Elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach - 3. März 2022

Neu, freiwillig und in jedem Fall sicher

Das neue elektronische Bürger- und Organisationenpostfach ermöglicht Privatpersonen, Unternehmen sowie Verbänden die elektronische und zugleich rechtssichere Kommunikation mit der Justiz.

Die Kommunikation von Bürgerinnen und Bürgern sowie anderen am Rechtsverkehr Beteiligten soll sich vereinfa­chen. Ab diesem Jahr besteht für die genannte Gruppe die Möglichkeit, über ein sogenanntes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) mit den Gerichten unse­res Landes zu kommunizieren. Grundlage hierfür ist ein ent­sprechendes Bundesgesetz mit der sperrigen Bezeichnung Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften. Die­ses Gesetz wurde am 11. Oktober 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2021, S. 4607) und ist – mit wenigen Aus­nahmen – zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten.

Hintergrund

Wir leben in einer digitalen Welt. Nahezu jeder kann heutzu­tage Nachrichten, Bilder und andere Medien online versen­den, Filme streamen, Bestellungen und Banküberweisungen mit ein paar Klicks tätigen, seinen nächsten Termin beim Arzt oder Physiotherapeuten vereinbaren und vieles mehr. Die seit nunmehr zwei Jahren anhaltende Corona-Krise hat die­sen Trend beschleunigt. Schüler kommunizieren per Tablet oder Laptop mit ihrer Schule, an den Universitäten erlangt die sogenannte Online-Lehre immer größere Bedeutung, be­rufliche Tätigkeiten werden ins Homeoffice verlagert, phy­sisch-reale Zusammenkünfte von Menschen werden ver­mehrt durch Videokonferenzen und vergleichbare elektroni­sche Formate ersetzt. Mit anderen Worten: Nahezu sämtliche Bereiche unseres täglichen Lebens passen sich dem Wandel von einer analogen zu einer digitalen Welt an.

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Justiz

Dieser Trend hat mittlerweile auch den Bereich der Justiz voll ergriffen. Hier ist seit einiger Zeit die Umstellung von her­kömmlichen Kommunikationsarten, wie etwa der Schriftform oder dem Grundsatz, dass Gerichtsverhandlungen in Anwe­senheit der Parteien im Gerichtssaal stattfinden, auf digitale Formate im Gange. Bereits seit 2002 ist es unter bestimmten Voraussetzungen den Beteiligten eines Rechtsstreits möglich, on­line an der Gerichtsverhandlung teilzuneh­men. Der damit einhergehende strukturelle Wandel zu einem elektronischen Rechts­verkehr (ERV) hat also auch hier Einzug er­halten, wenngleich dieser Prozess in der Öffentlichkeit mitunter als schleppend wahrgenommen wird. Ziel ist, allen am Rechtsverkehr beteiligten Akteuren vom Rechtsanwalt über den Notar bis zu den Parteien eines Rechtsstreits und sonstigen Verfahrensbeteilig­ten einen digitalen Zugang zu den Gerichten zu verschaffen.

Bisher vom ERV erfasste Akteure

Bisher konnten nur ausgewählte Berufsgruppen und Behör­den über ein elektronisches Postfach mit den Gerichten kom­munizieren. Die technische Grundlage dafür bildete das so­genannte Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP), hinter dem sich eine digitale Kommunikationsinfra­struktur für die verschlüsselte Übermittlung von Dokumen­ten und Akten zwischen berechtigten Teilnehmern verborgen hat. Für die Anwaltschaft wurde hierzu bereits vor einigen Jahren das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingeführt. Für die Berufsgruppe der Notare – auch diese stehen in häufigem Kontakt mit den Gerichten – existiert ein Pendant in Form des besonderen elektronischen Notarpost­fachs (beN); Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts steht ein besonderes elektronisches Behördenpost­fach (beBPo) für die Kommunikation mit den Gerichten zur Verfügung. Und für die Angehörigen der steuerberatenden Berufe soll ab 2023 das besondere elektronische Steuerbera­terpostfach (beSt) verpflichtend eingeführt werden.

