Die Betriebsaufspaltung ist und bleibt ein spannendes Terrain ständiger Überraschungen. Der Bundesfinanzhof hat in den vergangenen zwölf Monaten wesentliche Entscheidungen gefällt, die in der Praxis zu berücksichtigen sind.
Das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung ist seit inzwischen 80 Jahren der Praxis bekannt, seitdem es durch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs entwickelt wurde. Gleichwohl vergeht kaum ein Monat, in dem nicht weitere neue Erkenntnisse und Auslegungsschwierigkeiten aus diesem Rechtsinstitut folgen. In den vergangenen Monaten sind interessante neue Entwicklungen sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch der Rechtsfolgen der Betriebsaufspaltung eingetreten, die im folgenden Beitrag praxisnah geschildert werden.
Nießbrauchsvorbehalt
Beispiel: Es besteht eine Einpersonenbetriebsaufspaltung. Das Besitzunternehmen besteht ausschließlich aus einem Grundstück, das an die Betriebs-GmbH verpachtet wird. An der Betriebs-GmbH ist der Grundstückseigentümer allein beteiligt. Der Alleininhaber überträgt sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebskapitalgesellschaft an sein Kind unter Nießbrauchsvorbehalt.
Einen vergleichbaren Fall hatte der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 21. Januar 2015 zu entscheiden (X R 16/12, GmbHR 2015, 776). Dabei wurde an dem Grundbesitz, also dem Besitzunternehmen ein regulärer Grundstücksnießbrauch vorbehalten und dieser Nießbrauchsvorbehalt ohne weitere Regelungen auch auf den GmbH-Anteil erstreckt. Der BFH stellte mit der herrschenden Meinung in Zivil- und Steuerrecht fest, dass der Nießbrauch am Gesellschaftsanteil nicht dazu führt, dass der Nießbraucher zur Stimmrechtsausübung befugt ist. Die gesamten Verwaltungsentscheidungen im Besitzunternehmen wurden aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs daher durch den Nießbraucher getroffen. Hinsichtlich der Betriebskapitalgesellschaft standen dem Nießbraucher hingegen lediglich die entnahmefähigen laufenden Gewinnanteile zu, jedoch keinerlei Entscheidungsbefugnisse. Die personelle Verflechtung war daher durch die vorweggenommene Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt zerschlagen worden.
Praxishinweis: Die Beendigung der Betriebsaufspaltung hätte sich wohl vermeiden lassen, wenn entweder hinsichtlich des Grundbesitzes lediglich ein Ertragsnießbrauch ohne Entscheidungsbefugnisse vorbehalten worden wäre oder der Nießbrauch am Kapitalgesellschaftsanteil so verstärkt worden wäre durch Stimmbindungsabreden und unwiderrufliche Stimmrechtsvollmachten, sodass sämtliche Entscheidungsbefugnisse entweder beim Nießbraucher oder beim Gesellschafter verblieben wären. Ob allerdings die Entscheidungsbefugnisse beim Nießbraucher die Betriebsaufspaltung beim Erwerber aufrechterhält, ist noch ungesichert. In der Praxis sollte besser von einem Vorbehaltsnießbrauch bei einer Betriebsaufspaltung abgesehen werden.
Vermögensverwaltende GmbH
Eine Betriebsaufspaltung setzt eine sachliche und eine personelle Verflechtung voraus. Sofern die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorliegen, wird bei wertender Betrachtungsweise die rein vermietende Tätigkeit des Besitzunternehmens als gewerbliche Tätigkeit eingestuft. Das Besitzunternehmen wird gewerbesteuerpflichtig, weil diesem bei wertender Betrachtungsweise die gewerbliche Tätigkeit der Kapitalgesellschaft zugerechnet wird. Da die Gewerblichkeit des Besitzunternehmens auf der wertenden Zurechnung der Tätigkeit der GmbH basiert, stellte sich die Frage, ob auch eine rein vermögensverwaltend tätige GmbH zur gewerblichen Umfunktionierung der Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens führen kann. Dies hat der BFH in seiner Entscheidung vom 18. Juni 2015 (IV R 11/13) bejaht. Entscheidend war dabei, dass die Betriebskapitalgesellschaft kraft Rechtsform immer eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, selbst wenn sie eigentlich rein vermögensverwaltend ist. Diese Rechtsformentscheidung führt zur gewerblichen Vermietung beim Besitzunternehmen. Dabei stellt der BFH ferner klar, dass ein Betriebsunternehmen mit mehreren Besitzunternehmen, die der Betriebsgesellschaft wesentliche Betriebsgrundlagen überlassen, jeweils weitere Betriebsaufspaltungen begründen kann.
