Für kleine und mittlere Unternehmen ist Künstliche Intelligenz und Enterprise Resource Planning oftmals nicht interessant. Doch geht es in die Fertigungshallen, ist jede vierte Maschine smart. Die deutsche Industrie ist optimistisch, in Zukunft den globalen Wettbewerb mit Industrie 4.0 ausstechen zu können.

Mit Hilfe von KI (Künstliche Intelligenz) und ERP (Enterprise Resource Planning) kann durch Analyse von Maschinendaten der optimale Wartungszeitpunkt bestimmt werden, der zugleich auch noch den bestehenden Auftragseingang berücksichtigt, um den Produktionsprozess so wenig wie möglich zu stören. Zudem können in Echtzeit Übersetzungen für den Kundenkontakt erfolgen, die den jeweiligen Kontext der Unterhaltung berücksichtigen. Ferner lassen sich zum Beispiel Projektdaten überwachen, um mögliche Kundenbeschwerden vorherzusagen.

Allerdings sammeln sowohl mittelständische Anwender als auch ERP-Anbieter gerade erste Erfahrungen mit KI. Das ist eine Erkenntnis, die der Bitkom in seinem Positionspapier „Künstliche Intelligenz und ERP“ gewonnen hat.

Ein Grund dafür ist, dass KI-Systeme möglichst viele Daten benötigen, um mit diesen die Algorithmen zu trainieren. Kleine und mittelständische Unternehmen können oft nur auf 100 Kundendaten zurückgreifen und stehen somit vor Problemen. Außerdem gibt es KI derzeit noch nicht als Out-of-the-Box-Lösung, sondern muss individuell konzipiert werden. Das wiederum ist mit Kosten verbunden.

Zu guter Letzt fehlt es in den Unternehmen an KI-Knowhow und Experten. Je komplexer die KI-Lösung wird, desto mehr stellen sich auch Haftungsfragen, etwa wenn die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen fehlt. „KI bietet enorme Chancen. Zur Optimierung einzelner Aufgaben und Prozesse sind die Lösungen heute schon relativ gut“, findet Frank Termer, Bereichsleiter Software beim Bitkom. „Von einem selbststeuernden ERP-System, das eigenständig komplexe Unternehmensprozesse managt, sind wir aber sicherlich noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte entfernt.“

Fabrikhalle 4.0

Anders sieht es in Fabrikhallen aus: „Künstliche Intelligenz erobert die Fabriken im Eiltempo und ist die Basis für kontinuierliche Verbesserungen in der Fertigung. KI hat das Potenzial, die Industrie zu revolutionieren“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. Dank maschinellem Lernen (ML) ließen sich Daten unterschiedlicher Quellen miteinander verknüpfen, Fehler vorhersehen und Probleme beheben. „Mit der KI-Branche und der Fertigungsindustrie kommen in Deutschland zwei starke Player zusammen, um gemeinsam weltweit die Spitze zu erobern.“

Eine Bitkom-Umfrage von 555 deutschen Industrieunternehmen ab 100 Mitarbeitern ergab, dass beinahe jedes zweite Unternehmen (49 %) damit rechnet durch ML (Machine-Learning) im Rahmen von Industrie 4.0 tiefgreifende Veränderungen im bestehenden Geschäftsmodell vornehmen zu müssen. Generell versprechen sich die Firmen durch den KI-Einsatz Vorteile. Darunter erhoffen sich 47 Prozent die Steigerung der Produktivität . 39 Prozent denken, dass durch Predictive Maintenance, die Verbesserung der Fehlererkennung und dadurch Reduktion der Ausfallzeiten von Maschinen verbessert werden kann. Ein Drittel setzt auf Prozessoptimierungen in Produktion und Fertigung. Jedes vierte Unternehmen meint außerdem, durch KI in der Fabrik die Produktqualität zu steigern und jedes fünfte Unternehmen verspricht sich eine bessere Skalierbarkeit und weniger Kosten, etwa für Personal, Wartung, Inspektion sowie Entwicklung (19 %).

