dienstwagen sollen künftig einheitlich nur noch bei einem positiven Klimaschutzeffekt steuerlich privilegiert werden, womit sich der Koaliti­onsvertrag eindeutig auf die Elektromobilität bezieht. Als Maßstab für den Klimaschutzeffekt wird dabei allein auf die elektrische Mindestreichweite sowie den elektrischen Fahranteil von Kraftfahrzeugen abgestellt. Die elektrische Min­destreichweite für begünstigte Fahrzeuge soll demzufolge schon ab dem 1. August 2023 auf 80 Kilometer angehoben und nicht erst wie bisher sukzessive bis 2025 auf 80 Kilo­meter gesteigert werden. Der elektrische Fahranteil eines steuerlich privilegierten Fahrzeugs muss künftig bei nachweislich mindestens 50 Prozent liegen. Wie dieser Nachweis dann kon­kret zu führen ist, ist aktuell noch offen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang außer­dem, dass der Koalitionsvertrag keine Aussage zu möglichen Ausnahmeregelungen für Viel- oder Weitfahrerinnen und -fahrer enthält.

Innovationsprämie und Dieselprivilegierung

Die bestehende Innovationsprämie für die Anschaffung von E-Autos und Plug-in-Hybrids soll auf Basis der bisherig gülti­gen Voraussetzungen bis zum 31. Dezember 2022 verlängert werden, wohl wegen Lieferschwierigkeiten bei bereits be­stellten Fahrzeugen, ab dem 1. Januar 2023 dann aber in ih­ren Voraussetzungen stufenweise verschärft und mit einer degressiven Förderung ausgestattet werden. Ganz auslaufen soll die Prämie dann erst Ende 2025, ab 2026 soll eine be­günstigte Dienstwagenbesteuerung nur noch für vollelektri­sche oder anderweitig voll CO2-neutrale Kraftfahrzeuge (Technologieoffenheit) möglich sein. Des Weiteren ist ein Ab­bau der Dieselprivilegierung bei der Kraftfahrzeugsteuer so­wie bei der Besteuerung von Treibstoffen geplant, Details und zeitliche Anwendung dieses Koalitionsvorhabens sind aktuell jedoch noch unklar.

Energiesteuer und EEG-Umlage

Der Koalitionsvertrag enthält keine Regelungen zu einer möglichen Reform anderer umweltbezogener Steuern, wie etwa der Energiesteuern, obwohl Deutschland im heutigen EU-Vergleich sowohl bei den Energiesteuern als auch bei den Strompreisen Spitzenplätze belegt und gerade die Strom­steuer wohl deutlich gesenkt werden müsste, um in Zukunft wettbewerbsfähige Energiekosten für die deutsche Industrie zu gewährleisten. Die bereits für das Jahr 2022 erheblich re­duzierte EEG-Umlage auf nun 3,7 Cent soll gemäß entspre­chenden Pressemitteilungen zukünftig nicht mehr über den Strompreis, sondern aus Haushaltsmitteln finanziert werden, ab 2030 könnte der EEG-Fördermechanismus sogar ganz entfallen. Darüber hinaus gibt es Überlegungen, die Einnah­men aus der CO2-Bepreisung zu einer Entlastung der Bürger zu nutzen. Ein konkretes Gesetzesvorhaben in dieser Rich­tung ist aktuell aber noch nicht absehbar.

Besteuerung von Verbrauchsgütern

Auch die Positionierung der neuen Bundesregierung zu einer Besteuerung nachhaltiger Verbrauchsgüter, wie beispiels­weise Kaffee, ist womöglich zu erwarten. Wie in der öffentli­chen Diskussion der letzten Jahre bereits mehrfach von di­versen Stakeholdern angeführt wurde, steht der Bundesre­gierung gerade mit dem Kaffeesteuergesetz ein nahezu opti­males Instrument zur Verfügung, um den Konsum von umweltfreundlich, sozial verantwortungsbewusst und unter angemessener Achtung der Menschenrechte hergestellten und fair gehandelten Produkten zu fördern. Sollten nachhal­tig hergestellte und gehandelte Produkte aufgrund von steu­erlichen Begünstigungen zu einem vergleichbaren Laden­preis erhältlich sein wie konventionell hergestellte Produkte, ohne dass die jeweiligen Produzenten dazu gezwungen wä­ren, Herstellungskosten zu senken, so hätte dies sicherlich spürbare Auswirkungen auf das Konsumverhalten der deut­schen Verbraucher.

Globale Nachhaltigkeitsziele einhalten

Vor dem Hintergrund des jüngsten deutschen Lieferketten­gesetzes würden solche steuerpolitischen Maßnahmen au­ßerdem die deutschen Unternehmen darin bestärken, in Zu­kunft nachhaltigere Entscheidungen entlang der Lieferkette zu treffen, und des Weiteren zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele beitragen, zu denen sich auch Deutsch­land bis 2030 im Rahmen der United Nations Sustainable De­velopment Goals Initiative verpflichtet hat.

Zum Autor

CE
Carla Everhardt

Rechtsanwältin und Associate Partner bei Rödl & Partner im Geschäftsbereich internationales Wirtschaftsrecht mit Fokus auf Nahost und Afrika. Sie begleitet Mandanten beim Markteintritt im deutschen In- und Ausland, auch unter Gesichtspunkten rechtlicher und steuerlicher Nachhaltigkeit.

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