Der Immobilienmarkt - 15. März 2023

Eine Branche im Umbruch

Das veränderte Kostenbewusstsein der Kunden hat spürbare Auswirkungen auf die Immobilienbranche. Beim Wandel der Maklerszene kann die Digitalisierung nicht nur helfen, Strukturkosten zu senken, sondern auch eine moderne sowie kundennahe Begleitung zu ermöglichen.

Immer mehr Start-ups sowie PropTechs in Deutschland und Europa versuchen, einen Fuß in den nach wie vor attraktiven Immobilienmarkt zu bekommen. Daran ändern auch sinkende Preise und zunehmend steigende Zinsen nichts. Durch den Markteintritt neuer nationaler und internationaler Akteure hat der Wettbewerb insgesamt zugenommen und auch die Konzentration in der Maklerlandschaft hat sich verdichtet. Der Markt für digitale Maklerkonzepte gerät somit weiter in Bewegung. Nicht zuletzt deshalb, da die Bedeutung digitaler Konzepte durch die Corona-Pandemie deutlich größer geworden ist. Das gilt ebenso für die Vermarktung von Immobilien, wobei junge, digital ausgerichtete Unternehmen in der Branche auch schon vor Corona aktiv waren und den Etablierten zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz erwachsen sind. Für Kunden und Makler sind die neuen Akteure am Markt vor allem deshalb interessant, weil sie aufgrund ihrer im Vergleich zu den etablierten Branchengrößen meist erheblich schlankeren Struktur auch deutlich niedrigere Preise bieten können als herkömmliche Anbieter. Die Folge ist ein erhöhter Konkurrenz- und Margendruck durch Nachfrageüberhang sowie durch neue Geschäftsmodelle mit anderer Kostenstruktur im Vergleich zu den traditionellen Modellen.

Corona-Pandemie als Indikator

Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung auch in Deutschland gefördert. Das zeigt sich etwa daran, dass sich die Bereitschaft für einen ersten virtuellen Besuch der Immobilie mit 360-Grad-Ansichten des Wunschobjekts stark erhöht hat. Auch automatisierte Prozesse bei der Erstellung eines Exposees sowie digitale Vertragsabschlüsse sind seitens der Kunden mittlerweile gewünscht. Ein klarer Trend lässt sich in diesem Zusammenhang feststellen: Viele potenzielle Immobilienkäufer bewegen sich schon längst in einer digitalen Welt und sind durch die große Transparenz sehr gut informiert. Hinzu kommt, dass die sogenannte Generation Y im Alter zwischen 26 und 35 Jahren Statistiken zufolge mit 40 Prozent der aktuell größte Teil der Immobilienkäufer ist. Darauf folgt die sogenannte Generation X im Alter zwischen 36 und 44 Jahren mit 35 Prozent der Käufer. Sowohl die junge Generation Y als auch die nur unwesentlich ältere Generation X definieren sich über eine starke Affinität zu technischen Lösungen und haben digitale Prozesse in vielen Bereichen bereits in den eigenen Alltag integriert. Für die kaufstärkste Generation Y sind Kreativität und Selbstbestimmung zentrale Werte – auch beim Kauf von Immobilien. Daher bleibt festzuhalten, dass trotz eines mittlerweile unsicheren Konjunkturverlaufs für die Wirtschaft im Allgemeinen und den Immobilienmarkt im Speziellen insbesondere junge technologieorientierte Unternehmen in diesem Segment ihre positive Entwicklung fortsetzen. Denn der Immobilienmarkt befindet sich mitten im Wandel.

