Country-by-Country Reporting - 3. März 2022

Kein Singapur an der Themse

Das Erstellen sowie der Austausch länderbezogener Berichte für multinational tätige Unternehmen dienten dem Zweck, den Finanzbehörden zusätzliche Informationen zu grenzüberschreitenden Konzernstrukturen an die Hand zu geben. Dies gilt auch im Verhältnis zu Großbritannien nach dem Brexit.

Für Unternehmensgruppen, die zur Erstellung eines Coun­try-by-Country Reportings (CbCR) verpflichtet sind, hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent­wicklung (OECD) im Dezember 2019 eine neue aktualisierte Fassung ihrer Guidance on the Implementation of CbC Re­porting veröffentlicht. Die CbC-Meldung wurde von der OECD im Rahmen des BEPS-Projekts (Base Erosion and Profit Shif­ting) vorgeschlagen. Sie soll den Steuerbehörden ein klares Gesamtbild der globalen Gewinn- und Steuerlage der in ihrem Hoheitsgebiet tätigen multinationalen Konzerne vermitteln. Staaten, die ein CbCR implementiert haben, sollen die aktuali­sierte Leitlinie grundsätzlich für Geschäftsjahre umsetzen, die ab dem 1. Januar 2020 beginnen. Mitglieder des sogenannten Inclusive Framework on BEPS, wozu auch Deutschland ge­hört, sind angehalten, die Guidance früher anzuwenden. Ne­ben der nachfolgend beschriebenen Gesetzesinitiative ist in Deutschland allerdings nicht mit weiteren Umsetzungsmaß­nahmen zu rechnen, da das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Anwendung von § 138a Abgabenordnung (AO), der die BEPS-Empfehlung zum CbCR (BEPS-Aktionspunkt 13) in nationales Recht umsetzt oder umgesetzt hat, im Sinne der OECD erwartet (vgl. BMF vom 11.07.2017) und vom Bundes­zentralamt für Steuern (BZSt) entsprechend auf die neue Guidance verwiesen wird. Seit 2015 hat auch das Vereinigte Königreich (UK) den in der BEPS-Aktion 13 (Guidance on Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Re­porting) formulierten Mindeststandard für die erforderliche Verrechnungspreisdokumentation übernommen, nämlich das CbCR. In ihrem jüngsten Konsultationspapier hat die britische Steuerbehörde HM Revenue & Customs (HMRC) ihre Absicht dargelegt, über den Mindeststandard der BEPS-Aktion 13 hin­auszugehen und von Steuerpflichtigen großer multinationaler Unternehmensgruppen (MNE-Gruppen) zu verlangen, dass sie ein Master File und lokale Dateien zusammen mit ergän­zenden Nachweisprotokollen erstellen. Die HMRC hat außer­dem vorgeschlagen, dass alle britischen Steuerzahler, die un­ter die britischen Verrechnungspreisvorschriften fallen, einen International Dealings Schedule (IDS) einreichen müssen – ein stark strukturiertes Formular zur Erfassung bestimmter kon­zerninterner Transaktionen und Aktivitäten. Sollte dies einge­führt werden, wäre dies ein bedeutender Schritt im Vergleich zu den derzeitigen Dokumentationsanforderungen, der den Befolgungsaufwand für viele wahrscheinlich erhöhen wird. Die HMRC hat das Format bestätigt, in dem multinationale Un­ternehmen und Personengesellschaften mit Sitz im UK eine Aufschlüsselung aller Länder vorlegen müssen, in denen sie weltweit Gewinne erzielen und Steuern zahlen.

