Steuerberater – der langweiligste Beruf der Welt? - 24. April 2014

In den Takt bringen

It takes two to tango – es gehören immer zwei dazu. So auch bei der an Mitarbeiter- und Nach­wuchs­mangel krankenden Steuer­beratungs­branche. Zum einen brauchen Kanzleien ge­eig­nete Kandi­daten, zum anderen müssen die poten­ziellen Kandi­daten auch erst einmal wissen, wie spannend und über­greifend der Beruf ist.

Als Vorstandsmitglied eines Tanzsportvereins, zuständig für Sponsoring und Pressearbeit, ist es für mich selbstverständlich, Bekannte, aber auch vor allem Jugendliche anzusprechen, ob sie nicht Lust haben, in unserem Verein mitzumachen. Ein Verein lebt von seinen Mitgliedern und von jungen Neuzugängen ganz besonders. Wenn ich die jungen Männer anspreche, muss ich nicht nur unsere Angebote vorstellen, sondern generell schmackhaft verkaufen, damit sie sich mehr für den Tanzsport erwärmen als für den Fußballplatz. Dass männliche Tänzer bei den Damen hoch im Kurs stehen, leuchtet den meisten ebenso ein wie ein weiteres schlagkräftiges Argument, nämlich dass Tanzen auch richtiger Leistungssport ist.
Ich bin aber nicht nur tanzbegeistert, sondern in erster Linie auch Steuerberater und Hochschullehrer. Und bei der Mitarbeiter- und Nachwuchsgewinnung sehe ich durchaus Parallelen zu der Aufgabe, Menschen für eine Sportart zu begeistern.
Denn Mitarbeiter und Auszubildende für eine Steuerberatungskanzlei zu interessieren, ist nicht weniger herausfordernd. Die Bewerber für den Beruf auf dem Arbeitsmarkt sind überschaubar. Fähige Mitarbeiter sind ebenso schwer zu finden wie geeignete Auszubildende. Das hat mehrere Gründe. Zum einen kenne ich viele Kollegen, die gar nicht ausbilden wollen und sich darauf verlassen, bei Bedarf von anderen ausgebildete Mitarbeiter per Fingerschnipp zu bekommen. Zum anderen kommt gerade für viele junge Menschen eine Ausbildung in einer Steuerberatungskanzlei gar nicht in Betracht, da die Profession ein staubiges Zahlenschubser-Image hat. Dem wachsenden Bedarf an Kanzleimitarbeitern steht nur sehr begrenzt geeignetes Personal gegenüber. Diese Gleichung kann nicht aufgehen, wenigstens nicht für die meisten der Steuerberatungskanzleien. Ein Vergleich mit dem Fußball macht es deutlich: Ein attraktiver und erfolgreicher Verein wie der FC Bayern München kann jeden Spieler unter Vertrag nehmen, so auch eine große, erfolgreiche und attraktive Steuerberatungskanzlei.

Der Blick in den Spiegel

Wie aber muss sich jede andere Kanzlei aufstellen, die nicht zu den Big Four gehört, um für künftige Mitarbeiter und Nachfolger in dieser als sehr trocken und spröde geltenden Berufssparte ein attraktiver Arbeitgeber zu sein?
Dass die Steuerberatung trocken und spröde sein soll, höre ich immer wieder von meinen Studenten, die nicht explizit mit dem Steuerrecht zu tun haben, aber auch von Schulpraktikanten, die immerhin schon mal den Schritt in die Kanzlei gewagt haben. Ein Praktikant brachte es auf den Punkt, als ich ihn nach einigen Tagen bei mir in der Kanzlei fragte, ob er sich vorstellen könne, später in einer Steuerberatungskanzlei tätig zu werden. Seine Antwort lautete eindeutig: Nein, Steuern seien ihm zu langweilig, er wolle doch lieber Staatsanwalt werden und Verbrecher in den Knast bringen. Wie kann sich ein Steuerberater angesichts dieser ernüchternden Aussage als attraktiver Arbeitgeber und Ausbilder positionieren?
Dazu gehört zunächst, das doch allgemein verschobene Berufsbild des Steuerberaters zurechtzurücken. Jeder Berufsträger wird mir recht geben, dass die Bezeichnung Steuerberater nur sehr eingeschränkt den Beruf beschreibt, denn wir sind doch viel mehr. Wir sind Unternehmensberater, Controller, Ombudsfrau oder -mann, Eheberater, Vermögensberater und was sonst noch im Leben unserer Mandanten anliegt. Wir sind Ansprechpartner für alle möglichen Lebenssituationen, ähnlich einem Pfarrer oder Hausarzt, und das am besten rund um die Uhr. Zugegeben, ein wenig stressig manchmal, aber andererseits auch schön, so gefragt zu sein und gebraucht zu werden. Laut statistischer Erfassungen gehört der Steuerberaterberuf zu einem der angesehensten Berufe. Dieses reale Berufsbild gilt es, nach außen darzustellen und zu transportieren. Deshalb müssen wir Steuerberater auch noch PR-Leute in eigener Sache werden, nicht nur für unsere Leistungen und damit für unsere Mandanten, sondern auch für den Erhalt unseres Berufsstands.