Deutscher Markt weiterhin unterdigitalisiert

Dabei gilt der deutsche Immobilienmarkt im Branchenvergleich noch immer als unterdigitalisiert. Insbesondere im Vergleich zu seinem direkten Nachbarn Frankreich hinkt Deutschland in Sachen Digitalisierung deutlich hinterher. Und dies, obwohl die Bundesrepublik nach Frankreich der zweitgrößte Immobilienmarkt in Europa ist, was Transaktionen und Geldumsatz betrifft. Zwar kann in dem etablierten Maklermarkt mittlerweile auch abseits von Deutschland und Frankreich eine Transformation festgestellt werden. Doch es liegt noch eine Menge Potenzial brach. Mit digitalen Tools, geringeren Strukturkosten und damit deutlich niedrigeren Maklergebühren kann dieses noch längst nicht ausgeschöpfte Potenzial allerdings erheblich besser genutzt werden. Ein genauerer Blick nach Frankreich zeigt dies: So werden zum Beispiel beim französischen Marktführer für Wohnimmobilien 68 Prozent aller Maklerverträge bereits elektronisch unterschrieben, die Digitalisierung der Immobilienbranche wird konsequent vorangetrieben. Digitale Immobilienplattformen mit flächendeckenden Beraternetzwerken sind dort längst als feste Größe am Markt positioniert.

Datenschutz und regulatorische Herausforderungen

In Deutschland dagegen wird generell nur die Hälfte aller Immobiliengeschäfte über registrierte Makler abgewickelt. Die andere Hälfte aller Immobilientransaktionen läuft über Gelegenheitsmakler oder wird privat abgewickelt. Von hoher praktischer Relevanz sind dabei datenschutzrechtliche Fragen bei Immobilientransaktionen. So stellt der Verkäufer dem Käufer in den einzelnen Phasen der Transaktion Informationen zur Verfügung, um eine Prüfung wertbildender Faktoren des Zielobjekts zu ermöglichen. Bei der Bereitstellung und Entgegennahme dieser Informationen sollten Unternehmen allerdings im Blick behalten, ob die datenschutzrechtlichen Anforderungen berücksichtigt werden. So sollte insbesondere geprüft werden, ob und zu welchem Zeitpunkt im Rahmen einer Transaktion Daten an Kaufinteressenten weitergegeben werden. So dürfen etwa bei einem Verkauf einer vermieteten Immobilie zunächst häufig nur statistische Daten zu den Mietern offengelegt werden, da nähere konkrete Informationen zu einzelnen Mietern in vielen Fällen keinen Einfluss auf den Wert einer Immobilie haben. Als Faustregel gilt jedoch: Je näher der Abschluss einer Transaktion rückt, desto mehr Daten dürfen vom Verkäufer weitergegeben werden.

Technologischer und struktureller Wandel

Schließlich sind sowohl der Immobilien- als auch der Arbeitsmarkt momentan einem technologischen und strukturellen Umbruch ausgesetzt. Megatrends wie New Work, Connectivity und Gendershift bestimmen den Arbeitsmarkt der Zukunft, der Wunsch nach mehr Selbstbestimmung sowie zeitlicher Flexibilität wird bei den Menschen immer lauter. Das kommt den jungen technologiebasierten Anbietern entgegen. In diesem Zusammenhang erwarten die Kunden von den Immobilienanbietern ein qualifiziertes und digitalisiertes Dienstleistungsangebot – und zwar zu fairen und wettbewerbsfähigen Konditionen. Die fortschreitende sowie notwendige Digitalisierung der Branche kann also gar nicht ausbleiben. Sie dient aber nicht dem Selbstzweck, sondern würde für alle Partner effizientere Prozesse schaffen.