Sonstige nicht hinreichend angebunden

Anderen Protagonisten, insbesondere Unternehmen, Ver­bände und Privatpersonen, war eine virtuelle Kontaktaufnah­me zu den Gerichten zwar rein theoretisch bisher schon im Rahmen von elektronischen Signaturen oder De-Mail-Postfä­chern möglich; die Akzeptanz solcher Online-Zugangsmög­lichkeiten war jedoch aufgrund des damit verbundenen ho­hen technischen Aufwands bislang sehr gering. Hinzu kam der Umstand, dass die Justiz selbst vorerst sicherheitshalber keine Dokumente an die Inhaber von De-Mail-Postfächern übermittelte. Hintergrund war, dass je nach Größe des elekt­ronischen Dokuments in einigen Fällen die Übermittlungska­pazitäten für solche Postfächer überschritten wurden und da­mit eine verlässliche Zustellung im Rahmen des Rechtsver­kehrs gefährdet war. Ähnliches galt für Dokumente, die per elektronischer Signatur an die Gerichte versandt wurden. Eine Rückantwort durch das Gericht an den Absender war auf diesem Kommunikationskanal bislang nicht möglich. Deshalb bestand die Not­wendigkeit, diesem Nutzerkreis auch eine technisch einfache und zugleich sichere Alternative für die virtuelle Kommunikati­on mit den Gerichten zu ermöglichen.

eBO schließt bisherige ERV-Lücken

Dies soll nunmehr durch die Einführung des eBO zu Beginn dieses Jahres erreicht werden. Die rechtliche Umsetzung erfolgt durch eine entsprechende Ausweitung des vom ERV umfass­ten Nutzerkreises im Sinne der Elektronischen-Rechtsver­kehr-Verordnung (ERVV) vom 24. November 2017 (BGBl. I 2017, S. 3803); Letztere erhielt ein neues Kapitel 4, in dem in nur vier Paragrafen das neue eBO implementiert wurde. Flan­kierende Änderungen in den einzelnen Verfahrensordnungen, namentlich Zivilprozessordnung (ZPO), Strafprozessordnung (StPO), Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), Sozialgerichtsge­setz (SGG), Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie in an­deren Gesetzen, wie etwa Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), Beurkundungsgesetz (BeurkG) oder Grundbuchord­nung (GBO), stellen sicher, dass das eBO überall dort, wo es zum Einsatz kommen soll, abgebildet und als eine weitere zu­lässige und sichere Form der Kommunikation mit den Gerich­ten anerkannt wird.

Vom eBO erfasster Nutzerkreis

Der vom eBO erfasste Nutzerkreis ist denkbar groß: Nach § 10 Abs. 1 ERVV in ihrer ab 1. Januar 2022 geltenden Fas­sung können natürliche und juristische Personen sowie sonstige Vereinigungen künftig über das eBO mit den Gerichten kommunizieren. Erfasst sind somit Bürger, Unternehmen, Verbände und andere Organisationen. Aber auch besondere Verfahrensbeteiligte, die noch nicht dem Kreis der bislang erfassten, professionellen Nutzer des ERV angehörten, kom­men hierbei in Betracht; zu denken ist etwa an Gerichtsvoll­zieher, Betreuer, Sachverständige oder Dolmetscher. Mit Blick auf die besondere Gerichtsbarkeit, wie etwa Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichte, gelangen zudem auch spe­zifische Verbände, so zum Beispiel Gewerkschaften, Arbeit­geberverbände, Naturschutzorganisationen oder Sozialver­bände, in den Kreis der Nutzungsberechtigten.

Wirkungen des eBO

Die Wirkungen des eBO sind denkbar einfach. Wo nach dem Gesetz für die prozessuale Korrespondenz ein Schriftform­vorbehalt besteht, kann künftig mittels eBO ersatzweise auch digital kommuniziert werden. Dies betrifft eine Vielzahl von Eingaben, vom Einreichen eines Schriftsatzes über das Stel­len von Anträgen bis hin zur Einreichung eines schriftlichen Gutachtens. Zudem gilt dieses Prinzip in beide Richtungen der Kommunikation, nämlich sowohl vom Nutzer des eBO hin zum Gericht als auch umgekehrt.