Jährlicher Länderbericht

Im Vereinigten Königreich ansässige Muttergesellschaften ei­nes multinationalen Unternehmens mit einem konsolidierten Gruppenumsatz von mindestens 750 Millionen Euro müssen der HMRC jedes Jahr einen Länderbericht (CbCR) vorlegen. In diesem Bericht werden für jedes Land, in dem das multinationale Unternehmen tätig ist, die Höhe der Einnah­men, des Gewinns vor Einkommensteuer und der gezahlten und aufgelaufenen Ein­kommensteuer angegeben. Außerdem wer­den die Gesamtbeschäftigung, das Kapital, die einbehaltenen Gewinne und die Sachan­lagen angegeben. Dies wurde schon lange erwartet und es wurden bereits viele Be­schwerden über diese lästige Befolgungs­übung geäußert. Weit entfernt von dem erklärten Zweck, den Steuerbehörden einen klaren Überblick über die weltweiten Ge­winne und die Steuerposition eines multinationalen Unterneh­mens zu verschaffen, können wir alle davon ausgehen, dass dies als Beweismittel zur Unterstützung weiterer Bemühungen der beteiligten Steuerbehörden um Steuererhöhungen verwendet wird, auch wenn sie behaupten, dass es nicht für solche Zwecke verwendet wird. Die Berichte werden in Form einer XML-Datei (Extensible Markup Language) erstellt. XML ist für die Speiche­rung und Übertragung von Daten zwischen verschiedenen Sys­temen konzipiert. Das XML-Format wird von der OECD vorge­schrieben, die die erforderliche Struktur für das Ausfüllen der Datei, ein sogenanntes Schema, festgelegt hat. Darüber hinaus hat das HMRC in einem Leitfaden seine Regeln für das Ausfül­len des Schemas dargelegt. Der Bericht muss über den HMRC-Berichtsdienst übermittelt werden, der laut HMRC in Kürze ver­fügbar sein wird. Die Pflicht zur Einreichung von CbCR gilt für Bilanzierungszeiträume, die am oder nach dem 1. Januar 2016 beginnen, und die Unternehmen haben ab dem Ende des be­treffenden Bilanzierungszeitraums zwölf Monate Zeit, um einen Bericht bei HMRC einzureichen. Britische Unternehmen in mul­tinationalen Konzernen, die in den Anwendungsbereich der CbC-Berichterstattung fallen, sind außerdem verpflichtet, HMRC jährlich mitzuteilen, welches Unternehmen im Konzern den CbCR einreichen wird und wo. Die Mitteilung muss bis zum Ende des jeweiligen Berichtszeitraums, also dem Steuerjahr, er­folgen. In den HMRC-Leitlinien wird dargelegt, wie diese Mel­dung zu erfolgen hat. „Dieser Schnappschussansatz ist für Fi­nanzbehörden nicht so einfach anzuwenden, wie er klingt, und wird zu irreführenden PR-Daten führen, wenn er nicht sorgfältig gehandhabt wird“, führt die Steuerexpertin Eloise Walker von der Steuer- und Rechtsberatungskanzlei Pinset Masons aus. „Wenn die Europäische Kommission und das britische Parla­ment ihren Willen durchsetzen und solche Informationen veröf­fentlichen, könnte dies zu schlechten Presseberichten für Un­ternehmen führen.“

Austausch von Informationen

Die CbCR werden von HMRC automatisch an die Steuerbehör­den der Länder weitergegeben, die in dem Bericht genannt werden und mit denen Großbritannien ge­mäß den internationalen Abkommen über den Informationsaustausch Daten und Be­richte austauschen kann. Die HMRC wird von anderen Ländern Informationen über die britischen Aktivitäten von Konzernen mit Hauptsitz in Übersee erhalten. Auf der OECD-Website sind die Länder aufgeführt, zwischen denen ein Informationsaustausch stattfinden kann. Das HMRC kann die Da­ten, die es aus dem Ausland erhält, nur für die Bewertung des Verrechnungspreisrisi­kos auf hoher Ebene, die Bewertung anderer BEPS-bezogener Risiken sowie für wirtschaftliche und statistische Analysen verwenden. Im internationalen Handbuch des HMRC heißt es: „Das HMRC hat sich bereit erklärt, CbC-Meldedaten nicht als Ersatz für eine detaillierte Verrechnungspreisanalyse einzel­ner Transaktionen und Preise auf der Grundlage einer voll­ständigen Funktionsanalyse und einer vollständigen Ver­gleichbarkeitsanalyse zu verwenden.“ Gegenwärtig haben nur die Steuerbehörden Zugang zu den CbCR. Die Europäische Kommission schlägt dagegen vor, dass CbC-Informationen öf­fentlich zugänglich gemacht werden sollen. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments billigten die Vorschriften im Juli. Sie enthalten eine begrenzte und zeitlich befristete Ausnahmere­gelung für Unternehmen, die es ihnen ermöglichen soll, die Offenlegung sensibler Informationen zu vermeiden.

