Gefahr für Schweiz, Liechtenstein und Co. - 19. August 2013

Informationen austauschen

Der Kampf gegen Steuerhinterziehung hat sich verschärft. Viele Staaten brauchen Geld, sie sind auf Steuereinnahmen angewiesen. Das hat auch Auswirkungen auf die sogenannten Steueroasen, deren Abgesang zu erwarten ist.

Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz ist gescheitert. Eine Neuauflage ist nicht ernsthaft zu erwarten – und zwar unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl. Global gesehen stellt das Schweizer Steuerabkommen bereits jetzt einen Anachronismus dar. Der weltweite Trend geht zweifelsfrei zum automatischen Informationsaustausch (Steuergerechtigkeit durch Transparenz).
Es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis die bedeutenden Finanzzentren der Welt ihn übernehmen werden. Das Steuerabkommen mit der Schweiz sah demgegenüber – neben der Regulierung von Altfällen – das Gegenteil vor, nämlich eine anonyme Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge deutscher Anleger.

Der Status quo

Im internationalen Steuerrecht ist der Standard des grenz­über­schreitenden Infor­mations­aus­tausches derzeit noch die Be­ant­wortung von Auskunfts­ersuchen im Einzel­fall. Es liegt auf der Hand, dass dieses System kaum geeignet ist, hartnäckigen Steuer­hinter­ziehern den Angst­schweiß auf die Stirn zu treiben. Einzel­fall­ersuchen sind für die Finanz­behörden aufwendig und lang­ierig. Zudem setzen sie voraus, dass der Fiskus den betreffenden Steuer­bürger aufgrund konkreter An­halts­punkte bereits im Visier hat – Anfragen ins Blaue hinein sind unzu­lässig. Auskunfts­ersuchen werden dem­ent­sprechend praktisch nur selten gestellt. Daran ändert auch nichts, dass nach re­formiertem OECD-Standard Aus­künfte nicht mehr unter Hinweis auf das nationale Bank­ge­heimnis ver­weigert werden dürfen.
Die Situation für Steuer­hinter­zieher ändert sich derzeit aller­dings dramatisch. Der automatische Infor­mations­austausch ist auf dem Vormarsch. Die Finanzminister der G20-Staaten sowie deren Noten­bankchefs haben sich im April dieses Jahres ausdrücklich für den auto­matischen Infor­mations­austausch aus­gesprochen und die OECD beauftragt, ent­sprechende Regelungen vorzubereiten. Der automatische Infor­mations­austausch ist bereits jetzt in einigen Bereichen Realität.

Foreign Account Tax Compliance Act

Steueroasen, gleich ob in Europa, der Karibik oder in Asien, werden sich dem FACTA-Regime kaum entziehen können.

Erhebliche Bedeutung hat dabei der sogenannte Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) der Vereinigten Staaten von Amerika. Vereinfacht gesagt verpflichtet er Banken, Versicherungen und sonstige Finanz­dienst­leister außerhalb der USA, Geschäfts­be­ziehungen mit US-Kunden jährlich an die Finanz­behörden der Vereinigten Staaten zu über­mitteln. Deutschland, weitere große EU-Staaten sowie die Schweiz haben sich gegen­über den USA zur FATCA-Umsetzung ver­pflichtet. Nach aktuellem Stand erfolgt die Über­mittlung erstmals für das Steuerjahr 2014. So­genannte Steuer­oasen, gleich ob in Europa, der Karibik oder in Asien, werden sich dem FATCA-Regime eben­falls kaum ent­ziehen können, zumal die USA wider­willigen Banken eine Straf­steuer von 30 Prozent auf deren US-Kapital­erträge androhen – ein er­heblicher wirt­schaftlicher Anreiz zur Kooperation. Im Übrigen haben sich die USA zur automatischen Infor­mations­erteilung in umge­kehrter Richtung ver­pflichtet, was unter anderem für deutsche Kapital­anleger mit Konten in den Vereinigten Staaten relevant sein könnte.

