- 12. August 2014

Schnappschildkröte versus kalte Progression

von Gastautor

Sommerloch und Saure-Gurken-Zeit – eigentlich dürfte das ja angesichts der Krisen und Kriege weltweit für die deutschen Medien in diesem Jahr kein Thema sein; dennoch liefern sich aktuell wieder Kuriositäten und Konserven einen Wettbewerb um das Medieninteresse. Die Schnappschildkröten Suarez in einem Weiher hier in der Metropolregion Nürnberg kämpft tapfer darum, in diesem Wettlauf Gewinner…

Claudia Specht

Die Medien diskutieren lieber über die Konserve kalte Progression, ein Thema, das zu jeder Zeit wieder aus dem Regal geholt werden kann. Natürlich auch von Politikern, dieses Jahr fühlen sich viele dazu berufen. Alles in Ordnung, es ist ja an sich eine berechtigte Forderung, aber warum ausgerechnet jetzt der Medienhype um dieses Thema? Die kalte Progression ist doch vor allem in Inflationszeiten ein Ärgernis, also dann, wenn Lohnerhöhungen nicht nur allgemein für eine Einkommensverbesserung, sondern auch für einen Ausgleich der Reallohnverluste durch hohe Preissteigerungsraten sorgen sollen. Bei einer Inflationsrate in Deutschland von 0,8 Prozent im Juli 2014 gibt es dafür aber nicht wirklich einen Grund. Im Gegenteil, die EZB hat kürzlich sogar Lohnerhöhungen in Deutschland eingefordert, um einer Deflation vorzubeugen.

Gäbe es bereits den geforderten Mechanismus zum Ausgleich der kalten Progression, würde der Steuertarif bei einer Deflation – als Grafik betrachtet – nach links verschoben werden, das heißt für ein nominal geringeres Einkommen müsste ein höherer Steuersatz gezahlt werden. Die gewünschte volkswirtschaftliche Wirkung von Lohnerhöhungen würde damit deutlich geschmälert und die gleichen Politiker, die gerade noch diesen Mechanismus gefordert haben, würden verärgert nach Luft schnappen.

Auch das Argument, dass vor allem untere Lohngruppen von der kalten Progression betroffen seien, stimmt nur eingeschränkt. Denn die Tatsache, das am Anfang des Steuerkurve die Belastung jedes zusätzlich verdienten Euros besonders hoch ist, hat vor allem mit der Konstruktion des Steuertarifes zu tun, die sich an dem durchaus anerkannten Grundsatz orientiert, die Höhe der Einkommensteuer nach der individuellen Leistungsfähigkeit festzusetzen. Und da gibt es bei einem Jahreseinkommen von 8.354 Euro bezogen auf den Grenzsteuersatz einen Sprung: Steigt mein Einkommen von 8350 Euro auf 8354 Euro, passiert nichts. Mein Grenzsteuersatz – der für die zusätzlichen Euros – und mein Durchschnittssteuersatz – der für mein gesamtes Einkommen- bleiben bei null. Wenn mein Einkommen aber über diese Grundfreibetrag auf 8360 Euro steigt, habe ich plötzlich eine Grenzsteuerbelastung von 14 Prozent, eben den Einstiegssteuersatz. Das sieht erst einmal schlimm aus, aber schaue ich auf den Durchschnittsteuersatz, der in dieser Einkommensklasse immer noch im einstelligen Bereich liegt, relativiert sich das Thema erheblich. Aber mit solchen Erläuterungen wäre das Thema auch zu kompliziert für die leichte Kost im Sommerloch.

Über die Autorin
Claudia Specht hat Volkswirtschaftslehre, Politikwissenschaft und Medienkommunikation studiert. Vor ihrer Zeit bei DATEV war sie als Wirtschaftsjournalistin unterwegs. In der Pressestelle der Genossenschaft ist sie Ansprechpartnerin für Journalisten zu den Themenbereichen Wirtschaft, Mittelstand und Steuerberaterbranche – und sie fuchst sich gerne in immer wieder neue Themen ein. Der Gesetzgeber gibt ihr dafür regelmäßig Gelegenheit.

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