Feuer in der Seele

Die Kanzlei zu einem begehrten Unternehmen machen

Bei Turnieren muss der Tänzer die Wertungsrichter überzeugen, aber auch das Publikum begeistern. Diese Motivation oder dieser Sportsgeist ist auch im Beruf gefragt. Dem Kanzleichef muss selbst das Feuer in der Seele brennen. Er muss mit Begeisterung die täglich neuen Herausforderungen angehen, denn kein Tag verläuft gleich. Wenn wir Berufsangehörigen mit Leidenschaft dabei sind, dann springt der Funke auch auf die Mitarbeiter über und die Kanzlei bildet ein starkes Team. Das bemerken auch die Mandanten, die anderen davon erzählen und die wiederum als neue Mandanten in die Kanzlei kommen.
Ohne neue Mandanten zu gewinnen, kann eine Kanzlei nicht erfolgreich sein, ebenso wenig als unattraktiver Arbeitgeber, dem die Mitarbeiter fern- oder die Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Doch was macht eine Kanzlei zu einem begehrten Unternehmen, in dem sich Angestellte gerne engagieren? Dazu gehören vier wesentliche Punkte: ein kooperativer Führungsstil, der jedem Einzelnen eine große Entscheidungsfreiheit lässt, attraktive Konditionen, wie leistungsgerechte Gehälter, flexible Arbeitszeiten, zugeschnitten auf die jeweilige Lebenssituation, sowie räumliche und atmosphärische Bedingungen, unter denen sich das ganze Team wohlfühlt, denn wir verbringen mindestens acht Stunden täglich am Arbeitsplatz und das beinahe ein Leben lang.
Schließlich sollten Auszubildenden und Mitarbeitern berufliche Perspektiven angeboten werden. Dazu gehören ständige Fortbildungen, um bei geänderter Gesetzeslage auf dem Laufenden zu sein, aber auch Weiterbildungen zum Bilanzbuchhalter, Steuerfachwirt oder sogar die Vorbereitung zur Steuerberaterprüfung sowie Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Kanzlei, etwa zum Teamchef, Leiter der Lohn- und Gehaltsabteilung, Ausbilder oder Büroleiter.
Nichts ist weniger zufriedenstellend, sowohl für den Mitarbeiter als auch für die Kanzlei, als die innere Kündigung. Je mehr die Kanzleileitung einen Mitarbeiter in wichtige Entscheidungen einbindet, desto mehr setzt dieser sich für seinen Laden ein. Wenn jeder Mitarbeiter für seinen Bereich Verantwortung trägt, beeinflusst das auch positiv die Teambildung, da keiner dem Kollegen das Aufgabengebiet neidet. So kann innerhalb des Teams jeder seine eigenen Stärken einbringen, und auch schwächere Mitarbeiter werden so in den Prozess eingebunden.
Auf ein ausgleichendes Personalmanagement muss man sich als Arbeitgeber immer wieder besinnen. Daher kann es nicht schaden, von Zeit zu Zeit selbst entsprechende Seminare zu besuchen oder Erfahrungen mit Berufskollegen auszutauschen.

Video: Work-Life-Balance: Mehr als nur ein Arbeitsplatz

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Eine Steuerberatungskanzlei ist nicht der verlängerte Arm des Finanzamts. Es muss dringend ein Imagewechsel her, sagt Rainer Fuchs im Video.

Zum Autor

Rainer Fuchs

Diplom-Finanz­wirt und Steuer­be­rater mit eigener kleiner Kanzlei. Er ist zudem Lehr­be­auf­trag­ter an der DIPLOMA Hoch­schule in Bad Sooden-Allen­dorf sowie der Dualen Hoch­schule Baden-Württemberg.

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