Die Situation in Europa

Auch auf Ebene der Europäischen Union zeigt sich seit Längerem eine un­um­kehrbare Ent­wicklung. Die meisten Mit­glieds­taaten tauschen im Rahmen der EU-Zins­richt­linie bereits seit mehreren Jahren auto­matisiert Infor­mationen aus. Eine Sonder­regelung gilt derzeit zwar noch für Öster­reich und Luxem­burg, doch auch diese wird dem­nächst auslaufen.
Derzeit bemüht sich die EU-Kommission, den Infor­mations­austausch sowohl sachlich (zum Beispiel auch für Divi­denden­erträge) als auch per­sönlich (bisher nur natürliche Personen, künftig auch Stiftungen und Trusts) zu erweitern. Der automatische Infor­mations­austausch schreitet auch in anderen Bereichen voran. So sieht die Richt­linie 2011/16/EU des Europäischen Rats vom 15. Februar 2011 unter anderem vor, den auto­matischen Informationsaustausch für grenzüberschreitend erzielte Einkünfte aus un­selbst­ständiger Tätig­keit, aus Lebens­ver­sicherungs­produkten sowie aus Ver­mietung und Verpachtung ab dem 1. Januar 2014 einzuführen.

Die Sicht der Steuerhinterzieher

Was bedeuten diese Entwicklungen für die grenz­über­schreitende Steuer­hinter­ziehung? Unversteuerte Kapital­anlagen in Ländern, die mit Deutschland automatisch Steuer­daten austauschen, sind ein Risiko, das ein rationaler Steuer­bürger nicht eingehen wird. Für die breite Masse der Steuer­hinter­zieher mit kleinen bis mittel­großen Vermögen dürften die letzten Schlupf­löcher daher bald geschlossen sein.
Für diese Vermögen kommen in der Praxis nämlich nur europäische Staaten, ins­be­sondere die Schweiz, Luxemburg, Liechten­stein und Öster­reich, als Flucht­staaten in Betracht – welcher durch­schnitt­liche Anleger möchte schon mehrere Flug­stunden zu einem Ziel mit ihm unver­trauter Sprache und Kultur reisen müssen, um auf sein Vermögen zugreifen zu können?
Da der umfassende auto­matische Infor­mations­austausch sich – vom Sonder­fall FACTA abgesehen – zunächst innerhalb der EU sowie mit der Schweiz durchsetzen dürfte, wird es für durch­schnitt­liche Anleger mittel­fristig darauf ankommen, einen Weg zurück in die Steuer­ehr­lichkeit zu finden. Diesen bietet nach wie vor die Selbst­anzeige, mag er infolge von Ver­schärfungen durch Gesetz­geber und Recht­sprechung in den letzten Jahren auch steiniger geworden sein.

Ultra High Net Worth Individuals

Differenz­ierter stellt sich die Situation für Vermögen im zwei- oder gar drei­stelligen Millione­nbereich dar, in der Terminologie der Banken sind das die Ultra High Net Worth Individuals. Hier ist die Kapital­anlage auch in ent­fernten Destinationen schon eher eine realistische Option. Dass die entsprechenden Länder zum automatischen Infor­mations­austausch übergehen werden, erscheint sicher; doch kann dies durchaus noch einige Jahre dauern.
Zudem sind Vermögen in dieser Größenordnung häufig in hochkomplexen, schwer zu durch­schauenden Schachtel­kon­struktionen strukturiert, bei denen der wahre wirt­schaft­liche Eigentümer nur schwer oder sogar überhaupt nicht zu erkennen ist; auch in Zeiten des auto­matischen Infor­mationsaustausches bieten diese Gestaltungen einen gewissen Schutz vor Enttarnung. Das konkrete Ent­deckungs­risiko hängt letztlich davon ab, wie ernst die Banken ihre Identi­fizierungs­pflichten nehmen.

Fazit

Letztlich ist der automatische Infor­mations­austausch stets nur so wirksam wie die Mechanismen der jeweiligen Bank zur Identi­fizierung ihrer Kunden (Know-Your-Customer-Prinzip). Dennoch bleibt das Fazit: Der automatische Infor­mations­austausch stellt für Steuer­hinter­zieher eine bislang nicht gekannte Bedrohung dar. Steueroasen werden über kurz oder lang austrocknen. Ob das in zwei, fünf oder zehn Jahren der Fall ist, bleibt abzuwarten.

Zum Autor

Dr. Henrik Vogel

Rechtsanwalt in München.

Er berät vor allem im Bereich Compliance.

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