Erbvertrag oder Testament - 17. Juli 2014

National – oder doch mehr?

Mit Einführung der EU-Erb­rechts­ver­ord­nung er­geben sich für letzt­willige Ver­fü­gun­gen von Ehe­gatten, die sich gewöhnlich im Ausland aufhalten, neue recht­liche Rah­men­be­din­gun­gen. Werden sie nicht beachtet, droht die sorgfältig geplante Ver­mögens­nach­folge im Extrem­fall voll­ständig zu scheitern.

Nach Berechnung der Europäischen Kommission werden innerhalb der Europäischen Union jährlich circa 450.000 Erbfälle mit Auslandsbezug abgewickelt. Dabei wird schätzungsweise ein Vermögen von 123 Milliarden Euro übertragen.
Erbfälle mit Auslandsbezug liegen nicht nur dann vor, wenn ein ausländischer Erblasser in Deutschland verstirbt, sondern auch dann, wenn ein deutscher Erblasser innerhalb der Europäischen Union (EU) oder in einem Drittstaat Vermögen hat und dort hinterlässt. Für die Beratung und Praxis ist deshalb die neue EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) von großer Bedeutung. Sie findet Anwendung auf die Rechtsnachfolge von Personen, die am 17. August 2015 oder danach versterben.

Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt

Aber auch bei den Sachverhalten, für die im Moment noch ein reiner Inlandssachverhalt gegeben ist, kann die Verordnung zu einem späteren Zeitpunkt eine Rolle spielen. Zu denken ist an den vermehrt üblich werdenden Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes innerhalb der EU.
Diese Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts wird in Zukunft zum Wechsel des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Rechts führen. Noch folgt die Rechtsnachfolge von Todes wegen der Staatsangehörigkeit des Erblassers [Art. 26 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)]. So dürfte auch das Verständnis des juristischen Laien sein.
Eine wichtige Aufgabe der EU wird deshalb darin bestehen, die Auswirkungen der neuen EU-ErbVO – nämlich hauptsächlich die nunmehrige Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort statt an die Staatsangehörigkeit – bei den EU-Bürgern bekannt zu machen. Hier gilt es, Bewusstsein zu schaffen.
Denn die Anzahl der Bürger, die sich zu Lebzeiten bewusst mit ihrer Rechtsnachfolge von Todes wegen auseinandersetzen, ist immer noch erstaunlich gering. Fraglich ist, ob man sich dabei überhaupt die Frage stellt, welches Recht auf die Rechtsnachfolge Anwendung finden wird.
Umso bitterer wäre es, wenn der Längerlebende beziehungsweise die Erben oder der Ver­trags­part­ner nach dem Erbfall feststellen müssten, dass die Ziele des Erblassers in seiner Nach­lass­pla­nung nicht erreicht werden, weil die Anordnungen der Verfügung von Todes wegen vom dann als ungewollt anwendbaren Recht umgesetzt werden müssen.

Rechtswahl

Was also haben der Erblasser und seine Berater bereits heute im Hinblick auf die spätere An­wend­bar­keit der EU-ErbVO zu bedenken, wenn eine letztwillige Verfügung, sei es ein Erbvertrag, ge­mein­schaft­liches oder Einzeltestament, erstellt wird?
Für den Nachlass eines deutschen Erblassers, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt seines Erbfalls im Ausland hat, ist das Recht seines Aufenthaltslandes anzuwenden, wenn er keine nach der EU-ErbVO erlaubte Rechtswahl vorgenommen hat. Will man somit erreichen, dass das Heimatrecht, also das Recht der eigenen Staatsangehörigkeit, Anwendung findet, muss eine ent­spre­chen­de Rechtswahl getroffen werden.
Zu bedenken ist, dass der deutsche Staatsangehörige das Aufenthaltsrecht nicht wählen kann, sondern nur sein Heimatrecht, das ausländische Recht jedoch – vor allem im Hinblick auf Pflicht­teils­rechte – aus Sicht des Erblassers möglicherweise vorteilhafter ist.

