Frankreichs Finanzminister Jean-Baptiste Colbert - 26. Juni 2020

Geld für den Sonnenkönig

Unter Ludwig XIV. stieg Frankreich im 17. Jahrhundert zur bedeutendsten Macht in Europa auf. Viele Kriege und ein ausschweifender Lebensstil erforderten jedoch deutlich mehr Geld, als die Staatskasse hergab. Der Sonnenkönig setzte auf seinen Minister Jean-Baptiste Colbert, der ihm die Kasse wieder füllen sollte. Colbert sah nur einen Weg, dies zu bewerkstelligen: Frankreich musste zu einer Handelsmacht werden.

Colbert wurde 1619 in Reims geboren und entstammte einer im Tuchhandel erfolgreichen Familie. Er bekleidete verschiedene Verwaltungsposten, bis er zuletzt an der Seite des Kardinals Jules Mazarin stand, der für den noch jungen Monarchen Ludwig XIV. die Staatsgeschäfte führte und somit der mächtigste Mann Frankreichs war. Colbert verwaltete das Vermögen des Kardinals so erfolgreich, dass dieser ihn dem König empfahl. So kam es, dass nach Mazarins Tod 1661 Colbert als Finanzbeamter an den königlichen Hof wechselte. Dort schaltete er seine Konkurrenten um die Macht aus und nahm die Position des Oberintendanten der Finanzen ein. Nach und nach ­konnte er weitere Ressorts an sich ziehen, bis er schließlich ­allein die Regierung führte. Nur der König stand noch über ihm.

Sich um Ludwigs Finanzen zu kümmern, war keine leichte Aufgabe. Die lange Zeit chaotisch geführte Finanzverwaltung musste auf Vordermann gebracht werden. Der König pflegte zudem ­einen teuren und aufwendigen Lebensstil. Zusätzlich befand sich Frankreich unter Ludwigs Herrschaft quasi durchgehend im Krieg mit anderen Staaten, was Unsummen verschlang. Um das alles zu finanzieren, musste Colbert dringend neue Einnahmequellen erschließen. Als ersten Schritt reformierte er das französische Steuersystem, das noch ein Überbleibsel aus dem Mittel­alter darstellte. Um den Handel anzukurbeln, ließ Colbert Straßen ausbauen und viele Maße und Gewichte vereinheitlichen.

Eine positive Bilanz im Außenhandel war für Colbert allerdings noch wichtiger. Es sollten möglichst viel Gold und Silber im Austausch für Waren nach Frankreich fließen, aber so wenig wie möglich davon wieder aus dem Land abfließen. Zu diesem Zweck schuf Colbert eine große Zahl staatlicher Manufakturen, in denen mit militärischer Disziplin rund um die Uhr gearbeitet wurde. Der mächtige Minister ließ sogar einige kirchliche Feiertage streichen, damit mehr Arbeitszeit zur Verfügung stand. Um die Qualität der Erzeugnisse zu verbessern und neue Produktionsverfahren einzuführen, ließ er eigens Fachkräfte aus dem Ausland nach Frankreich kommen. Gleichzeitig führte er zum Schutz der französischen Wirtschaft Zölle ein. Colbert setzte ­darauf, dass die Franzosen die günstigeren einheimischen Produkte statt Importware kaufen würden. Dies hatte allerdings zur Folge, dass andere Länder mit Zöllen auf französische Waren antworteten. Vor allem mit den Niederlanden kam es zu einem Handelskonflikt, der später eine Ursache für einen Krieg ­zwischen den beiden Ländern wurde.

Um mit dieser Wirtschaftspolitik auf Dauer erfolgreich zu sein, musste noch mehr getan werden. Colbert wollte Frankreich stärker am damaligen Welthandel beteiligen, den England und die Niederlande dominierten. Er ließ eine große Handelsflotte bauen und gründete verschiedene Handelskompanien nach dem Vorbild der Konkurrenz. Die Kriegsflotte wurde ebenfalls ausgebaut und die Häfen befestigt. Französischen Arbeitern wurde verboten, ins Ausland abzuwandern, den Seeleuten ­untersagt, bei Ausländern anzuheuern.

Eine wichtige Rolle fiel den französischen Kolonien zu. Colbert förderte die Auswanderung in das nordamerikanische Neufrankreich, das als königliche Provinz direkt der Krone unterstellt war. Aus Übersee sollten Rohstoffe preiswert herbeigeschafft werden, um nicht auf eine ausländische Versorgung angewiesen zu sein, gleichzeitig sollten die Kolonien als Abnehmer französischer Produkte dienen. Colbert war auch maßgeblich für die Verabschiedung des Code Noir verantwortlich. Dieses königliche Dekret regelte bis 1848 mit einer Reihe von skrupellosen Bestimmungen den Umgang mit dunkelhäutigen Sklaven in den französischen Kolonialgebieten.

Mit all diesen Maßnahmen gelang es Frankreich, sich hinter England und den Niederlanden als Seemacht zu etablieren. Die französische Form des Merkantilismus – nach seinem Schöpfer als Colbertismus bezeichnet – führte allerdings nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der französischen Staatsfinanzen. Nach Colberts Tod 1683 wichen dessen Nachfolger Schritt für Schritt von der protektionistischen Wirtschaftspolitik ab. Die Aufhebung vieler Zölle und eine Reihe von Handelsverträgen führten nach 1713 schließlich zu einer importfreundlicheren ­Politik in Frankreich. Die unter Colbert eingeführten Arbeitsbedingungen blieben allerdings noch bis zur Französischen Revolution 1789 erhalten. Colbert war es aber gelungen, das monarchische System in Frankreich insgesamt zu stärken. Der Neuorganisation der öffentlichen Verwaltung war ein dauerhafter Effekt beschieden. Unzweifelhaft sind seine Erfolge beim Aufbau der französischen Flotte. Auch Kunst und Wissenschaft wurden durch ihn entscheidend geprägt: Colbert ließ viele bedeutende Forscher nach Frankreich kommen und gründete wissenschaftliche Einrichtungen, etwa die Akademie der Wissenschaften. ­Beliebt war er zeit seines Lebens jedoch nicht, vor allem nicht beim Volk, das unter den Reformen litt und ihn für habgierig hielt. So musste 1683 sein pompöser Leichenzug durch Soldaten ­geschützt werden, weil man Unruhen befürchtete. 

Mehr dazu

  • Hauke Friederichs: Wirtschaftspolitik aus dem 17. Jahrhundert – Wie Colbert bis heute Frankreich prägt, in: piqd.de, 04.08.2016
  • Gerhard Kolb: Wirtschaftsideen. Von der Antike bis zum Neoliberalismus, München 2008
  • Florian Schui: Serienpleitier in Seidenstrümpfen oder Pate des französischen Unternehmertums? Erfolg und Misserfolg des Colbertismus im Spiegel der modernen ökonomischen Analyse, in: Ingo Köhler, Roman Rossfeld (Hgg.): Pleitiers und Bankrotteure. Geschichte des ökonomischen Scheiterns vom 18. bis 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2012, S. 60 – 80
  • Björn Stüben: Jean-Baptiste Colbert –
  • die Geldmaschine des Königs, Deutschlandfunk vom 29.8.2019
  • Victor-Lucien Tapié: Jean-Baptiste Colbert, in: www.britannica.com, 20.07.1998

Zu den Autoren

AW
Alexander Walter

Neumann & Kamp, Historische Projekte, München

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TB
Tobias Birken

Neumann & Kamp Historische Projekte

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