Schnittstellen - 23. November 2023

Reden wir über Details?

In der Produktwelt von DATEV geht es nicht allein um die neue Lösung oder das neue Feature. Es geht auch um verbindende Elemente. Elemente, auf deren Basis das digitale DATEV-Ökosystem steht, das seit Jahren zum DATEV-Produktportfolio gehört und dessen Notwendigkeit Geschäftsleitungsmitglied Jutta Rößner im DATEV magazin 09/2023 erklärt hat. Jetzt erläutert im Interview Tina Schulz, bei DATEV verantwortlich für das Portfoliomanagement, warum gerade dieses Portfoliomanagement für Schnittstellen wichtig ist, was Mitglieder darüber wissen müssen und warum das Thema manchmal herausfordernd ist.

Das Interview führte Carsten Fleckenstein

DATEV magazin: Warum beschäftigt sich DATEV, und das Portfoliomanagement im Speziellen, verstärkt mit Schnittstellen beziehungsweise Application Programming Interfaces, kurz API?
TINA SCHULZ: API werden ein immer wichtigerer Bestandteil des DATEV-Portfolios. Es gibt inzwischen eine umfangreiche Anzahl an Vorsystemen, zum Beispiel ERP-Systeme – Tendenz steigend. Sie werden von Mandanten eingesetzt und dabei entstehen Daten, die für die Automatisierung in der Leistungserstellung der Kanzlei und für durchgängige Prozesse entscheidend sind. Diese Systeme wollen wir über API an DATEV-Lösungen anbinden.

Das sind Systeme, die DATEV nicht selbst anbietet.
Richtig, das sind Systeme von spezialisierten Anbietern in Nischen unseres Portfolios, etwa für spezielle Branchen der Funktionen. Diese Anbieter haben viel Expertise, Erfahrung und eine große funktionale Bandbreite. Und in diesen ausgewählten Bereichen prüfen wir, ob es für das Mitglied von Vorteil ist, auf eine Partnerlösung zurückzugreifen. Fällt die Prüfung positiv aus, integrieren wir die Partnerlösung in die Prozesse. Das heißt, wir gestalten die Geschäftsprozesse so durchgängig und digital wie möglich, sodass Daten am besten ohne Brüche fließen. Dazu braucht es standardisierte Schnittstellen, die wie unsere DATEV-Produkte zu unserem Portfolio zählen.

Was bedeutet das für unser eigenes Angebot? Reduktion?
Nein, und ich möchte ganz klar betonen: DATEV bleibt weiterhin ein Anbieter mit einem möglichst breiten Sortiment für den steuerberatenden Beruf. Wo es sinnvoll ist, reichern wir das Portfolio mit Partnerlösungen an. Wir nutzen die Innovationskraft, die aus dieser Zusammenarbeit entsteht, weil sie unseren Mitgliedern dient. Das Ziel war und ist, Möglichkeiten für neue Geschäftsideen zu schaffen.

Wenn Mitglieder sich mit dem Themenkomplex Anbindung via Schnittstelle beschäftigen, muss ihnen jede API im Portfolio technisch im Detail bekannt sein?
Es sind weniger die Schnittstellen oder die technischen Abläufe, über die sich ein Mitglied Gedanken machen soll, sondern vielmehr, welche Vorteile durch die Anbindung entstehen. Es geht im ersten Schritt darum, zu hinterfragen, wie effiziente digital durchgängige Prozesse erreicht und automatisiert werden können und wie damit die Zusammenarbeit mit Mandanten und Dritten verbessert wird. Am Ende ist es für die Kanzlei nicht entscheidend, was der Mandant technisch im Detail einsetzt oder was er dazu braucht. Es ist wichtig, dass die Kanzlei einen effizienten digitalen durchgängigen Prozess kennt, anbietet und sich darauf verlassen kann, dass DATEV diesen im Griff hat.

Haben Sie dafür ein Beispiel?
Klar, nehmen wir die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Dabei werden verschiedenste Daten vom Mitarbeiter in unterschiedlichen Systemen benötigt. Bis vor Kurzem erfassten das verschiedene Stellen manuell. Das ist sozusagen Geschichte. Jetzt stellt der Arzt diese Krankmeldung digital aus. Im Anschluss geht sie automatisch zur Versicherung, Krankenversicherung, an das betroffene Unternehmen und dadurch die essenziellen Daten auch an den Steuerberater, der sie für die Lohnabrechnung braucht. So entsteht ein geschlossener digitaler Kreislauf. Und genau für diesen reibungslosen Prozess sind Schnittstellen da. Das ist der Nutzen.

