Die deutsche Datenschutzkonferenz hat Anfang Februar eine neue Orientierungshilfe der Aufsichtsbehörden zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten für Zwecke der Direktwerbung veröffentlicht.
Die Orientierungshilfe (OH) Direktwerbung ist keine vollständige Abhandlung zu den Anforderungen an eine Direktwerbung und auch kein Kompendium. Sie gibt für verschiedene Auslegungsfragen und Werbeszenarien Leitlinien nach der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) unter Berücksichtigung der Regelungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Die OH Direktwerbung stellt die antizipierte Verwaltungspraxis der Datenschutzaufsichtsbehörden dar und wird von den Behörden in der Praxis bereits auch umgesetzt. Wer sich an diese Vorgaben hält, muss keinen Ärger mit den Aufsichtsbehörden befürchten. Aber Gerichte sind an die Orientierungshilfe nicht gebunden – im Guten wie im Schlechten. Im Schadenersatzprozess einer Werbeadressatin oder eines Werbeadressaten etwa kann ein Gericht von den Leitlinien abweichen, ebenso wie ein Gericht im Rechtsstreit mit der Aufsichtsbehörde über eine Anordnung oder eine Sanktion. Leider können in dem vorliegenden Beitrag nicht alle Aspekte der OH Direktwerbung aufgegriffen werden. Er ordnet das Thema in den Gesamtkontext ein und stellt die grundsätzliche Leitlinie dar.
Spielregeln der Direktwerbung
Unter Werbung versteht man in Anlehnung an die EU-Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern“. Das ist sehr weit und umfasst auch Plakatwerbung, Websites oder Werbebanner. Was Direktwerbung ist, ist gesetzlich nicht definiert, obwohl die DS-GVO diesen Begriff explizit verwendet. Die OH Direktwerbung fasst darunter die unmittelbare Ansprache der Zielperson. Diese Ansprache kann in unterschiedlicher Form erfolgen, zum Beispiel postalisch, per E-Mail, Telefon, Fax oder SMS. Die Direktwerbung wird durch die DS-GVO in Erwägungsgrund 47 als berechtigtes Interesse für die Verarbeitung personenbezogener Daten anerkannt. Aber nicht nur die DS-GVO, sondern auch das UWG enthält in seinem § 7 explizite Vorgaben für die Zulässigkeit der Direktwerbung, die nicht durch die DS-GVO verdrängt werden. Das ist zwischenzeitlich in der Praxis sowohl durch die Rechtsprechung als auch in der OH Direktwerbung anerkannt. Die Spielregeln für die Zulässigkeit einer Direktwerbung ergeben sich demnach zum einen aus der DS-GVO und zum anderen aus § 7 UWG.
Zusammenwirken der Spielregeln
Für die Praxis lässt sich das Zusammenspiel der Regelungen aus DS-GVO und UWG vereinfacht so umschreiben: § 7 UWG entscheidet darüber, ob für die Direktwerbung eine ausdrückliche Einwilligung erforderlich ist oder nicht. Die DS-GVO entscheidet über die Anforderungen an die Einwilligung und die Ausgestaltung.
Wann ist (k)eine Einwilligung erforderlich?
§ 7 UWG unterscheidet strukturiert zwischen den Formen der Direktwerbung und den Adressaten. Daraus ergibt sich die nachstehende Tabelle.
Adressat | Anforderungen |
---|---|
Briefpostwerbung | |
Verbraucher | Zulässigkeit bis zum Widerspruch, sofern nicht erkennbar unerwünscht |
Gewerbetreibende | Zulässigkeit bis zum Widerspruch, sofern nicht erkennbar unerwünscht |
Telefonwerbung | |
Verbraucher | vorherige ausdrückliche Einwilligung |
Gewerbetreibende | mutmaßliche Einwilligung |
automatische Anrufmaschinen, Telefax und elektronische Post (E-Mail, SMS und sonstige Messenger) | |
Verbraucher | vorherige ausdrückliche Einwilligung |
Gewerbetreibende | vorherige ausdrückliche Einwilligung |
Sonderregelung für E-Mail-Werbung | |
Bestandskunden |
Aber Achtung: Da die Verarbeitung personenbezogener Daten hierfür nur zulässig ist, wenn eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 DS-GVO vorliegt, muss die Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DS-GVO zusätzlich durchgeführt werden, wenn nicht ohnehin schon nach § 7 UWG eine Einwilligung erforderlich ist.
