Der Einsatz von Branchen-Benchmarks unterstützt den Wirtschaftsprüfer bei der Beurteilung des wirtschaftlichen Umfeldes, der Risikobeurteilung und der Identifikation möglicher Problemfelder.
Branchen-Benchmarks stellen eine spezielle Weiterentwicklung der Betriebs- und Branchenvergleiche dar. Es wird dabei zwischen dem internen und externen Betriebsvergleich unterschieden. Der externe Betriebsvergleich vergleicht Unternehmen in ihrer Struktur mit derjenigen anderer Unternehmen oder ganzer Branchen. Das bekannteste Problem derartiger Vergleiche ist das sogenannte Schlendrianproblem, das von Eugen Schmalenbach erkannt wurde. Dieses Problem beschreibt den Umstand, dass ein Unternehmen beim Vergleich mit Branchen oder allgemein mit Vergleichsgruppen nicht sicher sein kann, ob der Vergleichsmaßstab richtig ist. In der Praxis versucht man dieses Problem zu relativieren, indem man zusätzlich zu den Mittelwerten der Kennzahlen Streuungswerte angibt. Dennoch bleibt es bei der Frage, ob ein Abweichen vom Mittelwert „gut“ oder „schlecht“ ist. Will man diesem Problem adäquat begegnen, dann müsste im Voraus die Gruppe „guter“ und „schlechter“ Unternehmen bekannt sein. Genau dieser Vorgehensweise folgt die Konzeption der Branchen-Benchmarks, die erstmals 2006 konzipiert und von der DATEV eG einem größeren Nutzerkreis zur Verfügung gestellt wurde (vgl. Krehl, H.; Schneider, R.: Branchenbenchmarks. DATEV, 2006). Die Klassifikation in die Klassen „gut“ und „schlecht“ wird durch eine Rating-Funktion durchgeführt. Für in der Zwischenzeit nahezu 70.000 Unternehmen und deren Jahresabschlüsse, die sich auf circa 600 Branchen verteilen, werden Ausfallwahrscheinlichkeiten zwischen 0 (sehr gut) und 1 (sehr schlecht) berechnet und in der üblichen Rating-Notation dargestellt. Um eine präzisere Klasseneinteilung zu erhalten, werden pro Branche zehn Gruppen gebildet. Für die Bauindustrie, die etwa mit 18.000 Unternehmen vertreten ist, werden je Gruppe 1.800 Unternehmen zusammengefasst. Die beste Gruppe enthält die Bauunternehmen mit den 1.800 niedrigsten Ausfallwahrscheinlichkeiten. Es folgt die zweite Gruppe bis zur letzten Gruppe. Für jede Klasse werden die folgenden betriebswirtschaftlichen Kennzahlen berechnet. Eine Auswahl:
- Eigenkapitalanteil
- Gesamtkapitalrendite
- Umsatzrendite
- Anteil Materialaufwand
- Anteil Personalaufwand
- etc.
Die Kennzahlenunterschiede zwischen den Verfahren sind derart groß, dass nach den bisherigen Erfahrungen deutlich wird, wie pauschal oder auch falsch übliche Betriebsvergleiche messen. Die Problematik verschärft sich noch deutlich, wenn man Aufwandsstrukturrelationen vergleicht. Bedingt durch unterschiedliche Wertschöpfungsarten sind beispielsweise beim erfolgreichen Reinigungsunternehmen die Materialanteile deutlich über den reinen Durchschnittswerten. Ein Wirtschaftsprüfer, der sich an den klassischen Betriebsvergleichen orientiert, würde hier „mahnend“ den Finger heben und die problematische Forderung stellen, über den Materialanteil nachzudenken. Branchen-Benchmarks können beispielsweise in folgenden Bereichen der Jahresabschlussprüfung eingesetzt werden.
Beurteilung des Umfeldes und genereller Risiken
Insbesondere bei Erstprüfungen, bei denen man die Risiken beziehungsweise die Branche noch nicht so gut kennt, geben Benchmarks Hinweise zum Beispiel auf besondere Aspekte der Wertschöpfungsstruktur und deren Veränderung in den für das Unternehmen relevanten Märkten (Rentabilität, Lohnentwicklung), Position des Unternehmens in der Branche sowie die finanzielle Leistungskraft. Aber auch bei Folgeprüfungen sind Benchmarks ein hilfreiches Instrument, gerade wenn die Branche des zu prüfenden Unternehmens schnelllebig beziehungsweise sich ständig ändernden Konjunktureinflüssen ausgesetzt ist.
Bei der Going-Concern-Einschätzung können übergreifende Kennzahlen zur Erfolgs- und Finanzlage wie Rendite und Eigenkapitalanteil dann besonders helfen, wenn wir wissen, dass bestimmte Kennzahlenniveaus eben für gute oder für risikoreiche oder gar ausfallgefährdete Unternehmen stehen. Genau diese Information liefern Branchen-Benchmarks.
Für bestimmte Prüffelder wie Umsatz/Absatz oder Vorratsbestände werden in der Regel auch analytische Prüfungshandlungen mit Kennzahlen wie Zielgewährung an Kunden oder Reichweite des Erzeugnislagers und Reichweite des Materiallagers durchgeführt. Bilden die Kennzahlenausprägungen in Entwicklung und Niveau eine problematische Tendenz, kann dies weitere aussagebezogene Prüfungshandlungen bedeuten oder etwa das Konfidenzniveau für beabsichtigte Prüfungen beeinflussen. Auch hier können differenziertere Kennzahlen helfen.
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