Der Kampf gegen Steuerhinterziehung hat sich verschärft. Viele Staaten brauchen Geld, sie sind auf Steuereinnahmen angewiesen. Das hat auch Auswirkungen auf die sogenannten Steueroasen, deren Abgesang zu erwarten ist.
Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz ist gescheitert. Eine Neuauflage ist nicht ernsthaft zu erwarten – und zwar unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl. Global gesehen stellt das Schweizer Steuerabkommen bereits jetzt einen Anachronismus dar. Der weltweite Trend geht zweifelsfrei zum automatischen Informationsaustausch (Steuergerechtigkeit durch Transparenz).
Es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis die bedeutenden Finanzzentren der Welt ihn übernehmen werden. Das Steuerabkommen mit der Schweiz sah demgegenüber – neben der Regulierung von Altfällen – das Gegenteil vor, nämlich eine anonyme Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge deutscher Anleger.
Der Status quo
Im internationalen Steuerrecht ist der Standard des grenzüberschreitenden Informationsaustausches derzeit noch die Beantwortung von Auskunftsersuchen im Einzelfall. Es liegt auf der Hand, dass dieses System kaum geeignet ist, hartnäckigen Steuerhinterziehern den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben. Einzelfallersuchen sind für die Finanzbehörden aufwendig und langierig. Zudem setzen sie voraus, dass der Fiskus den betreffenden Steuerbürger aufgrund konkreter Anhaltspunkte bereits im Visier hat – Anfragen ins Blaue hinein sind unzulässig. Auskunftsersuchen werden dementsprechend praktisch nur selten gestellt. Daran ändert auch nichts, dass nach reformiertem OECD-Standard Auskünfte nicht mehr unter Hinweis auf das nationale Bankgeheimnis verweigert werden dürfen.
Die Situation für Steuerhinterzieher ändert sich derzeit allerdings dramatisch. Der automatische Informationsaustausch ist auf dem Vormarsch. Die Finanzminister der G20-Staaten sowie deren Notenbankchefs haben sich im April dieses Jahres ausdrücklich für den automatischen Informationsaustausch ausgesprochen und die OECD beauftragt, entsprechende Regelungen vorzubereiten. Der automatische Informationsaustausch ist bereits jetzt in einigen Bereichen Realität.
Foreign Account Tax Compliance Act
Steueroasen, gleich ob in Europa, der Karibik oder in Asien, werden sich dem FACTA-Regime kaum entziehen können.
Erhebliche Bedeutung hat dabei der sogenannte Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) der Vereinigten Staaten von Amerika. Vereinfacht gesagt verpflichtet er Banken, Versicherungen und sonstige Finanzdienstleister außerhalb der USA, Geschäftsbeziehungen mit US-Kunden jährlich an die Finanzbehörden der Vereinigten Staaten zu übermitteln. Deutschland, weitere große EU-Staaten sowie die Schweiz haben sich gegenüber den USA zur FATCA-Umsetzung verpflichtet. Nach aktuellem Stand erfolgt die Übermittlung erstmals für das Steuerjahr 2014. Sogenannte Steueroasen, gleich ob in Europa, der Karibik oder in Asien, werden sich dem FATCA-Regime ebenfalls kaum entziehen können, zumal die USA widerwilligen Banken eine Strafsteuer von 30 Prozent auf deren US-Kapitalerträge androhen – ein erheblicher wirtschaftlicher Anreiz zur Kooperation. Im Übrigen haben sich die USA zur automatischen Informationserteilung in umgekehrter Richtung verpflichtet, was unter anderem für deutsche Kapitalanleger mit Konten in den Vereinigten Staaten relevant sein könnte.
Die Situation in Europa
Auch auf Ebene der Europäischen Union zeigt sich seit Längerem eine unumkehrbare Entwicklung. Die meisten Mitgliedstaaten tauschen im Rahmen der EU-Zinsrichtlinie bereits seit mehreren Jahren automatisiert Informationen aus. Eine Sonderregelung gilt derzeit zwar noch für Österreich und Luxemburg, doch auch diese wird demnächst auslaufen.
Derzeit bemüht sich die EU-Kommission, den Informationsaustausch sowohl sachlich (zum Beispiel auch für Dividendenerträge) als auch persönlich (bisher nur natürliche Personen, künftig auch Stiftungen und Trusts) zu erweitern. Der automatische Informationsaustausch schreitet auch in anderen Bereichen voran. So sieht die Richtlinie 2011/16/EU des Europäischen Rats vom 15. Februar 2011 unter anderem vor, den automatischen Informationsaustausch für grenzüberschreitend erzielte Einkünfte aus unselbstständiger Tätigkeit, aus Lebensversicherungsprodukten sowie aus Vermietung und Verpachtung ab dem 1. Januar 2014 einzuführen.
Die Sicht der Steuerhinterzieher
Was bedeuten diese Entwicklungen für die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung? Unversteuerte Kapitalanlagen in Ländern, die mit Deutschland automatisch Steuerdaten austauschen, sind ein Risiko, das ein rationaler Steuerbürger nicht eingehen wird. Für die breite Masse der Steuerhinterzieher mit kleinen bis mittelgroßen Vermögen dürften die letzten Schlupflöcher daher bald geschlossen sein.
Für diese Vermögen kommen in der Praxis nämlich nur europäische Staaten, insbesondere die Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein und Österreich, als Fluchtstaaten in Betracht – welcher durchschnittliche Anleger möchte schon mehrere Flugstunden zu einem Ziel mit ihm unvertrauter Sprache und Kultur reisen müssen, um auf sein Vermögen zugreifen zu können?
Da der umfassende automatische Informationsaustausch sich – vom Sonderfall FACTA abgesehen – zunächst innerhalb der EU sowie mit der Schweiz durchsetzen dürfte, wird es für durchschnittliche Anleger mittelfristig darauf ankommen, einen Weg zurück in die Steuerehrlichkeit zu finden. Diesen bietet nach wie vor die Selbstanzeige, mag er infolge von Verschärfungen durch Gesetzgeber und Rechtsprechung in den letzten Jahren auch steiniger geworden sein.
Ultra High Net Worth Individuals
Differenzierter stellt sich die Situation für Vermögen im zwei- oder gar dreistelligen Millionenbereich dar, in der Terminologie der Banken sind das die Ultra High Net Worth Individuals. Hier ist die Kapitalanlage auch in entfernten Destinationen schon eher eine realistische Option. Dass die entsprechenden Länder zum automatischen Informationsaustausch übergehen werden, erscheint sicher; doch kann dies durchaus noch einige Jahre dauern.
Zudem sind Vermögen in dieser Größenordnung häufig in hochkomplexen, schwer zu durchschauenden Schachtelkonstruktionen strukturiert, bei denen der wahre wirtschaftliche Eigentümer nur schwer oder sogar überhaupt nicht zu erkennen ist; auch in Zeiten des automatischen Informationsaustausches bieten diese Gestaltungen einen gewissen Schutz vor Enttarnung. Das konkrete Entdeckungsrisiko hängt letztlich davon ab, wie ernst die Banken ihre Identifizierungspflichten nehmen.
Fazit
Letztlich ist der automatische Informationsaustausch stets nur so wirksam wie die Mechanismen der jeweiligen Bank zur Identifizierung ihrer Kunden (Know-Your-Customer-Prinzip). Dennoch bleibt das Fazit: Der automatische Informationsaustausch stellt für Steuerhinterzieher eine bislang nicht gekannte Bedrohung dar. Steueroasen werden über kurz oder lang austrocknen. Ob das in zwei, fünf oder zehn Jahren der Fall ist, bleibt abzuwarten.