Große Dynamik bei den Gewerbeimmobilien

Die Preise für Gewerbeimmobilien, insbesondere für Büro- und Einzelhandelsimmobilien in den größten deutschen Städten, sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Da die Mieten nicht im selben Umfang gestiegen sind, gingen die Nettoanfangsrenditen spürbar zurück. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend unterbrochen. Und nun hat auch die wirtschaftliche Krise den gewerblichen Immobilienmarkt erfasst. Zwar wurden 2022 etwa Büros nur unterdurchschnittlich gehandelt, allerdings entwickelten sich die Mieten gut. Marktbeobachter gehen davon aus, dass sich der Trend bis zum Sommer 2023 umdrehen könnte. Der Transaktionsumsatz am Investmentmarkt wird im zurückliegenden Jahr voraussichtlich 70 Milliarden Euro umfassen und damit knapp unter dem Zehnjahresmittelwert von 72 Milliarden Euro liegen. Hauptgrund sind die steigenden Zinsen und die Inflation – diese dürfte aber aktuell den Höhepunkt erreicht haben und sich zwar langsam, aber stetig abbauen. So könnte sich die Transaktionsstarre lösen und es ab Mitte 2023 wieder zu einer Marktbelebung kommen. Spätestens dann werden sich Käufer und Verkäufer auch mit der neuen Zinslandschaft arrangiert haben.

Der Faktor Mensch und seine Rolle

Klar ist dabei: Ausschließlich digitale Konzepte werden sich auf Dauer auch deshalb nicht tragen, weil der Faktor Mensch auch bei den Jungunternehmen weiter eine bedeutende Rolle spielt. Auf absehbare Zeit wird der Computer den menschlichen Makler jedenfalls nicht ersetzen – zumindest nicht komplett. Zwar werden im IT-Bereich durchgehend an allen Fronten immense Fortschritte erzielt, die mit Automatisierung, Digitalisierung und künstlicher Intelligenz perspektivisch alle Bereiche des täglichen Lebens nachhaltig beeinflussen, aber mit diesen Errungenschaften kommen auch rechtliche und regulatorische Fragestellungen auf die Maklerbranche zu. So ist beispielsweise nicht geklärt, inwieweit künstliche Intelligenz bei der Auswahl von Kaufinteressenten verwendet werden kann, was im besten Fall zu einer massiven Effizienzsteigerung führen kann. Doch im Zweifelsfall können sich hier abgelehnte Bewerber auch bei Gewerbeimmobilien darauf berufen, von der künstlichen Intelligenz womöglich unrechtmäßig diskriminiert worden zu sein. Solange also die dahinterliegenden Algorithmen nicht zweifelsfrei als objektiv und neutral beurteilt werden konnten, müssen die Makler solche Entscheidungen nach wie vor selbst treffen. Zusätzlich kann sich der Makler durch eine Rechtsberatung oder die firmeneigene Rechtsabteilung rückversichern.

Immobilienvermittlung im Wandel

Wie jüngste Tendenzen zeigen, sind Kunden und potenzielle Käufer in Krisenzeiten risikoscheuer und vertrauen eher professionellen Maklern. Aufgrund der geringeren Kaufkraft – bedingt durch gestiegene Zinsen, eine hohe Inflation sowie die stark steigenden Energiekosten – ist deren Kostenbewusstsein nicht zu unterschätzen. Die Maklerszene steht insgesamt also vor einem großen Umbruch. Und dieser Wandel muss positiv gestaltet und mit innovativen Ideen besetzt werden. Eine kundennahe Immobilienvermittlung die ohne aufwendige Maklerbüros erfolgt, senkt die Strukturkosten erheblich und führt zu effizienteren Prozessen. Diese Kostenvorteile können dann wiederum an Kunden weitergegeben werden.

Fazit und Ausblick

Digitale Stärke, geringere Strukturkosten sowie erheblich niedrigere Maklergebühren sind für die private Immobilienvermittlung elementar. Die bereits voll in Gang gesetzte Transformation hin zu mehr Digitalisierung birgt große Potenziale für die Immobilienbranche und wird zum Wettbewerbsvorteil in Sachen Kundennähe und Kosteneffizienz. Auch durch den Verzicht auf kostspielige physische Maklerbüros. Letztendlich wird jenes Unternehmen im hart umkämpften Wettbewerb am Immobilienmarkt das Rennen machen, das nicht nur Vertrauen schafft, sondern über sein Geschäftsmodell auch eine qualitative Dienstleistung zu fairen Preisen bieten kann.

Zum Autor

Marcus Walthaner

Geschäftsführer und Co-Gründer von iad Deutschland.

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