Soweit die Tätigkeit der Betriebsgesellschaft in der Vermietung und Verpachtung von Immobilien besteht, die sie von verschiedenen Besitzunternehmen angepachtet hat, so ist jedes angepachtete Grundstück als die sachliche Verflechtung begründende wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen. Es entsteht eine multiple Betriebsaufspaltung mit zahlreichen Besitzunternehmen.
Gleichzeitig bestätigt der BFH in seiner Entscheidung vom 18. Juni 2015, dass durch den Einsatz von Nurbesitzgesellschaftern bei einer Besitzpersonengesellschaft die personelle Verflechtung verhindert werden kann, sofern im Besitzunternehmen das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Dies muss sowohl für die Beschlussfassung, die Geschäftsführung und sämtliche Vertretungshandlungen gelten, um eine Betriebsaufspaltung sicher zu vermeiden.
Unternehmenssitz
Auch Wohnungen und kleinere Immobilien können eine Betriebsspaltung begründen.
Die Rechtsprechung des BFH und die Entwicklung der Auffassung der Finanzverwaltung der letzten Jahrzehnte ist durch eine ständige Lockerung der Anforderungen an die Voraussetzungen einer wesentlichen Betriebsgrundlage geprägt. Auch Wohnungen oder sonstige kleinere Immobilien, die in keiner Weise für den Betrieb der Betriebsgesellschaft besonders hergerichtet sind oder einzelne Filialimmobilien können eine Betriebsaufspaltung begründen. Nunmehr hat der BFH in seiner Entscheidung vom 29. Juli 2015 (IV R 16/13, GmbHR 2015, 1337) eine kleine Trendwende vollzogen und der ständigen weiteren Verwässerung der Anforderungen an die wesentliche Betriebsgrundlage Einhalt geboten. Danach ist ein Büro in einem Zweifamilienhaus mit WC mit einer Größe von 20 Quadratmetern, einem Archivraum und zwei Garagen noch nicht notwendigerweise eine wesentliche Betriebsgrundlage, selbst wenn die Adresse dieses Zweifamilienhauses auch als Sitz der AG im Handelsregister eingetragen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob von diesen Räumlichkeiten aus tatsächlich auch wesentliche Geschäftsleitungstätigkeiten für die AG ausgeübt worden sind. Ob dies gelegentlich auch an Wochenenden passiert ist, reicht allein noch nicht aus. Dies gilt zumindest dann, wenn nachweisbar die hier überlassenen Räumlichkeiten von gänzlich untergeordneter Bedeutung für die betriebliche Tätigkeit der AG waren und die Unternehmensleitung der AG grundsätzlich in anderen Räumen ausgeübt wurde.
Umsatzsteuerliche Organschaft
Ausgelöst durch mehrere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Sachen Larentia + Minerva, Marenave (EuGH vom 16.07.2015, Rs C – 108/14 und C – 109/14; siehe Hartman, Stbg 2016,18ff.; Kring/Dietrich, DB 2016, 260; Nieskens, BB 2015, 2074ff.) hat der BFH in mehreren Entscheidungen vom 2. und 3. Dezember 2015 ( V R 67/14, V R 15/15, V R 25/13 und V R 36/13) zum aktuellen Stand der Organschaft, insbesondere in Fällen der Betriebsaufspaltung Stellung genommen. Darin hält der BFH grundsätzlich daran fest, dass eine Betriebsaufspaltung sowohl die organisatorische Eingliederung voraussetzt, also eine Identität oder Teilidentität der Geschäftsführung, als auch eine finanzielle Eingliederung in Form einer Unterordnung der Betriebsgesellschaft unter die Besitzgesellschaft. Eine bloße mittelbare finanzielle Eingliederung durch identische Gesellschafter an Betriebsgesellschaft und Besitzunternehmen ist hingegen für eine Organschaft nicht ausreichend. Nach Auffassung des BFH liegt also weiterhin eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft nur bei der Einpersonenbetriebsaufspaltung und bei der sogenannten Einheitsbetriebsaufspaltung vor, wenn also die Anteile an der Betriebsgesellschaft sich im Gesamthandsvermögen der Besitzgesellschaft befinden. Der BFH weicht insoweit von den europarechtlichen Vorgaben ab, die eine solche Unterordnung nicht verlangen. Ferner weitet der BFH in eng begrenzten Ausnahmefällen das Recht der Organschaft über den Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) auch auf Personengesellschaften aus. Speziell für die Betriebsaufspaltung ist noch die