Offenlegung von Ertragsteuerinformationen

Am 1. Juni 2021 haben Vertreter des portugiesischen Ratsvorsit­zes mit dem Verhandlungsteam des Europäischen Parlaments eine vorläufige politische Einigung über eine vorgeschlagene Richtlinie über die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen er­zielt, die gemeinhin als Richtlinie über die öffentliche länderbe­zogene Berichterstattung (sogenannter Public CbCR) bezeichnet wird. Der danach zu erstellende und zu veröffentlichende Ertrag­steuerinformationsbericht soll Informationen über sämtliche Tä­tigkeiten eines Unternehmens oder aller verbundenen Unter­nehmen einer von einem obersten Mutterunternehmen kontrol­lierten Gruppe enthalten, die im Grundsatz auf den Regelungen zum CbCR (BEPS-Aktionspunkt 13) beruhen. Laut dem verein­barten Text müssen multinationale Unternehmen sowie eigen­ständige Unternehmen – mit Sitz innerhalb oder außerhalb der EU –, die in den letzten zwei aufeinanderfolgenden Geschäfts­jahren jeweils einen konsolidierten Gesamtumsatz von mehr als 750 Millionen Euro erzielt haben, Ertragsteuerinformationen of­fenlegen, und zwar in Bezug auf jeden Mitgliedstaat sowie auf jedes Drittland, das in Anlage I der Schlussfolgerungen des Rats zur EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuer­zwecke oder während zwei aufeinanderfolgenden Jahren in An­hang II dieser Ratsschlussfolgerungen aufgeführt ist. Um einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für die beteiligten Unternehmen zu vermeiden und die Informationspflicht auf das zu beschränken, was tatsächlich nötig ist, um eine wirksame öf­fentliche Kontrolle zu ermöglichen, enthält die Richtlinie eine vollständige und endgültige Liste der Informationen, die offen­zulegen sind. Der Ertragsteuerinformationsbericht enthält Infor­mationen über sämtliche Tätigkeiten des Unternehmens und des obersten Mutterunternehmens, insbesondere auch über die Tä­tigkeiten aller in den konsolidierten Abschluss für das betreffen­de Geschäftsjahr eingehenden verbundenen Unternehmen. Die­se Informationen umfassen unter anderem eine kurze Beschrei­bung der Art der Tätigkeiten, die durchschnittliche Zahl der in Vollzeit Beschäftigten im Wirtschaftsjahr, den Betrag der Netto­umsatzerlöse, den Betrag des Gewinns oder Verlusts vor Ertrag­steuern, den Betrag der noch zu zahlenden Ertragsteuer, den Be­trag der gezahlten Ertragsteuer sowie den Betrag der einbehal­tenen Gewinne. Die im Richtlinienentwurf vorgesehenen Anga­ben verlangen damit im Ergebnis keine zusätzlichen beziehungsweise neuen Informationen gegenüber dem CbCR im Sinne des BEPS-Aktionspunkts 13. Damit werden letztlich die In­halte des CbCR in Zukunft öffentlich einsehbar sein. Es soll etwa auch vorgesehen werden, dass von der Richtlinie erfasste EU-Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen die Berichter­stattung für eine in einem Drittland ansässige Muttergesellschaft übernehmen, soweit ihnen hierzu – gegebenenfalls von der Mut­tergesellschaft anzufordernde – Informationen zur Verfügung stehen. In Großbritannien ermächtigt schon länger der Finance Act 2016 die Regierung, Verordnungen zu erlassen, die die Ver­öffentlichung von CbCR vorschreiben. Die damalige Finanzmi­nisterin Jane Ellison sagte, die Bestimmung gebe der Regierung die Befugnis, eine öffentliche Berichterstattung einzuführen, „wenn dies angemessen ist“, aber dass jede öffentliche Bericht­erstattung auf multilateraler Basis vereinbart werden sollte.

