Geschäftsgeheimnisse - 21. Dezember 2023

In der Justiz angekommen

Mehr als vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen beschäftigen sich erstmals auch die Obergerichte mit der Sicherheit vertraulicher und sensibler Informationen von Unternehmen und Betrieben.

Das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) ist bereits seit dem 26. April 2019 in Kraft – im Bewusstsein vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen aber immer noch nicht angekommen. Das ist mit Blick auf die zahlreichen Reformvorhaben und Krisen der letzten Jahre zwar verständlich, kann aber schwerwiegende Folgen haben. Ohne den erforderlichen Schutz können sich seit April 2019 als selbstverständlich angenommene Geschäftsgeheimnisse schnell zum bestandsgefährdenden Risiko entwickeln. Doch der Reihe nach: Das GeschGehG setzt eine Richtlinie der Europäischen Union (EU) in deutsches Recht um und löst die zuvor maßgeblichen Regelungen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ab. Damit ist der Schutz von Geschäftsgeheimnissen erstmals vollständig in einem Gesetz geregelt. Der Inhaberin und dem Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses stehen umfangreiche Ansprüche zu, wie beispielsweise das Recht auf Beseitigung, Unterlassung, Vernichtung, Herausgabe, Rückruf und Schadenersatz. Die Liste möglicher Geschäftsgeheimnisse ist lang und oft auch von der Branche sowie der Größe des Unternehmens abhängig. Zu den Klassikern der Geschäftsgeheimnisse zählen insbesondere Rezepte, wie etwa das für ein bekanntes koffeinhaltiges Kaltgetränk, Formeln, Prototypen, Produktionsverfahren, Unternehmensstrategien, Kalkulationen und Kundenlisten. Vor allem beim Know-how, das nicht von den Gewerblichen Schutzrechten (etwa Patente, Geschmacksmuster) erfasst wird, ist der gesetzliche Geheimnisschutz von essenzieller Bedeutung. Bevor jedoch dieser gesetzliche Schutz greift, muss der Geschäftsgeheimnisinhaber die Voraussetzungen hierfür schaffen. Während es nach der früheren Rechtslage in der Regel ausreichend war, dass der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses einen erkennbaren subjektiven Geheimhaltungswillen hatte, stellt das GeschGehG weitaus höhere Anforderungen. Nach der Legaldefinition ist ein Geschäftsgeheimnis eine Information,

  • die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist,
  • die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist sowie
  • bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.

Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, liegt bereits kein Geschäftsgeheimnis vor und der Anwendungsbereich des GeschGehG ist nicht eröffnet. Ob es sich um ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des Gesetzes handelt, hängt also auch davon ab, ob angemessene Schutzmaßnahmen hierfür bestehen, deren Existenz im Fall der Fälle vor Gericht dargelegt und bewiesen werden muss. Das GeschGehG übernimmt das in europäischen Rechtsetzungsakten beliebte Schutzkonzeptprinzip. Die Verpflichtung zur Schaffung beziehungsweise Aufrechterhaltung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen besteht für Großkonzerne wie für kleinere und mittlere Unternehmen und stellt damit Letztgenannte mal wieder vor eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Wann die getroffenen Geheimhaltungsmaßnahmen angemessen sind oder nicht, hängt – wie so oft – von den Umständen des Einzelfalls ab.

Aktuelle Rechtsprechung

Auch die ersten hierzu ergangenen obergerichtlichen Urteile gehen in diese Richtung. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf (Entscheidung vom 11.03.2021 – 15 U 6/20) bestimmt sich die Angemessenheit der Geheimhaltungsmaßnahmen anhand eines objektiven Maßstabs, wobei das Gesetz nicht optimalen Schutz oder extreme Sicherheit verlange. Zu berücksichtigen sind insoweit insbesondere die Art des Geschäftsgeheimnisses, die konkreten Umstände der Nutzung, der Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten, die Natur der Informationen, die Bedeutung für das Unternehmen, die Größe des Unternehmens, die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen, die Art der Kennzeichnung der Information und vereinbarte vertragliche Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern. Zudem ist das OLG Düsseldorf der Auffassung, dass angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen seit dem 26. April 2019 ununterbrochen vorliegen müssen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen und verlangt für die Beurteilung der Angemessenheit eine nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung, bei der einige der vom OLG Düsseldorf benannten Aspekte berücksichtigt werden (Urteil vom 18.08.2021 – 4 SaGa 1/21). Doch nicht jede ohne Weiteres zugängliche Information, die geheim gehalten wird, ist ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des Gesetzes. So muss die Information auch einen wirtschaftlichen Wert aufweisen, den der Inhaber des Geschäftsgeheimnisses darzulegen und zu beweisen hat. Es ist also erforderlich, dass die Informationen über einen tatsächlichen oder künftigen Handelswert verfügen, Relevanz für die Wettbewerbsposition des Unternehmens haben oder – im Falle ihres Bekanntwerdens – zu wirtschaftlichen Nachteilen führen (OLG Dresden, Urteil vom 14.03.2023 – 4 U 1377/22).

Fazit

Für Unternehmen, die ihre Maßnahmen zum Geheimnisschutz noch nicht an die gesetzlichen Anforderungen angepasst haben, besteht Handlungsbedarf, da ansonsten der Verlust von Geschäftsgeheimnissen droht. Leider gibt es aktuell jedoch noch keinen Masterplan für angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen.

MEHR DAZU

DATEV-Datenschutzbeauftragte – Ihr persönlicher Begleiter, www.datev.de/dsb

Zum Autor

Dr. Ralf Kittelberger

Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Er ist Partner der DREITOR Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB Kittelberger Hahn Kärcher Heilemann in Reutlingen.

Weitere Artikel des Autors