Rechtsfragen zur Kurzarbeit - 27. Mai 2021

Urteil mit Signalwirkung

Nach einer richtungsweisenden Entscheidung zur Kurzarbeit sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber berechtigt, unter gewissen Umständen den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers zu kürzen. Das Urteil hat zudem Auswirkungen auf den Jahresabschluss 2020.

Seit Beginn der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen mit rückläufigen Umsätzen und fehlenden Folgeaufträgen zu kämpfen. Nicht nur der Anteil an neuen Arbeitsformen ist in dieser Zeit rasant angestiegen, sondern auch die Zahl der Unternehmen, die pandemiebedingt Kurzarbeit angemeldet haben. Während die Zahl der Arbeitnehmer in Kurzarbeit in den vergangenen Jahren relativ konstant im niedrigen sechsstelligen Bereich war, waren es zu Beginn der Corona-Krise im April 2020 plötzlich sechs Millionen Arbeitnehmer. Dieser rasante Anstieg war zwar auch durch den ersten Lockdown und die damit verbundenen neuen Herausforderungen begründet. Allerdings befinden sich auch ein Jahr später immer noch ungefähr 2,5 Millionen Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Durch diese anhaltende Entwicklung stellen sich im Zusammenhang mit der Kurzarbeit eine Vielzahl an neuen Rechtsfragen. Nach fast einem Jahr Kurzarbeit stellen sich viele Arbeitgeber die Frage, ob der Arbeitnehmer auch während der Kurzarbeit Urlaubsansprüche erwirbt.

Anspruch auf Urlaub während der Kurzarbeit?

Das deutsche Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) regelt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erholungsurlaub im Kalenderjahr während des Arbeitsverhältnisses. Das BUrlG stellt hinsichtlich der Entstehung des Anspruchs lediglich auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, nicht aber auf die tatsächliche Erbringung einer Arbeitsleistung ab. Ein Anspruch auf Erholungsurlaub entsteht nach den gesetzlichen Regelungen daher auch, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich nicht arbeitet. Spezielle gesetzliche Vorschriften, die den Urlaubsanspruch für Arbeitnehmer während der Kurzarbeit regeln, bestehen nicht.

Aktuelle Rechtsprechung

Dies würde für viele Unternehmen in der aktuellen Situation zu einer erheblichen zusätzlichen finanziellen Belastung führen. Nachdem bislang umstritten war, ob der Urlaub nach deutschem Recht während der Kurzarbeit gekürzt werden kann, hat sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf in einem aktuellen Urteil vom 12. März 2021 (6 Sa 824/20) als erstes deutsches Gericht ausdrücklich mit dem Urlaubsanspruch während der Kurzarbeit befasst und erfreulicherweise die für Arbeitgeber positive Entscheidung getroffen, dass der Urlaub für Zeiten der Kurzarbeit Null gekürzt werden kann.

Hintergrund der Entscheidung

Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die in einem gastronomischen Betrieb beschäftigt ist. Infolge der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie war die Klägerin im vergangenen Jahr zwischen April und Dezember mehrfach in Kurzarbeit Null. Im Juni, Juli und Oktober 2020 war die Arbeitnehmerin für drei Kalendermonate durchgehend zu 100 Prozent in Kurzarbeit Null. Der Arbeitgeber hat daraufhin für diese Zeit den Urlaubsanspruch mit der Begründung gekürzt, dass die Arbeitnehmerin während dieser Zeit von der Arbeitspflicht befreit war. Die Arbeitnehmerin hielt dem entgegen, dass konjunkturbedingte Kurzarbeit nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolge, sondern im Interesse des Arbeitgebers. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit und der Arbeitgeber könne die Kurzarbeit auch kurzfristig vorzeitig beenden, daher fehle es an einer Planbarkeit der freien Zeit.

Begründung der Entscheidung

Das LAG Düsseldorf hat die Klage – wie auch schon die Vorinstanz – abgewiesen und festgestellt, dass während der Kurzarbeit Null kein Urlaubsanspruch erworben wurde. Mit dieser Entscheidung setzt das LAG die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Urlaubsanspruch während Kurzarbeitszeiten um (EuGH, Urteil vom 08.11.2012 – C-229/11 u. C-230/11). Die Entscheidung begründet das LAG Düsseldorf damit, dass mit dem Urlaub eine Erholung von der Arbeitsverpflichtung bezweckt wird. Während der Kurzarbeit Null ruhen jedoch die beiderseitigen Leistungspflichten vollständig. Solange der Arbeitnehmer jedoch nicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung verpflichtet ist, kann auch kein Erholungsbedürfnis von dieser Verpflichtung bestehen und damit der Erholungszweck nicht erreicht werden. Für die Zeit der Kurzarbeit Null ist der Arbeitnehmer daher so zu behandeln, als wäre er in Teilzeit beschäftigt, und der Urlaub für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null um ein Zwölftel zu kürzen. Das deutsche Recht enthält dazu keine – weder günstigere noch eine schlechtere – Regelung. Weder existiert diesbezüglich eine spezielle Regelung für Kurzarbeit noch ergibt sich etwas anderes aus den Vorschriften des BUrlG. Die Kurzarbeit Null ist insbesondere nicht mit einer Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen, während der weiterhin ein Anspruch auf Erholungsurlaub entsteht. Während der Arbeitsunfähigkeit kann das Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers aus gesundheitlichen Gründen nicht erfüllt werden. Im Gegensatz hierzu hat der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit jedoch tatsächlich Freizeit, die er ohne Einschränkung frei nutzen kann. Hieran ändert auch die theoretische Möglichkeit des Arbeitgebers, die Kurzarbeit vorzeitig zu beenden, nichts. Auch die Veranlassung der Kurzarbeit durch die Corona-Pandemie führt nicht zu einem anderen Ergebnis.