Sollten Mitglieder dennoch wissen, welche Schnittstelle wofür geeignet ist, um Mandatinnen und Mandanten zu beraten?
Eine Kanzlei sollte nicht lange über einer Schnittstelle nachdenken müssen. Es muss für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte gleich sein, was im Hintergrund technisch benötigt wird. Es geht darum, dass für das Mitglied transparent wird, welche Prozesse es künftig gibt, wie diese funktionieren, mit welchen Partnern wir zusammenarbeiten und welche Vorteile und welchen Nutzen das bietet. Ob dahinter jetzt ein, drei oder fünf APIs oder Datenservices stecken, sollte für die Kanzlei nicht im Fokus stehen. Aktuell arbeiten wir daran, für mehr Transparenz in unserem API-Angebotsportfolio zu sorgen.

Wie schaffen wir das?
Heute sind unsere Schnittstellen stark nach Geschäftsbereichen geordnet. Für die Finanzbuchführung, die Lohnabrechnung, die Steuererklärung etc. Das war bislang sinnvoll. Aber Dinge ändern sich, Prozesse werden wichtiger. Daher soll künftig das Schnittstellenangebot darauf ausgerichtet sein. Je nach Prozess brauche ich verschiedene API. Vielleicht eine Dokumenten-API, die liegt heute im Geschäftsbereich Kanzleimanagement. Ich brauche eine Stammdaten-API, die liegt im Basisgeschäftsbereich, und ich brauche eine API, die im Rechnungswesen liegt. Derzeit muss der Kunde sich die Schnittstellen zum Teil selbst zusammensuchen. Für eine bessere Übersichtlichkeit soll das API-Angebot stärker nach Prozessen und Themen gebündelt werden. Und diese Transparenz können unsere Mitglieder dann an ihre Mandanten weitergeben.

Sie sind seit 2019 für das Portfoliomanagement bei DATEV verantwortlich und damit auch für das Schnittstellenportfolio. Wie blicken Sie heute auf diese Aufgabe?
Als ich das übernommen habe, lag aufgrund der großen Produktvielfalt der Fokus auf einer besseren Strukturierung des Portfolios. Heute geht es sehr stark um eine einwandfreie Transformation unserer Produkte in die Online-Welt, damit wir unseren Mitgliedern ein vollständiges, verständliches und unterstützendes Portfolio bieten können. Gerade das Schnittstellenportfolio ist dabei so vielschichtig, was Technologie und Tempo angeht, was das Zusammenspiel mit Software-Herstellern, mit unseren Mitgliedern und deren Mandanten anbelangt. Das macht es hin und wieder durchaus herausfordernd.

Herausfordernd können auch Diskussionen um die Sicherheit der Daten sein. Schnittstellen zu Dritten sorgen dahin gehend immer wieder für Bedenken. Wie gehen wir damit um?
Die Zusammenarbeit mit Dritten über Schnittstellen und Prozesse ist heute längst Standard. Was die Sicherheit angeht, prüfen und testen wir jede Schnittstelle, bevor wir eine enge Zusammenarbeit eingehen oder eine Empfehlung für diesen Partner aussprechen. Auf jeden Fall sorgen wir dafür, dass unsere eigenen Schnittstellen sicher sind. Zudem achten wir darauf, wo die Daten unserer Mitglieder liegen und wo wir die Hand draufhalten, sie schützen müssen. Das heißt, unsere Mitglieder können sich darauf verlassen, dass unsere Schnittstellen sicher sind.

Schnittstellen setzen wir nicht nur in Verbindung mit Drittlösungen ein, sondern auch zwischen unseren eigenen Lösungen. Wie sind wir da aufgestellt?
Auch hier wollen wir mehr automatische Datenflüsse generieren, wollen noch besser werden. Wir erreichen das durch die Entwicklung von Online-Lösungen. Sie basieren auf anderen Datenarchitekturen als bisherige On-Premises-Lösungen. Das heißt, dass wir uns künftig bei der Entwicklung von Online-Produkten Gedanken darüber machen, ob die Funktion beziehungsweise die Lösung auch von einem Dritten verwendet werden kann und wie eine gute Integration ins digitale DATEV-Ökosystem gelingt. Mit jedem Vorhaben geht es also zunehmend um Prozessautomatisierung oder lernende Systeme. Ein Beispiel hierfür ist der Automatisierungsservice im Rechnungswesen.

Viele befürchten, künstliche Intelligenz und Digitalisierung machen einige Berufe überflüssig. Wenn wir mehr automatisieren, wie sieht es dann bei unseren Mitgliedern aus?
Es geht natürlich immer noch mehr Automatisierung. Das betrifft aber eher einfache repetitive Prozesse. In der Steuer- oder Rechtsberatung braucht es immer noch die persönliche Prüfung, eben die Beratung, die Expertise. Jemand, der die komplexeren Fälle qualifiziert durchdringen kann. Durch KI und Digitalisierung lassen sich Prozesse effizienter gestalten und Routinetätigkeiten reduzieren – professionelle Beratungstätigkeiten kann eine Maschine aber noch nicht übernehmen. Unsere Mitglieder können also mit Zuversicht in die Zukunft schauen.

Zum Autor

Carsten Fleckenstein

Redakteur und Podcaster bei DATEV.

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