Aufgrund beruflicher Umorientierung, altersbedingter Niederlegung oder unvorhersehbarer privater Ereignisse in der Geschäftsführung stehen Unternehmen während ihrer Existenz mindestens einmal auch vor der Herausforderung, die Nachfolge zu regeln.
Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn schätzte für den Zeitraum 2022 bis 2026, dass etwa 190.000 Unternehmensübergaben in Deutschland fällig seien. Jedoch standen und stehen nur bedingt Nachfolgerinnen und Nachfolger mit den notwendigen Kompetenzen sowie dem erforderlichen Know-how bereit, welche die Unternehmensleitung übernehmen und so für ein erfolgreiches Fortbestehen der Firmen sorgen können. Der Mittelstand ist davon besonders stark betroffen, da sich hier viele nachfolgebedürftige Unternehmen finden. Wichtig ist eine rechtzeitige Vorbereitung der Unternehmensnachfolge, sodass eine geeignete Nachfolge die Stilllegung des Lebenswerks vermeidet. Die Nachfolge ist zunächst aus der Perspektive des Nachfolgers zu betrachten. Das betrifft neben der Suche nach möglichen Akquiseobjekten auch den Businessplan und die Finanzierung. Für Übergeber und Übernehmer ebenfalls wichtig sind eine objektive Bewertung des Unternehmens, strukturierte Kaufpreisverhandlungen sowie Due- Diligence-Prüfungen. Innerhalb des Nachfolgeprozesses ist Wert darauf zu legen, dass sowohl die Übergeber- als auch die Übernehmerseite ein gemeinsames Ziel verfolgen, denn darin liegt das Erfolgsrezept für eine langfristige, erfolgreiche Nachfolge. Obwohl Unternehmensnachfolgen je nach Unternehmensart variieren, lassen sich die Prozesse grundsätzlich anhand von sechs Schritten erklären.
Vorbereitung der Unternehmensnachfolge
In der Vorbereitungsphase geht es zunächst darum, dass Gesellschafter oder Inhaber ein gemeinsames Verständnis für den Prozess und die Ziele der Nachfolge erlangen. Dazu nehmen die Berater die Wünsche und Vorstellungen der Übergebenden auf. Außerdem erfolgt eine Aufarbeitung der finanzwirtschaftlichen Unterlagen. Dabei wird unter anderem geprüft, ob eine geordnete Buchführung vorliegt, da diese ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Unternehmensnachfolge ist. Oft fallen Kosten an, die nicht unmittelbar dem Betriebszweck dienen, sondern als Zusatzvergütung an den Gesellschafter oder Geschäftsführer zu werten sind. Beispiele hierfür sind Luxusfahrzeuge als Dienstwagen oder hohe Tantiemen, die das Betriebsergebnis schmälern. Diese Sondereffekte sind gegenüber einem potenziellen Nachfolger immer erklärungsbedürftig und erschweren den Übergabeprozess, da sie einen Angriffspunkt für Nachverhandlungen im Verkaufspreis darstellen. Im Idealfall werden sie schon in den fünf der Nachfolge vorangehenden Geschäftsjahren bereinigt. Dadurch entsteht im späteren Verlauf ein klares Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ohne hohen Erklärungsbedarf.
Unternehmens- und Umfeldanalyse
Im zweiten Schritt einer Nachfolgebegleitung betrachten Berater das Unternehmen als solches sowie das Marktumfeld genauer. Es ist wichtig, den Unternehmensgegenstand, die Prozesse und die aktuelle Unternehmenssituation zu verstehen. Offene Fragen sind Sand im Getriebe eines Verkaufsprozesses. Detailliert zu begutachten sind deshalb unter anderem das strategische Leistungsprogramm, die Branche, die finanzwirtschaftliche Entwicklung, die aktuelle Wettbewerbssituation und die Organisationsstruktur des Unternehmens. Weiterhin sind konkrete mittelfristige Zielsetzungen für relevante Unternehmensbereiche zu erarbeiten. Sie dienen dazu, den Verkaufserfolg zu erhöhen.
Unternehmensbewertung und Finanzierbarkeit
Die Unternehmensbewertung und die Klärung der Finanzierbarkeit stellen die Herzstücke des Nachfolgeprozesses dar. Hier kommen in der Regel verschiedene Verfahren zum Einsatz, wie zum Beispiel Ertragswertverfahren und Discounted-Cash-Flow-Verfahren gemäß IDW S1, Multiplikatorverfahren oder Substanzwertverfahren, die jeweils unterschiedliche Prämissen als Grundlage nehmen. Die Verfahren liefern dementsprechend bei der Wertermittlung unterschiedliche Ergebnisse, sofern beispielsweise Discounted-Cash-Flow-Verfahren mit Substanzwertberechnungen verglichen werden. Nach der Wertermittlung werden die Marktfähigkeit des berechneten Werts bestimmt und Möglichkeiten im Aufbau der Finanzierungsstruktur vorgedacht. Der Verkaufs- beziehungsweise Kaufpreis des Unternehmens ist eine der größten Herausforderungen in der Nachfolge, da Eigentümer und Käufer den Preis aufgrund der unterschiedlichen emotionalen Bindung an das Unternehmen häufig grundlegend unterschiedlich einschätzen. Ein Berater kann hier die Rolle des neutralen Vermittlers übernehmen.
