Prozesse der Nachfolgeberatung - 25. August 2022

Die Übergabe planen und begleiten

Aufgrund beruflicher Umorientierung, altersbedingter Niederlegung oder unvorhersehbarer privater Ereignisse in der Geschäftsführung stehen Unternehmen während ihrer Existenz mindestens einmal auch vor der Herausforderung, die Nachfolge zu regeln.

Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn schätz­te für den Zeitraum 2022 bis 2026, dass etwa 190.000 Unternehmensübergaben in Deutschland fällig seien. Je­doch standen und stehen nur bedingt Nachfolgerinnen und Nachfolger mit den notwendigen Kompetenzen sowie dem erforderlichen Know-how bereit, welche die Unternehmens­leitung übernehmen und so für ein erfolgreiches Fortbeste­hen der Firmen sorgen können. Der Mittelstand ist davon besonders stark betroffen, da sich hier viele nachfolgebe­dürftige Unternehmen finden. Wichtig ist eine rechtzeitige Vorbereitung der Unternehmensnachfolge, sodass eine ge­eignete Nachfolge die Stilllegung des Lebenswerks vermei­det. Die Nachfolge ist zunächst aus der Perspektive des Nachfolgers zu betrachten. Das betrifft neben der Suche nach möglichen Akquiseobjekten auch den Businessplan und die Finanzierung. Für Übergeber und Übernehmer ebenfalls wichtig sind eine objektive Bewertung des Unter­nehmens, strukturierte Kaufpreisverhandlungen sowie Due- Diligence-Prüfungen. Innerhalb des Nachfolgeprozesses ist Wert darauf zu legen, dass sowohl die Übergeber- als auch die Übernehmerseite ein gemeinsames Ziel verfolgen, denn darin liegt das Erfolgsrezept für eine langfristige, erfolgrei­che Nachfolge. Obwohl Unternehmensnachfolgen je nach Unternehmensart variieren, lassen sich die Prozesse grund­sätzlich anhand von sechs Schritten erklären.

Vorbereitung der Unternehmensnachfolge

In der Vorbereitungsphase geht es zunächst darum, dass Gesellschafter oder Inhaber ein gemeinsames Verständnis für den Prozess und die Ziele der Nachfolge erlangen. Dazu nehmen die Berater die Wünsche und Vorstellungen der Über­gebenden auf. Außerdem erfolgt eine Aufarbeitung der finanz­wirtschaftlichen Unterlagen. Dabei wird unter anderem ge­prüft, ob eine geordnete Buchführung vorliegt, da diese ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Unternehmensnachfolge ist. Oft fallen Kosten an, die nicht unmittelbar dem Betriebszweck dienen, sondern als Zusatzvergütung an den Gesellschafter oder Geschäftsführer zu werten sind. Beispiele hierfür sind Luxusfahrzeuge als Dienstwagen oder hohe Tantiemen, die das Betriebsergebnis schmälern. Diese Sondereffekte sind ge­genüber einem potenziellen Nachfolger immer erklärungsbe­dürftig und erschweren den Übergabeprozess, da sie einen Angriffspunkt für Nachverhandlungen im Verkaufspreis dar­stellen. Im Idealfall werden sie schon in den fünf der Nachfol­ge vorangehenden Geschäftsjahren bereinigt. Dadurch ent­steht im späteren Verlauf ein klares Bild der Vermögens-, Fi­nanz- und Ertragslage ohne hohen Erklärungsbedarf.

Unternehmens- und Umfeldanalyse

Im zweiten Schritt einer Nachfolgebegleitung betrachten Be­rater das Unternehmen als solches sowie das Marktumfeld ge­nauer. Es ist wichtig, den Unternehmensgegenstand, die Pro­zesse und die aktuelle Unternehmenssituation zu verstehen. Offene Fragen sind Sand im Getriebe eines Verkaufsprozesses. Detailliert zu begutachten sind deshalb unter anderem das strategische Leistungsprogramm, die Branche, die finanzwirt­schaftliche Entwicklung, die aktuelle Wettbewerbssituation und die Organisationsstruktur des Unternehmens. Weiterhin sind konkrete mittelfristige Zielsetzungen für relevante Unter­nehmensbereiche zu erarbeiten. Sie dienen dazu, den Ver­kaufserfolg zu erhöhen.