BFH-Entscheidung vom 3. Dezember 2015 (V R 36/13) erwähnenswert, da hierbei die umsatzsteuerlichen Folgen der Entstehung einer Betriebsaufspaltung beurteilt werden. In dem vom BFH zu entscheidenden Sachverhalt hatte der Kläger ein Bauunternehmen, das er hinsichtlich des operativen Betriebs in eine GmbH & Co. KG einbrachte, während er die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in eine GbR überführte. Auf diese Weise entstand eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung. Gleichzeitig wurden jeweils 40 Prozent der Gesellschaftsanteile an beiden Gesellschaften an zwei Kinder des Einbringenden übertragen, sodass sowohl an der Besitz- als auch an der Betriebspersonengesellschaft die gleichen Gesellschafter mit identischen Beteiligungsquoten beteiligt waren. Nach Auffassung des BFH ist keine Organschaft gegeben, da vorliegend nur eine Nebenordnung der Gesellschaften vorlag. Lediglich die Betriebsgesellschaft führt die bisherige Tätigkeit des Einzelunternehmens fort, sodass insoweit eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG vorliegt. Das Besitzunternehmen hingegen führt nicht die bisherige Tätigkeit des Einzelunternehmens fort, sondern begründet einen neuen Betrieb der gewerblichen, umsatzsteuerpflichtigen Verpachtung von Grundstücken und sonstigen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Sofern insbesondere hinsichtlich des Grundbesitzes keine Option zur Umsatzsteuer erfolgte, ist die Einbringung umsatzsteuerbefreit nach § 4 Nr. 9a UStG, sodass gegebenenfalls gezogene Vorsteuern zeitanteilig nach § 15a UStG zu korrigieren und an das Finanzamt zu erstatten sind. Gestaltungshinweis: In entsprechenden Fällen der Entstehung einer Betriebsaufspaltung mit Grundbesitz sollte stets an die erforderliche Option zur Umsatzsteuer nach § 9 UStG gedacht werden.
Weitere Entscheidungen
Mit BFH-Urteil vom 24. September 2015 (IV R 9/13) hat der BFH das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung verneint, wenn ein Grundstück als Erbbaurecht an eine GmbH zur Nutzung vergeben wird, diese GmbH das Grundstück in Ausübung des Erbbaurechts bebaut und anschließend das Erbbaurecht zur Nutzung an eine dem Grundstückseigentümer gehörende GmbH verpachtet. Diese Entscheidung ist meines Erachtens nicht zu verallgemeinern und erscheint bei Nachahmung in der Praxis riskant. Das Geschäftsführergehalt des Geschäftsführers führt auch bei Vorliegen einer Betriebsaufspaltung zu Einkünften aus § 19 EStG, sofern der Anstellungsvertrag angemessen und wirksam ist, so vollzogen wird wie vereinbart und daher der Besteuerung zugrunde zu legen ist (BFH vom 20.01.2015 – X R 49/13, GmbH-StB 2015, 118). Sofern das Anstellungsverhältnis den vorstehenden Anforderungen hingegen nicht genügt, sind die Zahlungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und führen daher zu gewerblichen Einkünften als Teil des Besitzunternehmens.
Zusammenfassung
Sofern der Mandant eine Betriebsaufspaltung hat, gilt es in der Gestaltungsberatung, diese aufrechtzuerhalten.
Die Betriebsaufspaltung ist und bleibt ein spannendes Terrain ständiger Überraschungen und neuer Entwicklungen im Bereich der Rechtsprechung. Wie immer gilt: Sofern der Mandant bereits eine Betriebsaufspaltung hat, gilt es in der Gestaltungsberatung, diese aufrechtzuerhalten; sofern bisher keine Betriebsaufspaltung entstanden ist, sollte alles getan werden, um die Entstehung einer Betriebsaufspaltung und die damit erfasste Verstrickung stiller Reserven zu vermeiden. Sowohl ertragsteuerrechtlich als auch umsatzsteuerrechtlich hat der BFH in den vergangenen zwölf Monaten wesentliche Entscheidungen gefällt, die in der Praxis zu berücksichtigen sind.
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Fachliteratur zum Thema:
Kompaktwissen für Berater: Betriebsaufspaltung – steuerliche Chancen und Risiken, Print Art.-Nr. 36859
Kompaktwissen für GmbH-Berater: VGA-Risiken im Rahmen einer Betriebsaufspaltung, Print Art.-Nr. 36321
Kompaktwissen für GmbH-Berater: Betriebsaufspaltung – ungewollter Wegfall, ungewolltes Vorliegen, Print Art.-Nr. 36329