Suche eines geeigneten Nachfolgers
Nach der Unternehmensanalyse und -bewertung beginnt die aktive Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Die erarbeiteten Unternehmensdaten werden in einem Exposé zusammengefasst, das dem potenziellen Interessenten zur Verfügung gestellt wird. Die Nachfolger werden grundsätzlich in drei Gebieten gesucht: im direkten oder wirtschaftlichen Umfeld des Unternehmers sowie auf Nachfolgebörsen. Unterstützt ein Berater bei der Nachfolge, kann er auch sein eigenes Netzwerk mit heranziehen.

Über den Letter of Intent zum Kaufvertrag
Jeder potenzielle Interessent unterzeichnet eine Vertraulichkeitserklärung, damit Verkaufsabsicht sowie firmeninternes Wissen geheim bleiben. Besteht ernsthaftes Interesse, werden in weiteren persönlichen Gesprächen Eckpfeiler für einen Letter of Intent (LoI) ausgelotet. Ein unterzeichneter LoI ist eine formale Bestätigung der Kaufabsicht und signalisiert, dass sich die Verhandlungen in einem fortgeschrittenen Stadium befinden. Ist ein externer Berater in den Nachfolgeprozess integriert, wird dieser zwangsweise entweder vom Käufer oder Verkäufer beauftragt. Dennoch liegt der Fokus zu jedem Zeitpunkt darauf, ein Verhandlungsergebnis mit einem beidseitigen Erfolg zu erzielen. Nachdem alle Formalitäten ausgehandelt sind, kann der Kaufvertrag aufgesetzt und notariell beurkundet werden. Es beginnt der finale Übergabeprozess.
Begleitung bei Übergabe und Übernahme
Die Begleitung im Rahmen einer Nachfolgeberatung endet nicht mit dem unterzeichneten Kaufvertrag. Insbesondere die Zeit unmittelbar nach der Übergabe ist für den Unternehmenserfolg kritisch, da der Nachfolger sich intensiv in das Unternehmen und die bestehenden Teamstrukturen einarbeiten muss. Auch in der Übergabephase zeigt sich die Mehrdimensionalität der Nachfolgeberatung. Hier geht es um Coaching und Personalberatung, aber auch um harte betriebswirtschaftliche Themen wie Controlling und Reporting. Diese sind häufig sogar Auflage der finanzierenden Bank und müssen für einen festgelegten Zeitraum bereitgestellt werden.
Sondereffekte bei der Nachfolge
Neben Unternehmensgröße und Betriebsergebnis haben andere Sondereffekte einen Einfluss auf die Unternehmensbewertung und den Erfolg der Nachfolge. Auf diese hochindividuellen Faktoren ist mit Sorgfalt zu reagieren. Oft kommt die betriebliche Nutzung einer Privatimmobilie vor, die der Nachfolger nicht oder nur bedingt erwerben kann. Dies kann zu einer Verkaufspreisminderung führen, da die Verlagerung des Geschäftsbetriebs einen zusätzlichen Aufwand für den Käufer darstellt. Wird für die Immobilie bislang keine Miete gezahlt, erhöht sich das Ergebnis künstlich. Der Nachfolger müsste durch zukünftige Mietzahlungen mit einem niedrigeren Betriebsergebnis rechnen. Der Verkäufer sollte daher frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um eine reibungslose Übergabe zu gewährleisten. Ein weiterer möglicher Sondereffekt sind angestellte Familienmitglieder des scheidenden Inhabers. Dieser Umstand bringt verschiedene Herausforderungen mit sich. Verbleibt das Familienmitglied beispielsweise nach der Übergabe im Unternehmen, so kann dessen Eingliederung in die neue Struktur und Hierarchie schwierig sein. Doch auch wenn das Familienmitglied das Unternehmen verlässt, wird der Nachfolger mit Problemen konfrontiert. Angestellte Familienmitglieder nehmen häufig Schlüsselrollen ein und verfügen über Kernkompetenzen, sodass eine langwierige Suche nach einem geeigneten Ersatz bevorsteht. Daneben können eine Vielzahl weiterer Herausforderungen wie der Verlust von Know-how durch den Austritt des Inhabers, die fehlende Akzeptanz von Veränderungen durch bestehende Mitarbeiter und ein beeinträchtigtes Vertrauensverhältnis zu Bestandskunden und -partnern auftreten. Ein Berater kann durch Coaching oder Maßnahmen in der Personalstruktur und im Personalmarketing den Nachfolger entlasten.
Fachexpertise unabdingbar
Da die Suche nach einem geeigneten Nachfolger sehr aufwendig ist, wird es ohne die Einbindung fachlich qualifizierter Berater jedoch schwierig. Den mittelständischen Unternehmen stehen insoweit diverse Hilfsangebote zur Verfügung. Experten, die auf eine Unternehmensnachfolge spezialisiert sind, können dafür sorgen, dass aus der Nachfolgeproblematik keine Krise wird.
Fehler vermeiden
Eine zu spät angegangene Nachfolge kann schnell zur Krise werden. Doch wer sich an die zuvor beschriebenen Leitlinien hält, Sondereffekte berücksichtigt und kompetente Partner an seiner Seite hat, kann das nachhaltige Fortbestehen seines Unternehmens sicherstellen. Wichtig ist, dass sich die Gesellschafter frühzeitig mit der Nachfolge befassen und neben den offensichtlich relevanten Faktoren auch die meist unscheinbaren Sondereffekte beachten.
MEHR DAZU
LEXinform IWW Praxis Unternehmensnachfolge (PU), www.datev.de/shop/64004