EU-ErbVO: Letztwillige Verfügungen

Kaum Probleme entstehen, wenn ein Einzeltestament erstellt wird. Komplexer wird es bei den gemeinschaftlichen Testamenten, dem sogenannten Berliner Testament, und den Erbverträgen.
Art. 3 Abs. 1c EU-ErbVO definiert ein gemeinschaftliches Testament als ein von zwei oder mehr Personen in einer einzigen Urkunde errichtetes Testament.
Ein Erbvertrag ist gemäß Art. 3 Abs. 1b EU-ErbVO eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht.
In Kapitel 3, „Anzuwendendes Recht“, wird hinsichtlich der Zulässigkeit und der materiellen Wirksamkeit sowie Bindungswirkung zwischen sogenannten Verfügungen von Todes wegen außer Erbverträgen (Art. 24 EU-ErbVO) und Erbverträgen (Art. 25 EU-ErbVO) unterschieden.
Es stellt sich daher die Frage, ob gemeinschaftliche Verfügungen, wie aus deutscher Sicht das gemeinschaftliche Ehegattentestament gemäß §§ 2265 ff. BGB sowie die Testamente von eingetragenen Lebenspartnern gemäß § 10 LPartG, unter den Anwendungsbereich des Art. 24 beziehungsweise des Art. 25 EU-ErbVO fallen.

Frage der Bindungswirkung

Dieser Aspekt ist deshalb brisant, weil sich nur Art. 25 EU-ErbVO mit der Frage der Bin­dungs­wir­kung aus­ein­ander­setzt.

Dieser Aspekt ist deshalb brisant, weil nur Art. 25 EU-ErbVO sich mit der Frage der Bin­dungs­wir­kung aus­ein­ander­setzt. Gemäß Art. 25 EUErbVO wird die Bin­dungs­wir­kung des Erb­ver­trags auf das Recht fixiert, welches zum Zeit­punkt der Er­rich­tung nach der Ver­ord­nung auf die Rechts­nach­folge von Todes wegen anzuwenden wäre.
Die Fixie­rung der Bin­dungs­wir­kung gilt somit nur für Erb­ver­träge. Art. 24 EU-ErbVO, der die Ver­fü­gun­gen von Todes wegen außer Erb­ver­trägen be­trifft, er­wähnt die Bin­dungs­wirkung nicht.

Widerruf wechselseitiger Verfügungen

Die in Deutschland üblichen gemeinschaftlichen Testamente mit wechselbezüglichen Verfügungen unterfallen Art. 24 EU-ErbVO. Bei Testamenten mit wechselbezüglichen Verfügungen ist der Widerruf gemäß § 2271 BGB erschwert beziehungsweise ausgeschlossen.
Diese nach deutschem Recht geltende und meist auch gewünschte, wenn auch oft nicht erkannte Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments kann der überlebende Ehegatte nun ganz bequem umgehen, indem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt verlegt.
Die Bedingungen für einen Widerruf richten sich nämlich nach dem Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts und nicht nach dem Recht, das zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung von Todes wegen anzuwenden war.
§ 2271 BGB ist somit nicht mehr anwendbar. Die wechselbezüglichen Verfügungen, die gerade Bindungswirkung haben sollten, werden damit frei widerruflich.
Diese Möglichkeit hat der überlebende Ehegatte bei einem Erbvertrag nicht: Hier werden die Voraussetzungen für den Widerruf nach dem Recht der Errichtung der Verfügung von Todes wegen beurteilt. Die Erblasser und ihre Berater müssen sich dieser eventuell unerwünschten Nebenwirkung bewusst sein, auch wenn zum Zeitpunkt der Errichtung ein reiner Inlandssachverhalt gegeben ist.

Formwirksamer Erbvertrag

Danach ist die Form­gül­tig­keit einer schrift­lichen Ver­fügung von Todes wegen anhand Art. 27 EU-ErbVO zu prüfen.

