Die Nachteile fossiler Energieträger kennen wir alle. Eine Alternative zu Kohle, Öl oder Gas kann die Geothermie sein. Diese wird DATEV beim IT-Campus 111 nutzen.
Vereinfacht formuliert: ökonomisch gesehen, sind fossile Brennstoffe teuer. Zum Beispiel, weil die Ressourcen schlechterdings einer gewissen Endlichkeit unterliegen und deren Förderung aufwändig ist. Ökologisch betrachtet, belastet deren Nutzung und Förderung die Umwelt. Nicht zuletzt begibt man sich auf der Verbraucherseite in die Abhängigkeit von Energieproduzenten. Mit dem Neubau des IT-Campus liegt es für DATEV nahe, sich mit Alternativen zu befassen. Geothermie ist die Alternative der Wahl. Im Interview hat mir Matthias Greim erläutert, wie Geothermie im DATEV IT-Campus 111 genutzt wird. Er ist der verantwortliche Teilprojektleiter für die technische Gebäudeausrüstung.
DATEV Blog: Herr Greim, für den Laien, was wird unter dem Einsatz der Geothermie verstanden?
Matthias Greim: Wir verstehen unter Geothermie-Nutzung, die Nutzung der Erdtemperatur als Energiespeicher, um das Gebäude bzw. die Büroräume im Sommer wie im Winter entsprechend zu temperieren, – im Sommer direkt über gekühltes Wasser durch die Temperatur aus dem Boden und im Winter über eine Wärmepumpe als Warmwasser für die Heizung.
DATEV Blog: Und wie funktioniert dadurch Heizung oder Kühlung?
Matthias Greim: Durch ca. 160 Geothermie-Sonden wird Wasser gepumpt. Diese Sonden bestehen aus zwei paar Kunststoffrohrleitungen, die über Bohrungen in 78 Metern Tiefe in den Boden eingezogen und verpresst wurden. Das Wasser, das jetzt in den Rohren nach unten und wieder nach oben gepumpt wird, nimmt die Temperatur des Erdreichs an, die in dieser Tiefe relativ konstant ist. Um eine optimale Wassertemperaturnutzung im Sommer wie im Winter zu erreichen, kommt nun die Betonkernaktivierung mit ins Spiel, die wie ein großer Heiz- bzw. Kühlkörper funktioniert.
DATEV Blog: Was ist eine Betonkernaktivierung?
Matthias Greim: Eine Betonkernaktivierung ist gewissermaßen nichts anderes als eine Fußbodenheizung, nur eben nicht im Boden verlegt, sondern in den unteren Schichten der Decke. Diese Kunststoffleitungen geben im Beton wieder die Temperatur ab, die sie vorher im Boden, entweder direkt zur Kühlung, bzw. nach der Wärmepumpe zum Heizen, aufgenommen haben. Der Beton nimmt also die Temperatur des durchgeleiteten Wassers an und funktioniert, wie schon gesagt, im Winter wie ein großer Heizkörper und im Sommer wie ein großer Kühlkörper.
DATEV Blog: Warum setzt DATEV beim DATEV IT-Campus auf Geothermie?
Matthias Greim: Ein ganz simpler Grund ist die Tatsache, dass der Einsatz von Geothermie gegenüber konventionellen Energieträgern, wie Gas oder Fernwärme, nur minimale Energiekosten für Heizung und Kühlung verursacht. DATEV spart hier im Vergleich bis zu 60 Prozent. Zudem ist dadurch nicht nur eine zukunftsorientierte Wirtschaftlichkeit gegeben, sondern auch ein Stück weit Unabhängigkeit gegenüber den Energieversorgern und damit von Energiepreissteigerungen.
Auf der anderen Seite ist das Heizen bzw. Kühlen über erneuerbare Energien wie Erdwärme und –kälte einfach ein Stück weit umweltverträglicher und zukunftsorientierter als die alleinige Nutzung fossiler Energieträger. Der Nachhaltigkeitsgedanke kommt bei der hier gewählten Lösung besonders dadurch zum Tragen, dass im Sommer nur die Kühlenergie dem Boden entzogen wird, die dem Boden im Winter auch wieder zugeführt wird. Es findet also über ein Jahr gesehen keine Temperaturveränderung im Untergrund statt. Wir als DATEV möchten nicht nur „Grün“ proklamieren, sondern auch wirklich zeigen, dass wir etwas dafür tun. Geothermie ist zudem der Trend der Zeit – heute wird kaum mehr ein Bürogebäude ohne irgendeine Art von regenerativer Energienutzung erstellt.
DATEV Blog: Was sind die Vor- und Nachteile der Geothermie gegenüber anderen erneuerbaren Energien, beispielsweise Solarenergie oder Biomasse?
Matthias Greim: Nun, im Gegensatz zur Solarenergie steht die Erdwärme das ganze Jahr zur Verfügung, was bei Solarenergie nicht der Fall ist. Da gäbe es dann Probleme mit der saisonalen Speicherung. Zudem kann mit Geothermie neben der Heizwärme, wie schon erwähnt, besonders günstig die Kühlenergie gewonnen werden. Die andere Alternative wie die Biomassennutzung ist innerstädtisch gar nicht möglich, auf Grund der einerseits umständlichen Lieferung und der notwendigen aber nicht vorhandenen Lagerflächen. Das bietet sich eher für ländliche Regionen an, wo die Biomasse einfach direkt vor Ort vorhanden ist und wo die entsprechende Lagerfläche zur Verfügung steht. Zudem würde man sich auch hier wieder Abhängig machen von Produzenten und Lieferanten.
DATEV-Blog: Wird denn die Geothermie die einzige Energieform sein, die im IT-Campus genutzt werden wird oder muss DATEV trotzdem andere Energieträger ergänzend verwenden?
Matthias Greim: Natürlich müssen wir auch im IT-Campus noch andere Energieformen nutzen, ganz ohne geht es leider noch nicht. Die Geothermie entlastet zwar deutlich den Bezug von Fernwärme und Strom, in der kälteren Jahreszeit wird aber zusätzlich Fernwärme für die Beheizung benötigt, Strom ist ganzjährig vom Energieversorger notwendig. Aber mit dem Energiemix Geothermie und Fernwärme sind wir, über einen Jahreszyklus gesehen, für die Beheizung in der Nachhaltigkeitsbetrachtung genauso gut aufgestellt wie mit der direkten Kühlung aus der Geothermie in Verbindung mit der konventionellen Art der Kälteerzeugung über elektrisch betriebene Kältemaschinen. Räume mit hoher Kühllast wie z. B. Testräume, Serverräume, Besprechungs- und Konferenzräume lassen sich mit geothermischer Kühlung aber nicht stemmen.
DATEV-Blog: Vielen Dank für das Gespräch.