Unternehmensbewertung und Finanzierbarkeit

Die Unternehmensbewertung und die Klärung der Finanzier­barkeit stellen die Herzstücke des Nachfolgeprozesses dar. Hier kommen in der Regel verschiedene Verfahren zum Ein­satz, wie zum Beispiel Ertragswertverfahren und Discounted-Cash-Flow-Verfahren gemäß IDW S1, Multiplikatorverfahren oder Substanzwertverfahren, die jeweils unterschiedliche Prämissen als Grundlage nehmen. Die Verfahren liefern dem­entsprechend bei der Wertermittlung unterschiedliche Er­gebnisse, sofern beispielsweise Discounted-Cash-Flow-Ver­fahren mit Substanzwertberechnungen verglichen werden. Nach der Wertermittlung werden die Marktfähigkeit des be­rechneten Werts bestimmt und Möglichkeiten im Aufbau der Finanzierungsstruktur vorgedacht. Der Verkaufs- bezie­hungsweise Kaufpreis des Unternehmens ist eine der größ­ten Herausforderungen in der Nachfolge, da Eigentümer und Käufer den Preis aufgrund der unterschiedlichen emotiona­len Bindung an das Unternehmen häufig grundlegend unter­schiedlich einschätzen. Ein Berater kann hier die Rolle des neutralen Vermittlers übernehmen.

Suche eines geeigneten Nachfolgers

Nach der Unternehmensanalyse und -bewertung beginnt die aktive Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Die erarbei­teten Unternehmensdaten werden in einem Exposé zusam­mengefasst, das dem potenziellen Interessenten zur Verfü­gung gestellt wird. Die Nachfolger werden grundsätzlich in drei Gebieten gesucht: im direkten oder wirtschaftlichen Um­feld des Unternehmers sowie auf Nachfolgebörsen. Unter­stützt ein Berater bei der Nachfolge, kann er auch sein eige­nes Netzwerk mit heranziehen.

Die drei Sphären, in denen Unternehmensnachfolger gesucht werden sind das Familienumfeld oder unternehmensintern, das wirtschaftliche Umfeld, also Partner, Lieferanten, o.Ä. oder Unternehmensbörsen
Die drei Sphären, in denen Unternehmensnachfolger gesucht werden

Über den Letter of Intent zum Kaufvertrag

Jeder potenzielle Interessent unterzeichnet eine Vertraulich­keitserklärung, damit Verkaufsabsicht sowie firmeninternes Wissen geheim bleiben. Besteht ernsthaftes Interesse, wer­den in weiteren persönlichen Gesprächen Eckpfeiler für ei­nen Letter of Intent (LoI) ausgelotet. Ein unterzeichneter LoI ist eine formale Bestätigung der Kaufabsicht und signalisiert, dass sich die Verhandlungen in einem fortgeschrittenen Sta­dium befinden. Ist ein externer Berater in den Nachfolgepro­zess integriert, wird dieser zwangsweise entweder vom Käu­fer oder Verkäufer beauftragt. Dennoch liegt der Fokus zu je­dem Zeitpunkt darauf, ein Verhandlungsergebnis mit einem beidseitigen Erfolg zu erzielen. Nachdem alle Formalitäten ausgehandelt sind, kann der Kaufvertrag aufgesetzt und notariell beurkundet werden. Es beginnt der finale Übergabeprozess.