Keine Nutzungspflicht

Dabei besteht für den vom eBO erfassten Nutzerkreis aktuell auch weiterhin die Freiheit, auf die bisherigen Kommunikati­onsformen zurückzugreifen. Denn ganz im Gegensatz zu be­stimmten Berufsgruppen, wie etwa Rechtsanwälten (ab 01.01.2022) oder Steuerberatern (ab 01.01.2023), besteht ak­tuell kein Zwang, das eBO gegenüber den Gerichten zu ver­wenden. Dessen Einrichtung und Benutzung ist also bislang noch freiwillig. Nur für einen begrenzten Anwenderkreis, etwa Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, tritt eine akti­ve Nutzungspflicht zum 1. Januar 2026 in Kraft.

Die Einrichtung eines eBO

Für die Einrichtung und spätere Nutzung eines eBO ist zu­nächst eine identitätsbestätigende Registrierung erforder­lich. Hierbei setzt die Bundesregierung auf die Technik SAFE (Secure Access to Federated E-Justice/E-Government) und damit auf ein bestehendes Format, das im Bereich der digita­len Verwaltung bereits zum Einsatz kommt und sich dort be­währt hat. Über dieses Portal ist auf verschiedene Weise und ohne größeren technischen Aufwand eine Identitätsbestäti­gung möglich. Für Privatpersonen kommt insoweit vor allem eine Bestätigung über den elektronischen Identitätsnachweis (eID) des Personalausweises oder über die eID-Karte in Be­tracht. Für Unternehmen und Verbände besteht die Möglich­keit einer Identitätsbestätigung über ein qualifiziertes elekt­ronisches Siegel. Bestimmte Berufsgruppen, wie zum Bei­spiel Gerichtsvollzieher oder Dolmetscher, können sich zu­dem per Bestätigung der für sie jeweils zuständigen Stelle identifizieren. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, seine Identität etwa über ein Notariat durch öffentlich beglaubigte Erklärung nachzuweisen. Die Nutzung des eBO ist außerdem nur auf der Basis einer von der öffentlichen Hand zugelasse­nen Software möglich. Damit soll das erforderliche Maß an Sicherheit bei Errichtung und späterer Nutzung des eBO er­reicht werden.

Kosten

Auf Privatpersonen kommen für die erstmalige Einrichtung eines eBO grundsätzlich keine Kosten zu, sofern sie über den Personalausweis oder eine eID-Karte erfolgt. Aber auch für Unternehmen und Verbände ist der mit der Implementierung eines eBO verbundene finanzielle Aufwand überschaubar, wenn eine öffentlich beglaubigte Erklärung verwendet wird; hier fallen lediglich geringfügige Beglaubigungskosten an. Erfolgt die Identifizierung über ein qualifiziertes elektroni­sches Siegel, ist ausweislich der Begründung zum eBO-Re­gierungsentwurf mit jährlichen Kosten in Höhe eines mittle­ren dreistelligen Betrags zu rechnen. Außerdem können noch Kosten für die Nutzung der erforderlichen Software hinzu­kommen.

Fazit

Das eBO ist eine neue Errungenschaft und macht die Justiz noch digitaler. Es ermöglicht Privatpersonen, Unternehmen und Verbänden eine elektronische und zugleich rechtssiche­re Kommunikation mit den Gerichten. Es stellt eine echte Al­ternative zu den bislang bekannten Formaten dar, indem es ohne erhöhten technischen und finanziellen Aufwand, dafür aber mit einem hinreichenden Maß an Sicherheit eingerich­tet und betrieben werden kann. Die Einführung des eBO ist damit ein großer Schritt in Richtung einer vollständig digita­lisierten Justiz.

Zum Autor

JS
Dr. Jan Schuld

Rechtsanwalt und Gesellschafter der Kanzlei Dr. Schuld in Mainz

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