Abkommen infolge des Brexit

Großbritannien ist seit dem 1. Februar 2020 kein Mitgliedstaat der EU mehr. Auf den Brexit folgte aber eine Übergangszeit, die am 31. Dezember 2020 endete. Fast im letzten Moment schlos­sen das UK und die EU das Handels- und Kooperationsabkom­men zwischen dem UK und der EU (TCA), das Großbritannien mehrere Beschränkungen auferlegt, darunter die Kontrolle von Subventionen und die Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter OECD-Steuerstandards. Vor der Unterzeichnung des TCA gab es in den Medien Spekulationen, dass das UK versuchen könn­te, sich als eine Art Singapur an der Themse zu profilieren – ein Steuerparadies, das aggressiv niedrigere Steuersätze als seine EU-Nachbarn bietet, gekoppelt mit Steueranreizen, um Unter­nehmen in das Vereinigte Königreich zu locken. Es wurde auch vermutet, dass das UK in gewissem Maße seine bestehenden Vorschriften zur Steuervermeidung aufweichen könnte, bei­spielsweise die Vorschriften zur Offenlegung von Steuern oder die Vorschriften für kontrollierte ausländische Unternehmen. Im Rahmen der TCA-Bestimmungen, die sich mit Subventions­kontrollen (staatliche Beihilfen unter anderem Namen) befas­sen, verpflichtet sich Großbritannien zu Regeln, die denen der EU entsprechen. Dies hindert das UK daran, eine ganze Reihe von Steueranreizen anzubieten, die auf bestimmte Situationen zugeschnitten sind, um Unternehmen nach Großbritannien zu locken. Das UK hat zwar die Kontrolle über seinen Körper­schaftssteuersatz, wie schon als Mitgliedstaat, doch wird dieser von 19 auf 25 Prozent erhöht und nicht gesenkt. Im Rahmen des TCA haben sich sowohl Großbritannien als auch die EU darauf geeinigt, die OECD-Standards im Bereich der Steuertranspa­renz und einige der OECD-Maßnahmen gegen die Aushöhlung der Steuerbasis und die Gewinnverlagerung (BEPS) beizubehal­ten. Konkret geht es dabei um die Regeln für die Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Unternehmenszinsen, die Vermeidung von hybriden Gestaltungen und die Kontrolle ausländischer Un­ternehmen. Die Parteien haben sich auch darauf geeinigt, die Grundsätze des verantwortungsvollen Handelns im Steuerbe­reich im Sinne von Kapitel 5 des TCA einzuhalten, obwohl noch nicht klar ist, wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll.

Fazit

Es scheint klar zu sein, dass kurzfristig kaum eine Möglichkeit besteht, dass sich London in etwas wie ein Singapur an der Themse verwandelt. Sollte Großbritannien Maßnahmen ergrei­fen, wie etwa die Abschaffung seiner Vorschriften zur Offenle­gung von Steuern, dann könnte es möglicherweise auf die EU-Liste der nicht kooperativen Länder gesetzt werden. Daher ist es mehr als zweifelhaft, dass das UK etwas tun würde, was eine solche Reaktion der EU provozieren könnte.

Zu den Autoren

HR
Hans-Peter Raible

Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie Chartered Accountant (UK) bei Rödl & Partner am Standort Birmingham (Vereinigtes Königreich)

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MS
Matthias Schubert

Steuerberater, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht. Er berät bei Rödl & Partner am Standort Hof vorwiegend mittelständische Unternehmen in gesellschafts- und steuerrechtlichen Fragen einschließlich der Fragen bei der Besteuerung von internationalen Mitarbeitereinsätzen.

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