Auch bei der Vernetzung allgemein kommen deutschen Fabriken voran. Mittlerweile nutzt mehr als die Hälfte der Unternehmen (53 %) bereits spezielle Anwendungen für Industrie 4.0, fast ein Fünftel (21 %) plant diese. Der Anteil der Unternehmen, die angeben, dass Industrie 4.0 aktuell kein Thema ist und auch in Zukunft nicht sein wird, hat sich binnen eines Jahres um zwei Drittel, auf drei Prozent, reduziert.

Schon jetzt kluge Maschinen

Durchschnittlich ist jetzt schon jede vierte Maschine in der Fertigungsindustrie mit dem Internet verbunden. In jedem zehnten Unternehmen ist sogar mehr als die Hälfte der Maschinen via Internet vernetzt. Für Industrie-4.0-Lösungen investieren die Anwender und Planer im Schnitt heuer fünf Prozent ihres Gesamtumsatzes.

„Die vierte industrielle Revolution wird oft als evolutionärer Prozess beschrieben. Das ist insofern richtig, als die Veränderungsgeschwindigkeit in anderen Sektoren viel extremer ist, etwa im Medienbereich oder Finanzwesen“, erklärt Berg. „Die Industrie ist komplexer und am Ende eines industriellen Fertigungsprozesses steht immer noch ein materielles Produkt. Die Schonfrist der Industrie geht aber allmählich zu Ende. Die Automobilhersteller und ihre Zulieferer sind die ersten, die mitten im digitalen Sturm stehen.“

Deutschland künftig führend

In der Selbsteinschätzung sieht sich die deutsche Industrie mit 28 Prozent im weltweiten Vergleich auf Rang zwei, knapp hinter den USA (30 %) und vor Japan (22 %). Auch für die Zukunft sind die Studienteilnehmer optimistisch: 29 Prozent sehen Deutschland im Jahr 2030 als weltweit führend beim Thema Industrie 4.0.

Das sei auch wichtig, denn 85 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass Industrie 4.0 die Voraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und damit für die Sicherung von Arbeitsplätzen ist. 91 Prozent der Befragten sehen in der Digitalisierung eher eine Chance als ein Risiko für das eigene Unternehmen.

KIT baut am AgiProbot

Auch am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) setzt man auf KI. „Die industrielle Fertigung muss zunehmend maßgeschneiderte Produkte liefern und gleichzeitig hocheffizient sein“, betont Professorin Gisela Lanza, Sprecherin des Projekts AgiProbot (kurz für Agiles Produktionssystem mittels mobiler, lernender Roboter mit Multisensorik bei ungewissen Produktspezifikationen).

Die Forschungsgruppe setzt deswegen auf ein agiles Produktionssystem, das selbstständig lernt sowie dynamisch auf vorher nicht bekannte Anforderungen reagiert und die individuell bestmögliche Lösung ermittelt. Dabei erfassen Sensoren sich ergänzende Umweltinformationen – etwa Bewegung und Berührung. Sie sind unter anderem in der Anlagentechnik, in Industrierobotern und in Fahrzeugen implementiert und sammeln die jeweils produktionsrelevanten Daten. Auf dieser Datenbasis versorgen zum einen fahrerlose Transportsysteme die modular aufgebauten Fertigungsstationen mit den notwendigen Warenströmen. Zum anderen nutzen kollaborierende, mobile und autonome Roboter die Daten, um ihre Handlungsstrategien anzupassen.

Bitkom auf der Hannover Messe

Der Bitkom ist bis zum 5. April 2019 auf der Hannover Messe in Halle 6, Stand B30 zu finden. Auf dem 400 Quadratmetern großem Stand sind zudem mehr als 20 Aussteller, darunter auch elf Startups, vertreten. Beim begleitenden Bitkom Innovation Forum mit 50 Expertenvorträgen und Podien wird gezeigt, wie die digitale Transformation gelingen kann.

Autor: Sarah Gandorfer

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