Revision

Das LAG Düsseldorf hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen. Da die Einlegung der Revision aufgrund der aktuellen Brisanz der Entscheidung als sicher erscheint, bleibt abzuwarten, wie die letzte deutsche Instanz das Entstehen von Urlaubsansprüchen während der Kurzarbeit beurteilt. Jedenfalls liegt die Entscheidung bisher auf der Linie der Vorgaben des EuGH zum Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der europäischen Richtlinie 2003/88/EG, denen sich auch das BAG in den letzten Jahren vermehrt angeschlossen hat. Insofern gilt es als sehr wahrscheinlich, dass das BAG die automatische Urlaubskürzung anerkennen wird.

Offene Fragen

Die aktuelle Entscheidung befasst sich allerdings nur mit Urlaubsansprüchen während der Kurzarbeit Null. Ob dies auf Fälle übertragbar ist, in denen sich der Arbeitnehmer nur teilweise in Kurzarbeit befindet, dies jedoch an fest geregelten Tagen, womit er ebenfalls – ähnlich wie ein teilzeitbeschäftigter Mitarbeiter – im Vergleich zu einem vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer an weniger Tagen arbeitet, bleibt weiterhin offen. Befindet sich der Arbeitnehmer jedoch nur teilweise in Kurzarbeit und wird diese nach Bedarf tage- oder gegebenenfalls sogar nur stundenweise unregelmäßig durchgeführt, kann keine Kürzung des Erholungsurlaubs erfolgen. Zur Vermeidung von Unklarheiten empfiehlt es sich zudem auch weiterhin, die Urlaubsansprüche während der Kurzarbeit ausdrücklich zu regeln. Das gilt insbesondere, sofern ein Anspruch auf vertraglichen Zusatzurlaub besteht, für den weit weniger strenge Regeln gelten.

Einbringen von Erholungsurlaub

Für die Kurzarbeit im laufenden Kalenderjahr ist zu beachten, dass (noch) nicht verplanter Erholungsurlaub zur Vermeidung von Kurzarbeit regelmäßig eingebracht werden muss. Sofern 2021 Kurzarbeit eingeführt oder fortgesetzt wird, müssen die Urlaubsansprüche entweder vollständig verplant oder, soweit dies nicht geschehen ist, vor der Bezugsberechtigung von Kurzarbeitergeld eingebracht werden. Die Bundesagentur für Arbeit hatte die sonst geforderte Einbringung des Erholungsurlaubs aus dem laufenden Urlaubsjahr zur Vermeidung von Kurzarbeit aufgrund einer Sonderregelung zur Vermeidung von unbilligen Härten durch die nicht vorhersehbare Pandemie im Jahr 2020 ausgesetzt. Seit dem 1. Januar 2021 gilt hier jedoch wieder, dass Urlaub vorrangig genutzt werden muss, um einen Arbeitsausfall und damit die Kurzarbeitergeldzahlung zu vermeiden.

Jahresabschluss 2020

Auch für die nun anstehenden Bilanzarbeiten im Zusammenhang mit der Erstellung des Jahresabschlusses 2020 sollte das aktuelle Urteil Berücksichtigung finden. So haben Unternehmer in ihren Bilanzen regelmäßig für den noch ungenutzten und nicht verfallbaren Urlaubsanspruch der Mitarbeiter entsprechende Urlaubsrückstellungen nach § 249 Abs. 1 S. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) zu bilden. Dies gilt gleichfalls auch für die Steuerbilanz. Im Falle der Kurzarbeit Null besteht somit kein zusätzlicher Urlaubsanspruch und die Urlaubsrückstellung ist in der Bilanz ergebniswirksam aufzulösen. Das wirkt sich also positiv auf das vermutlich durch die Pandemie verursachte schlechtere Bilanzbild des Unternehmens aus. Ob und inwiefern auch bei nur teilweiser Kurzarbeit eine Auflösung der Rückstellung erfolgen kann, ist einzelfallbezogen zu beurteilen und hängt auch von etwaigen einzelvertraglichen Regelungen ab.

MEHR DAZU

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Zu den Autoren

Aylin Zons

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei DREITOR Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Reutlingen

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Florian Kalbfell-Werz

Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie Gesellschafter-Geschäftsführer der Mauer Unternehmensberatung GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, www.mauer-wpg.com

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