Wettbewerb - 25. Mai 2016

Bange machen gilt nicht

Manche der düsteren Prognosen über die Zukunft des Berufsstands beruhen auf der Annahme, die Steuerberater in Deutschland seien einer zunehmenden Konkurrenz durch ausländische Steuerberatungsgesellschaften und gewerbliche inländische Anbieter nicht gewachsen. Die Fakten sprechen aber eine andere Sprache.

In letzter Zeit sind verschiedentlich düstere Vorhersagen über die Zukunft des steuerberatenden Berufs, insbesondere der kleinen und mittleren Praxen, geäußert worden: Die fetten Jahre seien vorbei, die Gürtel müssten enger geschnallt werden, ja, es wurde sogar infrage gestellt, ob es den Beruf des Tax Preparers angesichts einer zunehmenden digitalen Transformation in absehbarer Zukunft überhaupt noch geben werde. Die „Verschwindenswahrscheinlichkeit“ in den nächsten Jahren wurde auf 99 Prozent beziffert (vgl. Frey/Osborne, The Future of Employment: How susceptible are Jobs to Computerisation, S. 72). Manche dieser düsteren Prognosen beruhen auf der Annahme, die Steuerberater in Deutschland seien einer zunehmenden Konkurrenz durch ausländische Steuerberatungsgesellschaften und gewerbliche inländische Anbieter nicht gewachsen. Die Fakten sprechen aber eine andere Sprache.

Ausländische Dienstleister

So war beispielsweise im Vorfeld der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in dem Verfahren der Steuerberatungsgesellschaft X (EuGH v. 17.12.2015, C-342/14, Stbg. 2016, S. 88 ff.) die Befürchtung geäußert worden, zukünftig könnten ausländische Steuer­be­ra­tungs­ge­sell­schaften, Personengesellschaften und Einzelberater aus anderen Mitgliedstaaten der EU bedingungslos zur Erbringung steuerlicher Dienstleistungen in Deutschland berechtigt werden. Soweit im EU-Ausland Steuerberatung nicht reglementiert sei, könnten auch steuerlich weniger oder gar nicht qualifizierte Berater ihre Dienstleis- tungen in Deutschland erbringen. Es wurde die Vermutung geäußert, dass das Steuerberatermonopol in Deutschland fallen werde und der EuGH allen steuerlichen Beratern aus dem EU-Ausland Tür und Tor nach Deutschland öffnen werde. Das werde, was EU-ausländische Anbieter angeht, quasi einem Wegfall der Vor­be­halts­auf­gaben der deutschen Steuerberater gleichkommen. Doch wie ist es wirklich?

Verfahren vor dem EuGH

In dem Verfahren ging es um eine Steuerberatungsgesellschaft nach britischem Recht mit einer Niederlassung in den Niederlanden. Für ein in Deutschland ansässiges Unternehmen erstellte sie die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2010 und übermittelte sie an das zuständige deutsche Finanzamt. Dieses wies die Steuerberatungsgesellschaft zurück, weil sie in Deutschland nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt sei (§§ 2, 3, 3a, 5, 32, 35 StBerG). Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte Zweifel an den deutschen Vorschriften und legte den Fall dem EuGH vor (BFH v. 20.5.2014, II R 44/12, HFR 2014, S. 923 ff.). Der Generalanwalt beim EuGH vertrat die Auffassung, die deutschen Regelungen seien mit der Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 Vertrag über die Arbeits­weise der Europäischen Union (AEUV) nicht vereinbar. Wie wir inzwischen wissen, hat der EuGH es zwar als für mit dem Art. 56 AEUV unvereinbar angesehen, dass die Zurückweisung der ausländischen Steuerberatungsgesellschaft erfolgte, ohne dass die Kenntnisse und Be­rufs­er­fahrung der Personen, die sie leiten oder verwalten, oder ihrer Mitarbeiter geprüft und bewertet wurden, andererseits aber entschieden, dass Deutschland im Bereich der Dienst­leis­tungs­freiheit grundsätzlich berechtigt ist, den Zugang ausländischer Steuer­be­ra­tungs­ge­sell­schaften und ausländischer Berater zu einer steuerberatenden Tätigkeit in Deutschland vom Nachweis der dafür als notwendig erachteten Kenntnisse und Fähigkeiten abhängig zu machen. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass EU-ausländischen Beratern alle Tore geöffnet wurden. Vielmehr braucht das deutsche Recht lediglich in der Weise präzisiert zu werden, dass mit Blick auf die Dienst­leis­tungs­freiheit eine Überprüfung der Qualifikation EU-ausländischer Berater zu erfolgen hat und welche Modalitäten dabei gelten. Ausdrücklich stellte der EuGH demgegenüber klar, dass die zugrunde liegende deutsche Regelung der Verhinderung von Steuerhinterziehung und dem Ver­brau­cher­schutz diene und dass dies beides Ziele seien, die als zwingende Gründe des All­ge­mein­in­te­res­ses angesehen werden können und mit denen sich eine Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs grundsätzlich rechtfertigen lasse. Der EuGH ist auch nicht auf das Argument ein­ge­gan­gen, die deutschen Regelungen verstießen gegen Europarecht, weil das deutsche System der Zulassung inkohärent sei, indem es nach § 4 StBerG neben Steuerberatern vielen anderen gestatte, steuerberatend tätig zu werden. Der Ge­ne­ral­anwalt hatte aus dieser angeblichen Inkohärenz geschlussfolgert, dass die aus dem EU-Ausland herrührende Dienstleistung beschränkenden Regelungen generell unzulässig seien. Anders als der Generalanwalt hat der EuGH dem Kohärenzprinzip im vorliegenden Falle aber zutreffenderweise keine Bedeutung beigemessen. Dies ist folgerichtig, weil es sich bei den nach § 4 StBerG Berechtigten jeweils nur um Personen und Einrichtungen handelt, denen eine beschränkte Hilfeleistung in Steuersachen gestattet ist.