Briefpostwerbung und Telefonwerbung
Die OH Direktwerbung gibt für diese datenschutzrechtliche Prüfung eine Orientierung. Wenn einfache Briefpostwerbung durchgeführt wird, dann steht die Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DS-GVO regelmäßig nicht entgegen. Wenn für die Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden eine mutmaßliche Einwilligung genügt, dann fällt regelmäßig auch die Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DS-GVO zugunsten der Zulässigkeit aus. (Doch Vorsicht: Bei Verbrauchern gilt für Telefonwerbung das Erfordernis der Einwilligung.) Die OH Direktwerbung erläutert auch, was eine mutmaßliche Einwilligung aus der Sicht der Datenschutzaufsichtsbehörden voraussetzt. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) stellt sie heraus, dass eine bloße Sachbezogenheit, etwa eine Werbung für Büroartikel, Telefon- und Stromanbieter oder auch die entgeltliche Vermittlung von Aufträgen, nicht genüge, um eine mutmaßliche Einwilligung eines angerufenen Unternehmers anzunehmen (BGH-Urteil vom 16.11.2006 – I ZR 191/03). Erforderlich sei nämlich, dass für den Anruf ein konkreter und aus dem Interessenbereich des Angerufenen herzuleitender Grund vorliegt. Als Beispiel wird ein geschäftlicher Vorkontakt genannt, was aber nicht der einzige Fall ist. Aus der Rechtsprechung zum UWG lässt sich entnehmen, dass eine mutmaßliche Einwilligung eher nicht mehr gegeben ist, wenn eine Mehrzahl von Unternehmen auf dieselbe Argumentation abstellen könnte.
Einwilligung in Direktwerbung
Für die Einwilligung in eine Direktwerbung hat die deutsche Rechtsprechung bereits vor der DS-GVO recht strenge Anforderungen definiert, die auch unter der DS-GVO fortgelten. Diese werden in der OH Direktwerbung aufgegriffen. Die Einwilligung ist danach nur wirksam, wenn sie freiwillig und bezogen auf einen bestimmten Fall informiert abgegeben wird. Eine solche Informiertheit erfordert, dass neben der Art der beabsichtigten Direktwerbung, wie etwa per Brief, E-Mail, SMS oder Telefon, die Produkte oder Dienstleistungen, die Gegenstand der Werbung sein sollen, sowie das werbende Unternehmen genannt sind. Erforderlich ist zumindest eine unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung der betroffenen Person. Die Erklärung kann formfrei abgeben werden, muss aber vom werbetreibenden Unternehmen nachgewiesen werden können. Zum Beweis gehört auch, dass gerade der konkrete Text der Einwilligung erklärt wurde. Wird diese Einwilligungserklärung zusammen mit anderen, insbesondere vertraglichen Erklärungen schriftlich oder in einem elektronischen Format erteilt, so ist sie gemäß Art. 7 Abs. 2 S. 1 DS-GVO in einer von anderen Sachverhalten klar unterscheidbaren Weise darzustellen. Ein spezieller Fall liegt vor, wenn andere Leistungen von der Abgabe einer Einwilligung abhängig gemacht werden, der sogenannten Kopplung. Die OH Direktwerbung erkennt zwischenzeitlich an, dass die DS-GVO kein Kopplungsverbot kennt. Gleichwohl wird ausgeführt, dass es bei einer derart eingeholten Einwilligung regelmäßig an der Freiwilligkeit fehlen solle, sodass sie unwirksam sei. Das ist in dieser Absolutheit zwar nicht zutreffend, aber dennoch macht es deutlich, dass eine Kopplung Spannungspotenzial erzeugt und besonderer Aufmerksamkeit in der rechtlichen Bewertung bedarf.