Ist somit von den Ehegatten be­zie­hungs­weise Lebens­part­nern die Bin­dungs­wir­kung der ge­mein­schaft­lichen Verfügung gewollt, sollten sich die Ver­trags­part­ner lieber für die Er­stel­lung eines Erb­ver­trages ent­schei­den. Nur so ist ge­währ­leis­tet, dass gemäß Art. 25 EU-ErbVO die Bin­dungs­wir­kung auf das Recht fixiert wird, das bei Er­rich­tung der letzt­wil­ligen Ver­fügung an­zu­wenden war.
Wird demgegenüber die letztwillige Verfügung gemäß Art. 24 EU-ErbVO beurteilt, gilt für die Bindungswirkung das zum Zeitpunkt der geplanten Veränderung beziehungsweise des Widerrufs geltende Recht.
Die Formwirksamkeit eines solchen Erbvertrages richtet sich vor Anwendbarkeit der EU-ErbVO noch nach Art. 26 Abs. 4 EGBGB. Danach ist die Formgültigkeit einer schriftlichen Verfügung von Todes wegen anhand Art. 27 EU-ErbVO zu prüfen.
Der Erbvertrag ist demnach formwirksam, wenn die deutschen Vorschriften eingehalten werden, gemäß § 2276 BGB der Erbvertrag somit von einem Notar in Anwesenheit beider Parteien beurkundet wird.
Problemlos gestaltet sich der Erbvertrag eines in Deutschland wohnhaften deutschen Staats­an­ge­hö­ri­gen. Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung des Erbvertrages richten sich auch ohne Rechtswahl nach dem deutschen Recht (Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO, Art. 25 EU-ErbVO).

Sonderkonstellationen

Auch der deutsche Erblasser, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im EU-Ausland hat, kann einen Erbvertrag errichten. Das gilt auch dann, wenn das Recht des Aufenthaltslandes eine solche Verfügung von Todes wegen nicht erlaubt. Der Erblasser muss dann aber eine Rechtswahl für das deutsche Recht treffen.
Besitzt der Erblasser nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, stellt sich die Frage, ob sein Heimatrecht die Erstellung eines Erbvertrages grundsätzlich erlaubt.
Verbietet das Heimatrecht den Erbvertrag, kann der nicht deutsche Erblasser dennoch wirksam einen Erbvertrag errichten, wenn sich sein gewöhnlicher Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages in Deutschland befindet. Eine Rechtswahl soll in diesem Fall nicht vorgenommen werden.
Das gilt es zu beachten, wenn zwei Erblasser einen Erbvertrag errichten, somit der Nachlass mehrerer Personen betroffen ist (Art. 25 Abs. 2 EU-ErbVO):
Die deutschen Erblasser, die im EU-Ausland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, können einen Erbvertrag ohne Rechtswahl vereinbaren, wenn das Aufenthaltsrecht den Erbvertrag erlaubt (Art. 25 Abs. 3 EU-ErbVO).
Die materielle Wirksamkeit sowie Bindungswirkung dieses Erbvertrages unterliegen dem Recht des Staates, zu dem sie die engsten Verbindungen haben (Art. 25 Abs. 2 Unterabsatz 2 EU-ErbVO). Das dürfte bei deutscher Nationalität und Abschluss des Erbvertrages in Deutschland naturgemäß ebenfalls das deutsche Recht sein. Erlaubt das Aufenthaltsrecht den Erbvertrag grundsätzlich nicht, ist eine Rechtswahl unumgänglich.
In Fällen gemischter Staatsangehörigkeit und gewöhnlichen Aufenthalts im EU-Ausland ist den Erblassern ebenfalls die Errichtung eines Erbvertrages möglich, auch wenn das Heimatrecht des nicht deutschen Ver­trags­part­ners den Erbvertrag nicht kennt; unumgänglich ist es dann, eine Rechtswahl für das deutsche Recht zu treffen (Art. 25 Abs. 3 EU-ErbVO).
Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung richten sich in der Folge nach deutschem Recht, sodass der Erbvertrag auch dann beurkundet werden kann, wenn weder das Aufenthaltsrecht noch das Heimatrecht des Ver­trags­part­ners dieses Rechtsinstitut erlaubt.
Es genügt, wenn der Erbvertrag nach dem Heimatrecht einer der Parteien erlaubt ist.

Video: EU-Erbrechtsverordnung

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Die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen und ihre Auswirkungen auf die Praxis.

Zur Autorin

Solange van Rens

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Erb- und Arbeitsrecht; Partnerin in der Kanzlei Binder & Partner, Passau, sowie Mitglied im Redaktionsbeirat des DATEV magazins

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