Begleitung bei Übergabe und Übernahme

Die Begleitung im Rahmen einer Nachfol­geberatung endet nicht mit dem unter­zeichneten Kaufvertrag. Insbesondere die Zeit unmittelbar nach der Übergabe ist für den Unterneh­menserfolg kritisch, da der Nachfolger sich intensiv in das Unternehmen und die bestehenden Teamstrukturen einarbei­ten muss. Auch in der Übergabephase zeigt sich die Mehrdi­mensionalität der Nachfolgeberatung. Hier geht es um Coa­ching und Personalberatung, aber auch um harte betriebs­wirtschaftliche Themen wie Controlling und Reporting. Diese sind häufig sogar Auflage der finanzierenden Bank und müs­sen für einen festgelegten Zeitraum bereitgestellt werden.

Sondereffekte bei der Nachfolge

Neben Unternehmensgröße und Betriebsergebnis haben an­dere Sondereffekte einen Einfluss auf die Unternehmensbe­wertung und den Erfolg der Nachfolge. Auf diese hochindivi­duellen Faktoren ist mit Sorgfalt zu reagieren. Oft kommt die betriebliche Nutzung einer Privatimmobilie vor, die der Nachfolger nicht oder nur bedingt erwerben kann. Dies kann zu einer Verkaufspreisminderung führen, da die Verlagerung des Geschäftsbetriebs einen zusätzlichen Aufwand für den Käufer darstellt. Wird für die Immobilie bislang keine Miete gezahlt, erhöht sich das Ergebnis künstlich. Der Nachfolger müsste durch zukünftige Mietzahlungen mit einem niedrige­ren Betriebsergebnis rechnen. Der Verkäufer sollte daher frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um eine reibungslose Über­gabe zu gewährleisten. Ein weiterer möglicher Sondereffekt sind angestellte Familienmitglieder des scheidenden Inha­bers. Dieser Umstand bringt verschiedene Herausforderun­gen mit sich. Verbleibt das Familienmitglied beispielsweise nach der Übergabe im Unternehmen, so kann dessen Einglie­derung in die neue Struktur und Hierarchie schwierig sein. Doch auch wenn das Familienmitglied das Unternehmen ver­lässt, wird der Nachfolger mit Problemen konfrontiert. Ange­stellte Familienmitglieder nehmen häufig Schlüsselrollen ein und verfügen über Kernkompetenzen, sodass eine langwieri­ge Suche nach einem geeigneten Ersatz bevorsteht. Daneben können eine Vielzahl weiterer Herausforderungen wie der Verlust von Know-how durch den Austritt des Inhabers, die fehlende Akzeptanz von Veränderungen durch bestehende Mitarbeiter und ein beeinträchtigtes Vertrauensverhältnis zu Bestandskunden und -partnern auftreten. Ein Berater kann durch Coaching oder Maßnahmen in der Personalstruktur und im Personalmarke­ting den Nachfolger entlasten.

Fachexpertise unabdingbar

Da die Suche nach einem geeigneten Nachfolger sehr aufwendig ist, wird es ohne die Einbindung fachlich qualifizierter Berater jedoch schwierig. Den mittelstän­dischen Unternehmen stehen insoweit di­verse Hilfsangebote zur Verfügung. Exper­ten, die auf eine Unternehmensnachfolge spezialisiert sind, können dafür sorgen, dass aus der Nachfolgeproblematik keine Krise wird.

Fehler vermeiden

Eine zu spät angegangene Nachfolge kann schnell zur Krise werden. Doch wer sich an die zuvor beschriebenen Leitlinien hält, Sondereffekte berücksichtigt und kompetente Partner an seiner Seite hat, kann das nachhaltige Fortbestehen sei­nes Unternehmens sicherstellen. Wichtig ist, dass sich die Gesellschafter frühzeitig mit der Nachfolge befassen und ne­ben den offensichtlich relevanten Faktoren auch die meist unscheinbaren Sondereffekte beachten.

MEHR DAZU

LEXinform IWW Praxis Unternehmensnachfolge (PU), www.datev.de/shop/64004

Zum Autor

ML
Matthias Laudahn

Geschäftsführender Gesellschafter sowie Unternehmensberater und zertifizierter Unternehmensnachfolgeberater bei der ECOVIS Hansea­tische Mittelstandsberatung GmbH & Co. KG in Rostock

Weitere Artikel des Autors