Hinweispflichten – die unterschätzte Stolperfalle
Die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden machen in der OH Direktwerbung sehr deutlich, dass sie auch wesentliches Augenmerk auf die Einhaltung der proaktiven Unterrichtungspflichten legen. Die betroffene Person, deren Daten, wie beispielsweise Anschrift oder E-Mail-Adresse, für Direktwerbung verwendet werden sollen, muss also auch in Bezug auf die Direktwerbung vollständig nach den Art. 13, 14 DS-GVO informiert werden. Das ist aufwendig, aber in der Praxis realisierbar, zumal die OH Direktwerbung hierzu auch Hilfestellungen bietet. Mit Blick auf den Pflichtinhalt dieses Hinweises sind insbesondere zwei Aspekte von Anfang an zu bedenken. Bestandteil der Pflichtinformation nach DS-GVO ist die Angabe der Rechtsgrundlage. Das bedeutet, dass mitgeteilt werden muss, ob die Direktwerbung auf eine Einwilligung gestützt wird oder auf eine Interessenabwägung. Konkret gesagt heißt dies, dass diese Frage nach der Einordnung unter § 7 UWG und Art. 6 Abs. 1 DS-GVO nicht offengelassen werden kann. Bestandteil der Pflichtinformation ist auch die Speicherdauer. Der betroffenen Person muss mitgeteilt werden, wie lange ihre Daten für die Direktwerbung verwendet werden. In der Praxis ist das auch selten ein Problem, es muss aber entschieden werden. Vergessen werden darf auch nicht, dass nach Ansicht der OH Direktwerbung die betroffenen Personen gesondert und zusätzlich im Fall der Einwilligung auf ihr Recht zum Widerruf der Einwilligung und in den anderen Fällen auf ihr Recht zum Widerspruch hingewiesen werden müssen. Die OH Direktwerbung macht auch deutlich, dass der Werbetreibende Maßnahmen vorsehen muss, um einen Widerruf beziehungsweise einen Widerspruch unverzüglich und effektiv umzusetzen.
Nachweis der Zulässigkeit
Die Orientierungshilfe stellt klar, dass das werbetreibende Unternehmen auch nach einem Widerruf beziehungsweise Widerspruch in der Lage sein müsse, die Zulässigkeit, insbesondere die Erteilung der Einwilligung, nachweisen zu können. Das bedeutet: Eine Löschung dieser Daten unmittelbar nach dem Widerruf sollte nicht erfolgen. Das ist eine immer mal wieder von Abmahnenden und einen Schadenersatz Fordernden ausgenutzte Falle. Die Aufbewahrung muss erfolgen, solange noch Ansprüche gegen das werbetreibende Unternehmen geltend gemacht oder Sanktionen verhängt werden können. Auf diese Aufbewahrung soll nach Ansicht der OH Direktwerbung bereits bei der Erhebung der Daten für die Direktwerbung hingewiesen werden. Als Rechtsgrundlage für die auch fortgesetzte Aufbewahrung der Einwilligung kommt die erteilte Werbeeinwilligung selbst typischerweise nicht in Betracht. Die Datenschutzkonferenz (DSK) benennt hierfür Art. 6 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 lit. a, Abs. 2, Art. 7 Abs. 1 DS-GVO und Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO. Das ist auch wichtig für die spezielle Aufbewahrungsregelung für B2C-Telefonwerbung nach § 7a UWG.
Fazit
Die OH Direktwerbung ist eine Pflichtlektüre für jedes Unternehmen, das Direktwerbung betreibt. Auch wenn sie nicht alles umfassend darstellt und eine Rechtsberatung nicht ersetzen kann, gibt sie in jedem Fall eine Orientierung, wie sich Konflikte mit den Datenschutzaufsichtsbehörden in wesentlichen Aspekten vermeiden lassen.
MEHR DAZU
Präsenzseminar „Datenschutz aktuell 2022 – die Datenschutz-Grundverordnung in der Praxis“,