Gewerbliche inländische Anbieter

Schon immer haben sich Steuerberater vor die Situation gestellt gesehen, mit Nichtsteuerberatern konkurrieren zu müssen. Auf Teilgebieten ihres Tätigkeitsspektrums sind seit jeher auch andere Beratungsanbieter wie Banken, Unternehmensberater, Industrie- und Handelskammern sowie Angehörige anderer freier Berufe unterwegs. Eine vermeintliche Verschlimmerung der Situation wird von manchen aber darin gesehen, dass immer mehr gewerbliche Anbieter im Internet Kernaufgaben des Steuerberaters, insbesondere die Lohn- und Finanzbuchhaltung anbieten, und zwar zu Preisen, die unter den Gebühren der Steuerberater liegen. Es mag dahinstehen, ob all diese Angebote mit den Anforderungen des Steuerberatungsgesetzes überhaupt in Einklang stehen, jedenfalls bieten Steuerberater heute und sicher auch in Zukunft Lösungen an, die denen der gewerblichen Konkurrenz weit überlegen sind. In diesem Zusammenhang seien die sich ständig verbessernden Möglichkeiten des digitalen Belegaustauschs und die zunehmende Eröffnung digitaler Geschäftsprozesse erwähnt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass durch eine von der EU veranlasste, geplante Änderung der Steuer­be­ra­ter­ver­gü­tungs­ver­ord­nung (StBVV) klargestellt werden soll, dass auch Steuerberater unter bestimmten Voraussetzungen Gebühren unterhalb der in der Vergütungsverordnung genannten anbieten dürfen.

Fortschreitende Digitalisierung

Keine Frage: Die rasant zunehmende Digitalisierung nahezu aller Lebensbereiche ist ein wichtiges Thema, das alle Ebenen der Wirtschaft und der Gesellschaft erfasst. Die fortschreitende Di­gi­ta­li­sierung revolutioniert bisherige Geschäftsmodelle der Mandanten und der Steuer- berater selbst. Zentrale Tätigkeitsfelder der Steuerberater werden sich verändern. Die deutschen Steuerberater müssen sich dieser zunehmenden Digitalisierung stellen. Die digitale Trans­for­ma­tion hat schon viele traditionelle Geschäftsmodelle zum Wanken gebracht, sodass zahlreiche traditionelle Dienstleistungen vom Markt verschwunden sind oder von anderen erbracht werden. Jeder von uns hat die Veränderungen miterlebt, welche die Digitalisierung zum Beispiel im Taxigewerbe, bei Reisebüros, Banken, Immobilienmaklern oder Verlagen mit sich gebracht hat. Unternehmen, die sich hier nicht anpassen konnten, bestrafte das Leben (vgl. Stbg. 11/2014, S. 476).

Fazit

Mehr und mehr erfasst die Digitalisierungswelle auch hochwertige intellektuelle Leistungen. Selbst aber, wenn im Bereich der steuerberatenden Berufe manche bisher als nur durch den Menschen als erfüllbar angesehene Aufgabe automatisiert wird und sich der Umfang der Vorbehaltsaufgaben eines Tages dadurch möglicherweise verringert, werden Steuerberater in der Lage sein, sich dem anzupassen und ihre starke Position unter sich ändernden Bedingungen zu bewahren. Mit anderen Worten: Selbst, wenn sich manche Routineaufgabe oder auch manche Beratungsaufgabe in Zukunft noch stärker automatisieren lässt, werden Steuerberater in der Lage sein, höherwertige Dienstleistungen anzubieten, die ihnen einen festen Platz an der Seite ihrer Mandanten auch in Zukunft sichern. Beide gemeinsam – Mandanten und Steuerberater – werden sich digital fortentwickeln: Mitunter werden es die Mandanten sein, die den Steuerberater fordern, in vielen Fällen aber wird es auch der Steuerberater sein, der seiner Mandantschaft die Vorteile der Digitalisierung nahebringt und ihr den Weg dorthin ebnet. Wenn also wie erwähnt schon der Wegfall des Berufs des Tax Preparers prognostiziert wurde, dann dürften darunter nicht die deutschen Steuerberater zu verstehen sein, die neben der reinen Datensammlung und -be­ar­bei­tung viel mehr zu bieten haben, insbesondere auch eine hoch qualifizierte, zeitnahe und persönliche Beratung. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) wird sie auf dem Weg in diese digitale Zukunft aktiv begleiten.

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Zum Autor

Prof. Dr. Axel Pestke

Prof. Dr. Axel Pestke, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, ist am 1.4.2019 als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Steuerberaterverbands (DStV) bzw. Direktor des Deutschen Steuerberaterinstituts (DStI), des Fachinstituts des DStV, in den Ruhestand getreten. Er hatte sich über 34 Jahre lang, davon 27 Jahre als Hauptgeschäftsführer, mit bewundernswertem Einsatz sowohl auf nationaler wie auch internationaler Ebene für den Berufsstand der Steuerberater engagiert.

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